Kykladen 2017: Lokal-Nachrichten …

………..„Seitdem bin ich skeptisch, was Online-Bewertungen angeht. (…) Und ich vermute, daß es den Kommentatoren oft vor allem um eines geht: darum, sich selbst anzupreisen.
Gefühlt enthält jeder zweite Restauranttipp aus der Kategorie „vietnamesisch“ einen Hinweis, daß der Schreiber erst kürzlich (!) wieder einmal (!!) aus Asien (!!!) zurückgekehrt sei und dort wie immer in dieser superauthentischen streetkitchen (!!!) in einer ganz bestimmten Sackgasse von Hanoi (!!!!) gegessen habe, in die sonst nur Einheimische (!!!!!) kämen. Subtext: Ihr anderen habt keine Ahnung.“
Mit sämtlichen (!)-Betonungen zitiert aus:
„Das weltbeste Pho“ von Marcus Rohwetter, Die Zeit, 22.06.2017.
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Zum Preis eines Tellers Spaghetti beim Italiener bei mir um die Ecke (= 9 Euro):
Die Kombination von 3 Mezedesportionen (Kalamarakia, Krebsfleischbällchen, eingelegte Marides) und 0,5 Liter Weißwein im “Aeriko“/Hermoupolis.

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OK, ich schreibe noch einen Text mit ein paar aktuellen Erlebnissen aus der kykladisch-griechischen Restaurantküche, für diejenigen, die noch in diesem Jahr auf Griechenlands Inseln einfallen. Aber möglicherweise fällt der folgende Text ja auch unter das Selbstanpreisungsurteil …?
Aber … wenn ich schon wieder beim Essen ab und zu die Kamera herausgeholt habe, soll es nicht ganz umsonst gewesen sein … 🙂 …
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SIFNOS
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Also vorneweg (Fanfare!) das beste Einzelgericht, das ich im Mai 2017 auf dem Teller hatte:
Lammspießchen auf Taboulé bei „Drakakis“ in Apollonia/Sifnos!
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Foto: Katharina R.
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Bei Drakakis hat die nächste Generation die Küche übernommen, und manchen Gerichten einen nordafrikanisch-syrisch-libanesischen Touch gegeben – siehe oben! Großes Lob auch für die Geflügel-Spinat-Bällchen!
Und das, während die jüngeren Köche in Griechenlands Tavernen immer häufiger dazu übergehen, uns diese universell-doofen Mafia-Fladen anzubieten …
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Aber Sifnos kommt auch dem Kern des Konformismus in uns allen entgegen. Ich rede von „Pipis Café“ in Kamares. (Ja, das Etablissement heißt wirklich so.) Mit einem 9-Euro-Angebot für eine Art englisches Frühstück.
Leider fehlten die synthetischen Würstchen, die Dosen-Bohnen in roter Sauce, die gegrillte Matsch-Tomate und auch die geschmorten Lamm-Nierchen auf dem Frühstücksteller!
Also leider … unter uns Traditionalisten geht der Daumen eher nach unten: “Damn Greeks! You gave us just another good reason for the Brexit!”
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Man beachte die wespensicheren Saftgefäße! Echt cool …
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SYROS
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Ab und zu muß ich allerdings auch mal in Griechenland „zum Italiener“, etwa zum „Amvix“ in Hermoupolis, am Fähranleger. Liebe Leser, das ist zulässig. Syros hat ja schließlich eine katholische Tradition …
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Empfohlen: Die hausgemachten Prosciutto-Tortelli, mit Walnuss-Sahne-Sauce. Die Portion sollte man in zwei halbe teilen, als zweiten Gang zwischen Vorspeise und Hauptgericht.
(Vor 20 Jahren gab es mal auf Naxos – im „Apotheki“ – diese hausgemachten Rote-Bete-Tortelli mit Butter-Mohn-Sauce. Unvergessen …)
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Nicht empfohlen: Essen an der neugestalteten Hafenmeile an der Nordseite der Bucht. Aber das war schon vor 20 Jahren so. Nur konnte man hier früher abends gemütlich mit dem Rücken zur Wand sitzen, mit dem Glas in der Hand, und den Einheimischen bei der volta zusehen. Das geht durch die neue Straßenführung nicht mehr.
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IMG_9267_330Die beste Gesamtwertung geht an das Mesedopoleio/Tsipouradiko „Aeriko“ in Hermoupolis. (22.10.2017 = siehe unten)
Meike und Thanasis hatten mir das Lokal vor vier Jahren schon vorgestellt, für die Kombination aus Wein und Mezedes nach Laune des Chefs. Damals war hier abends noch kaum ein Stuhl frei … und vor ein paar Wochen hatte ich im Internet gesehen:
Das Aeriko bietet jetzt in der Nähe auch 4 Apartments an! Na, für Hausgäste müßte doch immer ein Tisch reserviert sein, oder?
Nicht wirklich billig, so ein Apartment, und exclusive Frühstück, egal …
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Kostas Petridis, der Wirt, holt mich an der Fähre ab. Ich staune, von meinen Fenstern schaue ich direkt in die Tavernengasse (Odos Stephanou)! Gleich vier Tavernen (Kouzina, Ousyra, Petrino und Aeriko) direkt unter mir. Das heißt natürlich, hier kann es abends auch laut werden … wird es auch.
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IMG_9198_A330Noch mehr staune ich über Kostas Fürsorglichkeit: Toastbrot, Croissants, Kekse, Schinken und Käse für den Sandwich-Toaster, Filter- und Neskaffee, Dosenmilch, 10 Liter stilles Wasser, 2 Liter Orangensaft, eine kleine Karaffe Ouzo …
