Tilos, ohne Abschiedstränen

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Livadia
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Livadia, nach Mitternacht, über allen Masten ist Ruh …
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Die Ägäis in der zweiten Septemberhälfte. Wenn es auf den kleinen Inseln Bürgersteige gäbe, würden man jetzt anfangen, die hochzuklappen. Auf Astypalaia wurde schon am 18. September aus dem Nichts heraus der Busverkehr eingestellt, der Bürgermeister wollte keinen Sprit mehr verschwenden für die letzten drei Touristen, verkündigte der Busfahrer. Da drüben wäre das Rathaus, da sollten wir uns beschweren …! Im letzten September waren im Norden von Chios die Touristen auch an den Fingern einer Hand abzuzählen.
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Stavros
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Tilos, die Küstenlinie bei Stavros
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Tilos jedoch …!? In diesem Jahr lag die inseleigene Fähre von Tilos den Sommer lang im Hafen. Technische Probleme. Es sah zunächst so aus, als müßte man zwangsläufig spätabends mit der Rhodos-Piräus-Fähre hier eintreffen. Da sah man sich besser rechtzeitig im Internet nach einem Zimmer um. Annas Studios haben ein guten Blick auf Hafen und Bucht. Aber … genau der September sei die „Hochsaison“, steht auf deren Website!
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“sorry, the sempeber is the middle season and not the high The price per night for one person is 40 euros (single)” antwortet Michalis Panidis auf meine Mail-Anfrage. Trotzdem, in Astypalaia kosten die (mindestens gleich guten, nein, erfahrungsgemäß echt besseren) Studios in der Zeit nur 30 …
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Mikro Horio Oelpresse
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Mikro Horio, alte Olivenpresse
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Freunde erkundigen sich bei Annas nach einem Doppelzimmer … 45 … erst ab 2 bis 3 Wochen Aufenthalt (ha!) gäbe es einen Rabatt. Und die Konkurrenz macht es auch nicht billiger. Ich finde eine Adresse für „rooms“ mitten im Ort (blöd), die gute Gäste-Kritiken hat, 25 Euro – aber das Haus hat längst zu, sehe ich später selbst.
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Ich buche nichts im voraus. Allerdings komme ich nach einer ohne Schlaf durchgemachten Nacht am Hafen an und lande doch bei Annas zum 40-Euro-Tarif, wo auch Katharina und Hedi immer noch sind, die tatsächlich spätabends von Rhodos aus eintrafen. (Aber sie wollen schleunigst weg, übermorgen schon …)
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Megalo Horio Kastro
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Megalo Horio, Kastro
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Bei Annas kriege ich (alleinreisend) das größte Zimmer des Hauses. Warum? Der Rest des Hauses ist ausgebucht. Unglaublich. Allerdings kann das Studio nicht den Vergleich aushalten zu meinem Studio auf Astypalaia, was Stil, Geschmack, Qualität, Nutzen, Zubehör, Aussicht angeht. Im Archontiko auf Astypalaia hatte ich auch das beste Zimmer, für 30 Euro, und ich wurde umsonst vom Flughafen abgeholt, und am Ende mitten in der Nacht umsonst zum Fährhafen gefahren. Bei Annas ist es billig, unpraktisch und euro-trash-mäßig möbliert, der Balkon steht voll mit billigen weißvergilbten Plastikmöbeln und uniform-doofen Yuccapalmen und seine Balustrade ist so hoch zugemauert, daß man nur im Stehen aufs Meer runterschauen kann. Oder durch Schlitze zwischen schlampig gesetzten, blaulasierten Beton-Stempeln hindurch. Einen Aufenthalt wie den hier gewinnt man sonst bei Kaffeefahrt-Veranstaltern …
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Am Ende zum Hafen? Ha ha, kein Gedanke, erstmal jemanden finden, wo man das Zimmer bezahlen kann! Geht dann im Wäschekeller, bei einer Frau, die ich noch nie gesehen habe, nach Telefonat mit der Bäckerei, wo sich der Inhaber gewöhnlich aufhält, bar und ohne Steuer-Quittung, klar.
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Megalo Horio Kastro
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Megalo Horio, Kastro, Zimmer mit Aussicht
