Stille Pfade und runde Füße …

Aghios Nikolaos Hydra
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Aghios Nikolaos, sorry Aghios Onoufrios*, in der Mandraki-Bucht. Wenn man das Gebäude „dramatisch“ fotografieren will, dann nur so, in dieser Perspektive. Aus einer harmloseren Sicht wirkt das Fundament der an den Felsen geklebten Kirche schon weniger beeindruckend:
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Aghios Nikolaos Hydra 2
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Eins der Gebäude, die mir die griechisch-orthodoxe Kirche gerne zum Wohnen überlassen könnte. (Die haben doch übergenug davon …) Und ich würde immer auch den Strand unterhalb der Kirche säubern, immer! (Was heißt “Kehrwoche” auf griechisch, Katharina?)
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Katharina hatte sich für ihren Aufenthalt auf der Insel ja zwei größere Wanderungen vorgenommen, beide an den Hängen des Eros-Berges entlang. Einmal eine Schleife nach Osten, vorbei am Kloster Aghios Nikolaos Thalassinos, einmal nach Westen, über Aghios Mamas und Episkopi.
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FREITAG
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An unserem ersten Wandertag ändern wir (auf meine Bitte) ihren Plan in eine „light“-Version. Aber so ganz ohne ist die entschärfte Version auch nicht. (Wir lassen den steilen Aufstieg über die Südwand des Eros aus – bis zur Scharte zwischen den Eros- und Pyrghos-Gipfeln, dem ein ebenso steiler Abstieg zum Hafenort folgt.)
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Zunächst geht es über das Küstensträßchen bis Mandraki, vorbei an der o.g. Nikolaus-Kapelle und der Wasserentsalzungsanlage. In einigen Serpentinen hinauf zum Müllplatz von Hydra, dessen Anlage schon vom weiten durch vom Sturm verwehte Plastiktüten zu erkennen ist. Sieht gespenstisch aus. (Sie haben gedacht, nach EU-Vorschriften seien die offenen Müllplätze in Griechenland gar nicht mehr erlaubt? Hatte ich auch gedacht.) Auf 200 Metern Höhe liegt links das Kloster des Aghios Nikolaos Thalassinos. Inzwischen wärmt uns die strahlende Wintersonne, und auf der Höhe weht der Wind. Wo alte Dreschplätze sind, da weht es immer. Weiter nach Süden auf einem steinigen Fahrweg …
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Fahrweg Hydra
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… auf dem man an einer Stelle durch ein Tor mit einer originellen Beschriftung ausgebremst wird …
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Wegsperre Hydra
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… aber es ist keinesfalls ein Nachteil, mal ausgebremst zu werden. Die Aussicht hinunter zur Steilküste ist phänomenal! Die Südküste der Insel ist ja menschenleer. Hier der Blick über die Limioniza-Bucht:
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Limioniza Bucht Hydra
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Der Fahrweg wird zum Fußpfad (ist immer noch bequem). Ein schönes Tagesziel wäre die kleine Halbinsel mit den Kapellen von Aghios Konstantinos & Eleni und Petros & Pavlos, aber wir verpassen den ersten Abzweig, und der zweite Abzweig, der im spitzen Winkel steil abwärts führt durch ein Geröllfeld, sieht nicht gerade einladend aus.
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Wir kehren um an einem weiteren Tor, hinter dem ein Wachhund seine Langeweile verkläfft. Kurze Pause, und zurück. Auf der Höhe des Nikolaus-Klosters abbiegen nach links, vorbei am Aghia Triada-Kloster, den Mühlenruinen und dann den felsigen Abstieg hinunter, vorbei an Aghia Fotini und einem der beiden Friedhöfe von Hydra.
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Drei Tage später sehe ich im Hafenort zufällig noch einen potentiellen Neuzugang für den Friedhof. Die verstorbene Frau ist direkt hinter der offenen Haustür im offenen Sarg aufgebahrt, der Sargdeckel steht mahnend in der Gasse:
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Aufbahrung Sarg Hydra
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SAMSTAG
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Meine Füße sind noch „rund“ von der Freitagstour, aber Katharina ist schon wieder putzmunter. Heute will sie nach Westen! Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir ohne größeren Frust den Zugang zum Fußpfad Richtung Aghios Mamas am westlichen Ortsende finden werden (den hatte ich schon vor zwei Jahren vergeblich gesucht), aber das bremst nicht Katharinas Ehrgeiz. Sie versucht es alleine.
Ich nehme den Küstenpfad nach Westen, wir verabreden uns für später – auf der Höhe, beim Dörfchen Episkopi. Wir wollen dann zusammen über Palamidhas, Plakes Vlychou und Vlychos zurücklaufen.
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Wir starten beide mit Hintergedanken: Ich glaube nicht, daß Katharina den Einstieg findet, sie glaubt nicht, daß meine „runden“ Füße bis Episkopi durchhalten …! Manchmal schaue ich auf meinem Küstenweg schon diskret zur Seite, wenn ein Wassertaxi Richtung Westen düst: Sitzt da vielleicht jemand mit einer hellblauen Wanderjacke drin … 🙂 …?
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Mein Ehrgeiz ist heute nicht groß. Hätte die Kondylenia Taverne in Kamini geöffnet, wäre ich schon auf deren Terrasse hängengeblieben. Nun sitze ich eine halbe Stunde auf der Bank über Vlychos, verputze einen Teil meiner Mittagsvorräte, schaue westwärts und träume:
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Vlychos Hydra
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Weiter. Durch das Tal von Palamidhas, häßlich wie immer, hinauf durch die Kiefernwälder. Unter mir die Bucht von Molos, links hinten die (offiziell) unbewohnte Insel Dokos:
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Molos Dokos Hydra
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Episkopi OrtsschildIch bin früher in Episkopi, als ich gedacht hatte. Der Weg auf der waldigen Hochfläche ist geradezu bilderbuchgriechisch. Arkadische Frühlingsidylle. An den Frühlingsblüten, weiß und lila, zerrt eine leichte Brise. Erste Bienen, erste Schmetterlinge.
Episkopi ist eigentlich kein richtiger Ort, es sind nur ein paar Sommer-Wohnhäuser, es ist umgeben von frischgepflügten Feldern und Olivenbäumen. Die Hühner krähen ihren Legeerfolg heraus.
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Episkopi Hydra
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Wanderschild Eros HydraDer Karte nach müßte hier der Fahrweg enden, links müßte der Pfad nach Aghios Mamas abgehen. Das Hinweisschild weist ins nichts, halb nach links, halb geradeaus. Wie weit soll ich noch weiter? Bisher gab es keine Alternativstrecke, die Katharina gehen konnte. Bisher konnten wir uns noch nicht verfehlen. Gut, noch ein paar Meter, bis zur nächsten Kurve. Da höre ich ihren Ruf von der Höhe! Verrückt, hätte ich nicht so lange zögernd vor dem Hinweisschild gestanden, hätte ich sie glatt verpaßt!
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Katharina Aghios Mamas Weg
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“Mrs. Livingstone, I presume?”
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Bis Palamidhas spazieren wir gemeinsam zurück, immer abwärts. Sitzen gemütlich auf der Bank am Kai und schauen zu, wie dort Sand in Säcke verladen wird, die mit einer Maultier-Karawane auf den Berg müssen. Der Maultierführer lächelt uns leicht gequält an. Ja, echte Knochenarbeit. Wir strecken bequem die Beine aus und lächeln zurück. Als wir gehen, tun mir plötzlich die Füße weh, krampfartig. Ich sollte mir dringend ein Amulett gegen den bösen Blick besorgen, ich weiß … 🙂 …
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Palamidhas Maultiere Hydra
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Noch halte ich mich gerade, da ich mittags ein Schild gesehen hatte in Vlychos: „Taverna Marina, open all year.“ Die Taverne finden wir, aber die haben heute wohl Ruhetag. Kein Kaffee, kein Birra, keine Mezedes. Da bleibt nur eine kleine Pause auf dem Dorf-Spielplatz:
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Vlychos Hydra
Foto: Katharina R.
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So richtig stechend schmerzen meine Füße, als wir am Ortsrand von Hydra den privaten Hubschrauber sehen, der ganz lässig in einer Gartenwiese parkt. Der Pilot und die beiden Fluggäste kommen uns gerade entgegen, die Maschine startet, das Gerät hebt ab, richtet sich aus nach Nordosten, Richtung Athen.
Im lokalen Ortsprospekt steht der Satz: „For a faster and more impressive journey, you can arrive in style using a helicopter.“
So so. Aber wenn man sich schon keinen Miet-Esel leisten kann! Ob der Pilot uns jetzt nicht auf unserer Dachterrasse absetzen könnte? Oder auf der Freifläche am Café Isalos? Das wäre doch stilvoll …
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2 comments

