Schönheit am Mittelmeer

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“Er konnte abschreiben wie kein zweiter.” Kein Wunder, daß Steinbrücks erster Berufswunsch “Journalist” lautete, wie der Tagesspiegel aus einem Weltwoche-Nachdruck eines Stern-Interviews erfuhr.
(Tim Wolff, Titanic 01.2009)
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Abschreiben kann ich auch … 🙂 … ich schreibe hier ab aus “Schönheit am Mittelmeer“, von Franz Carl Endres, Bohnenberger-Verlag Stuttgart, 1929. (Leider hat der Fotograf Paul Hommel in dem 3,5 Kilo schweren Band keine schönen Griechenland-Bilder hinterlassen, die man für die Nachwelt kopieren “müßte”. Die Bilder auf dieser Seite sind ebenfalls sehr alt, stammen aber woanders her …)
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Der Historiker Franz Carl Endres (1878-1954) war zeitweise Professor an der Generalsstabschule in Istanbul, und Auslandskorrespondent verschiedener deutscher Zeitungen. Er schrieb über 40 Bücher und war führendes Mitglied der Deutschen Liga für Menschenrechte. Zur Nazizeit war sein Buch “Die Tragödie Deutschlands” (1921) verboten. Ab 1926 lebte Endres in der Schweiz. (abgeschrieben bei wikipedia)
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Vieles, was heute zu sagen ist, ist schon mal gesagt worden, klar, manches ist aber auch nur wunderschön beim Zurückblicken … hier ein paar Beispiele aus Endres’ Text:
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DIE INSELN: Man sollte zuerst die Inseln besuchen, bevor man Griechenland betritt. Das ist aber nicht recht möglich, da man die nahe an dem Festlande von Griechenland liegenden Inselgruppen der Zykladen, die nördlichen Sporaden und Euböa eigentlich nur von Athen aus besuchen kann. Die großen Schiffe halten nicht auf den Inseln. (…) Man ist, was die Kunst des Seefahrens betrifft, bei einem griechischen Kapitän in Abrahams Schoß. Trotzdem ist die Fahrt auf einem kleinen griechischen, überfüllten Schiff kein reines Vergnügen. Denn es fahren zu viel Wanzen mit und der Schmutz ist nur bei sehr großer Begeisterung ohne Grauen zu ertragen.
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FLÜCHTLINGSELEND IN ATHEN: Im Königlichen Theater (Athen) waren viele Hunderte von Flüchtlingen einquartiert. Jede Familie hatte eine Loge. Da wurde gegessen und gearbeitet, geschlafen und gekocht, geboren und gestorben. Es waren entsetzliche Zustände, die der niemals vergißt, der sie einmal sah. (…) Und draußen vor der Stadt lagen Zehntausende in Zelten, in zwei gegeneinandergestellten Brettern, in Höhlen und unter Lumpen. Hunderttausende sind, ihrer letzten Habe von den Türken beraubt, in die Heimat gekommen, fast alles sehr wohlhabende Menschen, Kaufleute und Gebildete, die alles verloren hatten und in furchtbarster Armut und hoffnungsloser Lage die Hauptstadt und alle großen Städte Griechenlands bevölkerten.
FLÜCHTLINGE UND INDUSTRIE: Einen gewaltigen Sprung hat das Wirtschaftsleben Griechenlands gemacht, seitdem die Ankunft von Hunderttausenden von Flüchtlingen aus dem türkischen Orient das Land mit arbeitsuchenden Menschen überschwemmte. Sehr interessant ist die jüngste Entwicklung der Teppichfabrikation in Griechenland. Die Fabrikation der sogenannten “Smyrna-Teppiche” hat in der Türkei so gut wie aufgehört. Denn die teppichknüpfende Bevölkerung Anatoliens war durchweg griechisch und ist nach Griechenland zurückgewandert. Sie hat ihre Industrie mitgenommen und daher wird der anatolische Teppich heute nicht mehr in Anatolien, sondern in den dreißig neuen, allein in den Jahren 1924 und 1925 in Griechenland entstandenen Teppichfabriken hergestellt. Eine der größten Teppichfabrikationen ist die “Anatolian Rug Manufacturing Cie. Limited”, die hauptsächlich nach Amerika liefert.
RETSINA: Der griechische Wein ist herrlich. Aber die Griechen können ihn, wie alle Völker des Ostens, nicht behandeln. Sie sind in allen ihren Geräten zu schmutzig und kennen die Geheimnisse der Faßdesinfektion nicht. Infolgedessen verdirbt ihnen ihr Wein sofort. Und um das zu verhindern, versetzen sie ihn mit dem Harz der Zwergpinie; sie rezinieren den Wein. Das taten sie schon im Altertum, denn nicht umsonst trägt Bacchus, der Gott des Weines, als einen Szepter den Pinienzapfen. Und es gibt auch Nichtgriechen, die ihre Begeisterung für Hellas so zu steigern wissen oder durch lange Gewöhnung sich in so hohem Maße bescheiden, daß sie diesen geharzten Wein für gut halten. Er schmeckt entsetzlich. Aber auf dem Lande bekommt man  gar keinen anderen.
DER KANAL VON KORINTH: Ich weiß nicht, wie oft ich die Strecke von Triest nach Athen oder zurück schon gefahren bin, aber sicher ist, daß wir niemals den Kanal benutzen konnten. Es ist ein Unglückskanal. Für die etwas korpulenten Schiffe ist er zu schmal und für die schmalen Schiffe kommt er nicht in Betracht, weil er meistens repariert wird, wenn man ihn gerade am besten braucht.
DIE STADT KORINTH: Ein Bahnhof langweilt sich in der Ebene und erschrickt geradezu, wenn einmal ein Zug kommt. Ein paar Jünglinge storchen ein paar mit netten Beinchen behafteten Korintherinnen nach. Das ist die sichtbare Erotik dieser im Altertum ob solcher schwer angegriffenen Stadt. Der Apostel Paulus hätte es heute hier nicht mehr nötig, seine nicht allzu liebevollen Briefe an die Bevölkerung zu schreiben.
DELPHI: Man betrachtet sinnend, und nur wenn man Mitglied einer amerikanischen Reisegesellschaft ist (was Gott für dieses und alle kommenden Leben verhüten möchte), laut quatschend, die Stelle, an der die Pythia auf dem Felsenspalte saß und, durch ausströmende Erdgase in einen Zustand eigentümlicher Weise versetzt, wahrsagte.
Siehe auch:
DELPHI
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KLÖSTER: Die Mönche sind gastfreundlich, aber es empfiehlt sich für Damen nicht, in den griechischen Klosterunterkünften zu übernachten. Es sei ausdrücklich noch einmal davor gewarnt.
Siehe (beispielsweise) auch:
METEORA
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Und abschließend der gute Rat: “Man darf seinen Humor in Griechenland nie verlieren.”
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Och nee, Moment, noch was über die Stadt Theben: “Theben ist nicht mal eine Autopanne mehr wert.”
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Und da steht auch noch was über Frauen und Kemal Atatürks Schleier-Verbot: “Es ist nicht immer vorteilhaft, von Dingen und Menschen den Schleier zu entfernen” … aber, Herr Endres …
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