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Nicht alle Läden sind so rammelvoll wie Annas, und viele der Gäste, die abends die Tavernen an der Promenade von Livadia füllen, kommen auch vom Schiff, mit dem Schlauchboot. Die Reede von Livadia hat sich zu einem populären Liegeplatz für Yachten entwickelt. Jeden Abend zähle ich mehr als zwei Dutzend davon. Kaum Deutsche. Franzosen, Russen, Briten, hauptsächlich Skandinavier. Skandinavier, die wenig trinken, hohe Preise für Alkohol gewöhnt sind, und abends früh Hunger haben. An einem ordinären Montag haben wir abends um acht nicht die geringste Chance, zu fünft noch irgendwo einen Tisch zu kriegen! Wo noch keiner sitzt, steht ein „Reserviert“ Schild. Und wenn man fragt, ja ja, das ist ernst gemeint, da wird wirklich jemand erwartet. Die Leute buchen allen Ernstes abends für den nächsten Tag!
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Und man sollte nicht meinen, daß man „mit den Griechen“ essen könnte, also spät abends. Wenn hinter den Skandinaviern abgeräumt wird, ist in den Tavernen Feierabend. Meinen Sie nicht, daß Ihnen abends um zehn noch einer freiwillig ein Menu in die Hand drückt! Denn  hier essen ja sowieso keine Griechen. Hier gibt es nur Touristen.
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Mikro Horio Friedhof
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Mikro Horio. Findet man Einheimische nur hier?
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Dabei … es muß hier doch ein paar Einheimische geben! Solche, die einem Beruf nachgehen, der nicht unmittelbar mit Dienstleistungen im Touristik-Gewerbe zusammenhängt. 270 Personen sind hier doch gemeldet! Sie haben jedenfalls gerade die Strandpromenade von Livadia nach ihrem gerade verstorbenen Bürgermeister, Anastasios Aliferis benannt. Der soll für die Insel so einiges erreicht haben, und eine Nase für public relations hatte er auch. Gleichgeschlechtliche Trauungen hatte er im Jahr 2008 im Standesamt der Insel durchgeführt, denn im griechischen Ehegesetz von 1982 stand schließlich, daß die Ehe „zwischen zwei Menschen“ und nicht „zwischen Mann und Frau“ vollzogen werden sollte …! Eine juristische Pionierleistung in einem Staat, den die erzkonservative orthodoxe Kirche immer noch stark beeinflußt, die von Athen aus aber auch prompt wieder verboten wurde.
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Von der Moral zurück zum Magen: Was die Qualität des Essens auf Tilos angeht …? Durchwachsen. Einmal kamen wir ja tatsächlich in eine gute Taverne hinein, ins „Armenon“, das für mich immer „Armageddon“ hieß, das Essen war ausgezeichnet, obwohl der Wirt nicht durch Freundlichkeit auffiel. Dann gibt es Plätze wie das „Omonia“, das als „traditionell und authentisch“ bezeichnet wird. (Das “Omonia” steht heute unglaublicherweise bei tripadvisor auf Platz 1 in den Gästebewertungen! Das sagt einiges über das Publikum auf der Insel.)
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Mikro Horio Soteras
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Mikro Horio, Fresko in der Soteras-Kapelle: Abendmahl. Die Gesichter der Essenstester wurden zur Sicherheit anonymisiert …
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Ja, die Tester meinen „authentisch“ positiv. Was an Melitsanasalata, das zu 90% aus Mayonnaise besteht, und an aufgewärmten Dosengemüse-Beilagen, die es zu allem und jedem gibt, positiv sein soll, ist mir schleierhaft. Loukaniko (Grillwürstchen), als Vorspeise bestellt ..? Da kommt der Kellner ungefragt mit zwei halbmeterlangen Plastikflaschen mit Senf und Ketchup, dafür aber ohne die zugehörige Zitrone. Dazu Dosengemüse (Erbsen, Möhren, Mais, grüne Bohnen), kalter gelber Reis und seit fünf Tagen warm gehaltene Salzkartoffeln in Öl. Ja, ich glaube schon, es waren Kartoffeln. Omonia? Ein echtes Trauerspiel. Das Brot in den Tavernen war auf der Insel nur gut, wenn es scheibenweise mit Knoblauch und Käse gebacken wurde (im „Armenon“), dann kostete es aber auch 2,30 extra.
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Getränke- und Essenspreise? Immer etwa 1 bis 1,50 Euro auf den griechischen Durchschnitt drauf, dann passt es.
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In Megalo Horio sind schon zehn Gäste für die beiden voll verschlafenen Frauen vom „Kastro“ zu viel. Da kriegen die Gäste an einem Tisch zwar die Speisekarte, aber dann nichts mehr, auch keine Getränke, keine Wasserkaraffe. Nach 20 Minuten gehen sie.
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Der Rest hat mehr Geduld. Diesmal kriege ich gleich 13 (!) Kichererbsenbällchen, normal sind höchstens 6 in einer Portion. Die Dänen am Nebentisch wollen wissen, was das ist auf meinem Teller, wollen es aber lieber nicht probieren. Schade, wäre ich vier Stück losgeworden. Ich bezahle an der Theke (sonst säße ich jetzt noch da). Die Kellnerin schafft weder, meinen Verzehr korrekt zusammenzurechnen, noch mir das korrekte Wechselgeld herauszugeben. Minus gegen plus gewinne ich ungefähr 2,50 Euro. Ich stecke den Gewinn ein und frage nach dem Bus. Die Antwort ist diesmal richtig …