  1. * = Aghios Nikolaos ist falsch, es ist Aghios Onoufrios. Katharina hat heute mit der Lupe auf ihre Karte geschaut. Ὀνούφριος war ein ägyptischer Einsiedler im 4. Jahrhundert.
    Katharina hat auch gerade herausgefunden, daß ein Haus oberhalb der Kapelle zu verkaufen ist. 500.000 Euro. Könnte sich der Einsiedler wohl nicht leisten. Ich auch nicht …

  2. Stefan Staufer schreibt im November 1958 (Merian 12/XI, Athen und Attika) über das Wandern auf Hydra:
    “Diese Insel, im Altertum und Mittelalter unbewohnt, wurde erst im achtzehnten Jahrhundert von Menschen besiedelt, die vor der türkischen Gewaltherrschaft flohen. Da sie so gut wie unfruchtbar ist, ernährten sich die Flüchtlinge durch Fischfang und Schiffahrt.” (…) “Die kahlen, steilen, glühenden Felsen schrecken ab; wer spazierengeht oder wandert, ist immer allein, zumal es auf Hydra keine Fahrstraßen gibt. Wer die Gipfel erklimmt, von dort hinüberschaut auf das Ägäische Meer mit seinen kaum zählbaren Inseln, kann jene riesige, erschreckende, panische Einsamkeit kennenlernen, die etwas so kennzeichnend Hellenisches ist.”

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