Und jeden Tag wird frisches Obst geliefert: Kirschen, Wassermelone, Bananen …
Im Bad ist alles da, was für die Hygiene nötig ist, inklusive Papiertaschentücher und Tampons … dazu ein kleiner Stapel Lektüre (sogar Comics von Arkás, liebe Marliese!).
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Meine Fensterfront, mit Übersicht über die Odos Stefanou.
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Durch die Markisen blickt man rechts direkt aufs Aeriko, wo Meike, Thanasis und ich uns abends von Kostas’ Mannschaft abfüllen lassen.
Inzwischen kann man bei den Mezedes vorwählen in drei Richtungen: Fisch, Fleisch oder Mix.
Ich habe dreimal im Aeriko gegessen, zweimal mit Parea, und unsere Neigung ging immer in Richtung „Fisch“. Wir hatten insgesamt 18 Portionen, nur zweimal gab es etwas, was wir schon kannten!
Gefüllte Miesmuscheln, gebratene Sardellen, eingelegte Marides, frittierte Mikrofischchen, gebackene Shrimps, Kalamarakia, Kabeljaufilet mit Skordalia, frittierte Krebsfleischbällchen, Surimi-Salat, und nebenbei – aus der anderen Abteilung – noch Fleisch-, Zucchini- und Geflügelkeftedes, Kartoffelsalat, Loukaniko mit Pita, mariniertes gegrilltes Bauchfleisch …
Vor zwei Jahren gab es noch diese wunderbaren kleinen Austern, Kostas … im Moment keine Stridia-Saison … 🙂 …?
Und selbst wenn draußen 40 Gäste einer Familienfeier versorgt werden müssen, bleibt immer noch Zeit für ein kurzes Gespräch mit Wirt und Personal und eine Extra-Karaffe aufs Haus …
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Das T’Aloni-Team bei der Konkurrenz. Hier in der Fleisch+Mix-Phase …
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Wenn man sich den Höhen und Tiefen des örtlichen Geräuschpegels mal angepaßt hat, lebt man hier gut und sehr zentral. Man ist ja mitten in der Fußgängerzone im „besseren“ Teil der Altstadt.
Bis zum Mittag ist es ruhig, außer wenn beim Ausrollen der Markisen die erste Gäste von den Resten des nächtlichen Gewitterregens geduscht werden …
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… oder wenn der Alpha-Kater mal wieder seine Sonnenliege fauchend gegen die Konkurrenz verteidigen muß:
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Und natürlich ging es samstags, wo Meike kocht, auch hinauf in den Norden der Insel, zum „T’Aloni“ in Papouri. Das Rote Bete-Yoghurt-Walnuss-Honig-Dessert gab es diesmal als Vorspeise. Aber über das T’Aloni habe ich ja schon mehrfach berichtet:
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TINOS
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Hier kann ich im Hafenort gar nichts mehr empfehlen, definitiv auch nicht mehr „Eleni’s Koutouki“. Man muß schon ein wenig außerhalb der Stadtgrenzen unterwegs sein. Das „Maistrali“ (halbe Strecke zwischen Chora und Kiona) kann sich echt sehen lassen. Zweimal mit griechisch/deutscher parea da gegessen, zweimal mehr als zufrieden gewesen (wird von der Familie geführt, der in Ktikados die Taverne „Drosia“ gehört).
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Und ich dachte, ich hätte in der Woche auf Tinos überhaupt nicht mehr beim Essen fotografiert. Falsch. Da war noch dieser Abend in Mirsini, bei „Terezas Kafeoinopantopoleio“. Nun, das ist so ein Platz, den man wirklich ohne Einheimische nicht findet, Herr Rohwetter, und das Essen, das in der Küche in einer Ecke des Kramladens zubereitet wird, ist großartig, vielfältig, reichhaltig und „voll authentisch“.
Außerdem muß man Mutter Tereza unterstützen, nachdem die Hygiene-Inspektoren sie dazu gezwungen haben, zwei völlig überflüssige neue Euronorm-Toiletten zu bauen (in Version „M“ und „F“, obwohl die alte Toilette – unisex – tadellos und klinisch sauber ist).
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Loukaniko und butterweich Geschmortes vom Schwein, Salat mit schwarzäugigen Bohnen, Rote Bete und Skordalia und (wichtig) gute Laune bei den Gastgeberinnen …
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Auch der originelle Haus-Salat im „Apodrasi“ in Steni kommt auf die Empfehlungsliste: Grüne Salatstreifen, Gurke, Tomaten, Artischockenböden, Meeresfenchel, Oliven, Käse, Kapern, Kapernblätter, Sesamkörner – Portion reicht für zwei, und der kräftige Eigengeschmack der Zutaten übertönt die allgegenwärtige modische Balsamico-Creme.
Zu den Gratis-Geleefrüchten zum Dessert gibt es sogar noch ein frisches Glas Wasser! So viele Tavernen machen sich inzwischen längst nicht mehr diese Mühe!
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KITHNOS
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Das „Ostria“ in Merichas, wenn es was auf den Teller gibt, was vorher unter Wasser gelebt hat.
Amen.
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> WEITER MIT: BOCUSE, ROBUCHON UND DAS AERIKÓ
> WEITER MIT: DAS T’ALONI IN PAPOURI
< ZURÜCK ZU: KYKLADEN FRÜHSOMMER 2017
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> Übrigens, meine „Mezedes und Syros“ Seite ist nun fast 10 Jahre alt und inzwischen ziemlich obsolet. Ja, die meisten Lokale gibt es noch. Trotzdem: Nur noch was für Nostalgiker …