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Wenigstens für die Russen lohnt es, zu springen. Wenn eine russische Yacht-Besatzung im Café am Hafen sitzt und zum fünfzehnten Mal der Befehl Richtung Kellner dröhnt: „Hällo wann Pivo !!“, staunt man, wie der plötzlich rennen kann, geeistes пиво-Glas rechts, Heineken-Flasche links. Aber die Russen verlassen Livadia nicht. Scheiß auf die Ruinen, die toten Elefanten, die Höhlen und die Kirchen. Und die Disko in Mikro Horio ist ja auch zu. Das Museum mit den Elefantenknochen allerdings auch.
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Mikro Horio Disko
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Mikro Horio Disko
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Mikro Horio, Insel-Nachtleben, ja ja, “My life in ruins” …
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Aber es sind durchaus noch Leute auf der Insel unterwegs. Der Bus in den Inselnorden ist immer gut gefüllt. Die meisten wollen jedoch zum Strand nach Eristos. Zum Glück sind nicht allzuviele zu Fuß unterwegs. Das würde der Insel, die als ganzes ab 2013 Naturschutzgebiet ist, ja auch nicht nützen. Oder sie verbergen sich gut im Terrain, um mal die Chance zu haben, einen Bonelli-Adler (Habichtsadler) zu sehen oder einen Eleonora-Falken, der gerade im Begriff ist, für seine spätsommerliche Brut Zugvögel niederzumachen. (Was die Griechen hier nicht dürfen, aber die können ja nach Chios ausweichen, da hat die Jagdzeit schon angefangen.)
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Mikro Horio Soteras Kapelle
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Mikro Horio, Soteras-Kapelle von 1430
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In Mikro Horio, dem seit fünfzig Jahren leerstehenden Ruinendorf, sind sogar mehr Besucher, als ich gedacht hätte. Sogar griechische Mütter, händchenhaltend mit Vorschulkindern, mit Erziehungsauftrag. Auf diese Weise erfahre auch ich, wo denn der Schlüssel für die Soteras-Kapelle (von 1430) versteckt ist. Die Gesichter der Kinder, die die Gassen entlanggezerrt werden, sind so lang wie bei manchen erwachsenen Touristen woanders auch …
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Megalo Horio Akropolis
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Megalo Horio, Akropolis mit Kastro
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Die (fast) absolute Ruhe gibt es auch. Auf der Akropolis von Megalo Horio. Wo jetzt die Herbstzeitlosen in den Trümmern blühen. Nur Vogelstimmen. Es geht nur einen Kilometer bergauf, aber die Strecke hat es echt in sich an einem windlos-sonnigen Tag. Den „Weg“ kann man am Ende nur ahnen, weil er mit Lampen markiert ist, deren Gehäuse in Knöchelhöhe an die Felsen geschraubt sind. Angeblich wird abends das Licht auf der Strecke angemacht. Warum das? Wohl, damit man in der Dunkelheit keinen mit dem Hubschrauber von oben retten muß, der nachmittags in der Sonne auf der Burghöhe still und gemütlich eingeschlafen ist … 🙂 …
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Megalo Horio Akropolis
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Megalo Horio, Aufstieg zum Kastro
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Megalo Horio Herbstzeitlose
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Megalo Horio, Herbstzeitlose in den Resten der Johanniter-Festung
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Donnerstag, elf Uhr, Abschied. Die Fähre nach Kos, die Dodekanissos Express. Sie bringt drei Dutzend Tagesausflügler aus Rhodos auf die Insel. Ich werfe keinen traurigen Blick zurück. Über Kos möchte ich hier auch nichts sagen. Aber in Kos sind die Tavernen bei weitem nicht so voll. Ich höre nur noch Holländisch. Na, da gehe ich mittags lieber gleich zum „Chinesen“, und esse indo(chi)nesisch! Der asiatische Reinschmeißer versteht weniger Griechisch als ich, die Chefin ist aus Thailand, und sie liebt Freiburg, wie sie sagt, und sie würde mir auch ein Moussaka machen …
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Plateia Diagora. Direkt neben mir der Stumpf eines alten Minaretts. Das Essen ist gut. Beim nächsten Mal vielleicht weniger Röstzwiebeln und mehr Erdnußbutter in mein Satay bitte …
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WEITER MIT:  TILOS – DIE PARADIES-TOUR
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10 comments

  1. Du triffst mich gerade bei der Suche bei GTP … also wenn ich keine Gegendarstellung zu deinem Tilos-Bericht schreiben muß, dann bin ich mit Tilos fertig … 🙂 … sonst kann noch was kommen!
    Theo


  2. Das “Omonia” steht heute unglaublicherweise bei tripadvisor auf Platz 1 in den Gästebewertungen! Das sagt einiges über das Publikum auf der Insel.

    Ein sehr bemerkenswerter Satz, Theo.
    Dieser Text sagt mir auch einiges über Dich. Du hast bedauerlicherweise in den paar Tagen/Stunden deines Aufenthalts gehäuft schlechte Erlebnisse gehabt. Schade. Kannst du diese wirklich generalisieren? Du kennst Tilos nicht.

    Na’se kala
    Klaus

  3. Hallo Klaus, zu dem Text stehe ich auch weiterhin. Nebenbei, ich finde auf vielen Plätzen (gerade Inseln) Leute, die kennen nur diese eine Insel, auch durch wiederholten Besuch, aber nicht den Rest von Griechenland. (Und nur solche könnten auf die Idee kommen, ausgerechnet das Omonia so positiv zu beurteilen.)

    Daß Ortsbesuche auch Glücksache (oder Pechsache) sind, da gebe ich dir recht. Mir ist es durchaus schon passiert, daß ich einen Ort beim ersten Mal ganz euphorisch angesehen habe, und beim Zurückkommen sah es plötzlich eher mies aus (oder umgekehrt).

    Manchmal liegt das auch an der Begleitung bzw. an anderen Personen, die man am Ort trifft. Gerade hier auf Tilos hatte ich ja einfließen lassen, daß um mich herum die Laune generell nicht besonders war, weder bei uns, den (zahlenden) Gästen, noch bei den (kassierenden) Griechen.

    Allerdings, im Frühjahr ist die Laune der Gastgeber immer besser als im Herbst (das sag ich nach mehr als 25 Jahren, in denen ich gewöhnlich im Frühjahr und im Herbst in Griechenland bin). Ende September sind manche Griechen ihre Sommergäste auch herzlich leid. Manchmal haben sie auch gute Gründe dafür … 🙂 …!