10 comments

  1. Hallo Theo, was für ein Zufall, wir waren am 31.Mai vor dem Umsteigen von der Nissos Mykonos auf die BlueStar Paros im “Amvix” und haben die von Dir beschriebenen Tortelli gegessen. Eine wirklich gute Adresse.
    Xristo

  2. In Apollonia auf Sifnos hatte ich am gleichen Tisch Zucchini-Keftedes und Schweinefilet mit Honig + Senf auf Tabouleh. Beides ist auch empfehlenswert,

  3. Wir haben den Tisch ja nach dem Essen aufgegeben, und haben weiterhin im Innenraum gesessen. Mai-Nächte in Apollonia können ganz schön kalt und zugig sein …

  4. Viele Grüße von mir an die beiden … nicht vergessen: beide sind (zusammen) nur am Wochenende da! Und auch mal Mezedes im Aerikó testen!

  5. Es ist ja Mode geworden, im Restaurant sein fertig zubereitetes Essen zu fotografieren. Aber interessant ist es doch, zu wissen, was vorher hinter der Küchentür passiert. Hier ein Beispiel:

  6. Vom Drakakis auf Sifnos hört man aktuell nichts gutes: Wein gäbe es nur noch glas- oder flaschenweise, dafür wären die Portionen kleiner geworden, bei steigenden Preisen. Die Essensqualität war schon letztes Jahr nicht mehr so gut.
    Schade.

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