    Aber das muß nicht sein. Ich kam ja gerade von Astypalaia, da waren die Stimmung und die Begleitumstände durchaus anders als auf Tilos.
    Theo
    Dabei, nichts gegen die Insel selbst – siehe “Die Paradies-Tour”.

  4. Vielen Dank, Theo, für deine ausführliche Antwort.
    Mein durch vergnügliches Lesen deiner Berichte gewachsener Eindruck bestätigt sich, du könntest an einem sachlich kritischen Austausch interessiert sein.

    Weitgehende Übereinstimmung. Auch ich treffe neben den Leuten, die nur eine Insel kennen auch jene, die Inseln und Orte sammeln (Btw.: glaubst Du, dass überhaupt jemand den “Rest von Griechenland” kennen kann?)
    Aber gerade weil Schnappschuss-Besuche Glücksache sind: Ich kann mir gut vorstellen, dass man im Omonia Pech hat. Ich habe aber dort überwiegend hervorragend gegessen. Leider zweifelst Du wieder die Kompetenz derer an, die hier erfahrungsgestützt eine positive Bewertung abgeben.
    Natürlich ist mir geläufig, wie die Stimmung der Parea die eigene Wahrnehmung beeinflusst. Aber erlaube bitte den Hinweis, dass ich zögern würde die negativ subjektive Perspektive schriftlich derart zu vertiefen, wie Du bei der Beschreibung des Omonia-Essens (auch noch “ohne zugehörige Zitrone”) und des Anna-Balkons “voll mit billigen weißvergilbten Plastikmöbeln und uniform-doofen Yuccapalmen und seine Balustrade ist so hoch zugemauert, daß man nur im Stehen aufs Meer runterschauen kann. Oder durch Schlitze zwischen schlampig gesetzten, blaulasierten Beton-Stempeln hindurch”. Im Kontrast dazu macht mich sogar dein Foto sehnsüchtig.

    Deine reflektierten und wohlformulierten Texte, die sich wohltuend vom Twitter- und Facebook-Junk abheben, gefallen mir sehr. Nur die benannten (wie ich finde) Schwachstellen dieses Tilos-Berichts haben mich zu meinem Kommentar veranlasst. Natürlich bin ich Partei. Hat doch meine Griechenlandsehnsucht auf Tilos seinerzeit ihre ersten Wurzeln geschlagen. Dennoch liegt mein letzter Besuch einige Jahre zurück. Das lässt mich über meinen Kommentar-Reflex neu Nachdenken.

    Noch einmal vielen Dank für den Diskurs.
    Na`se kala
    Klaus

  5. Hallo Klaus,
    Ja, „Rest von Griechenland“ ist so ein Gemeinplatz … ist so wenig zu fassen wie „die Seele“ eines Landes. Ich komme jedenfalls von jeder Reise nach Griechenland mit mehr Fragen als Antworten zurück, und dann muß ich prompt wieder hin.

    Und … Empfehlungen, besonders an unbekannte Dritte … man entwickelt ja eine gewisse Beziehung zu bestimmten Orten, schafft Freundschaften, gibt und zieht Privilegien daraus. Die keiner der Leser einer Reisebeschreibung später nachvollziehen kann. Ich habe so auch woanders einige Plätze ganz subjektiv ganz positiv beschrieben, die andere Leute am Ende vielleicht enttäuschen, weil sie mit einer verschobenen oder prinzipiell anderen Perspektive kommen (besonders solche Leser, die nicht zwischen den Zeilen lesen). Aber ich schreibe ja auch ausdrücklich keinen „Reiseführer“ mit einem Anspruch von „Objektivität“. (Objektivität ist bei Reiseführern ohnehin ein unerreichbares Ziel.)

    Ich habe früher mal für einen US-amerikanischen Reiseführer-Verlag geschrieben … die haben ihre Autoren in bestimmten Fristen (oft jedes Jahr!) prinzipiell ausgewechselt, weil keiner der Autoren eine zu enge und zu persönliche Bindung zu einem gewissen Ort/Land entwickeln sollte. Und man kriegte von der Redaktion ein bestimmtes Fragen-Raster vorgegeben. Man mußte Antworten für die Bedürfnisse möglichst „aller“ Reisenden, „aller“ Zielgruppen finden. (Also nicht NUR oder schwerpunktmäßig nur für Familien, Rucksackreisende, Behinderte, Golfspieler, Studenten usw. schreiben.) Das klingt gut, war aber eher dumm, denn so blieben die vermittelten Informationen oft ziemlich oberflächlich.

    Unten ein Beitrag von Werner Flohr im Gästebuch von tilos-greece (15.04.2012). Lohnt sich zu lesen. Da handelt es sich offenbar um einen Tilos-Dauergast, der seit Mitte der 90er Jahre dort hinfährt. Endet mit diesem Satz: „Ich bin so wütend, weil ich die Insel so sehr liebe, aber ich habe inzwischen die Hoffnung aufgegeben ,dass sich irgendwann mal etwas zum Besseren wendet – dazu müsste man die Mentalität der Tiloten ändern – aber wie bloß? Irgendwann werde ich sicher wieder einmal hin fahren, aber der Zauber ist weg“:

    http://www.tilos-greece.com/index.php?option=com_sefbook&Itemid=130

    Theo

  6. Hallo Klaus, mir ging es ja ähnlich wie dir mit Tilos: ich hatte nur positive Erlebnisse beim Erstbesuch. Da hat man natürlich hohe Erwartungen, die beim Wiederbesuch sowieso nicht erfüllt werden können. (Wobei: der Wiederbesuch von Sikinos vor einem Jahr ist rundum positiv ausgefallen. Es geht also schon).

    Aber speziell Tilos hat sich in den letzten Jahren sehr entwickelt und verändert.
    Vielleicht solltest du Tilos mal wieder besuchen?
    Oder doch lieber das positive Bild der Vergangenheit bewahren und fern bleiben?
    Ich kenne Leute, die deshalb nicht wieder an die Orte ihrer frühen Griechnelandsehnsucht reisen.

  7. Klar, Katharina, ähnliche Erfahrungen habe ich auch gemacht.
    Dass Orte sich (notwendigerweise) verändern und/oder ebenso mein Blick darauf, wäre mir keine weitere Erwähnung wert gewesen.
    Nur vergleiche ich im Fall Tilos nicht mit meiner verblassten Erinnerung, sondern mit aktuellen Erzählungen von Bewohnern und regelmäßigen Besuchern, mit denen ich noch immer in engen Kontakt stehe. Sehr gute Freunde von mir waren zeitgleich mit Euch dort (aber eben mehrere Wochen) und vermitteln mir einen tendenziell völlig anderen Eindruck der Atmosphäre, der Menschen und z.B. der Essens- und Quartiersituation.
    Diese Diskrepanz – darum ging es mir in meinem Kommentar – zeigt mir einmal mehr wie sehr die in wenigen Tagen verdichteten
    Erlebnisse eben auch statistische Ausreisser sein können, die ortsfremde Leser irreführen.
    Wie oft ist es mir (änlich wie Theo schreibt) passiert, dass jemand, dem ich Empfehlungen zu Inseln/Orten/Unterkünften/Tavernen… gab, mir nachher entäuscht geradezu entrüstet zurückmeldete, ich hätte ihn falsch informiert?
    Letztlich ein Plädoyer für das nicht übertragbare authentische (und entschleunigte) Erleben.

    Viele schöne Erlebnisse wünscht
    Klaus

  8. Ja Klaus, deine aktuelle Tilos-Erfahrungen sind aber doch auch aus zweiter Hand.
    Und Leute, die (womöglich seit Jahren) immer zur selbst Zeit auf der selben Insel Urlaub machen, werden sicher “betriebsblind”. Wenn ich diese Urlauber frage warum sie dort sind, dann antworten mir alle, dass sie die Entwicklung wohl sehen, aber dort so viele Freunde und Bekannte haben (unter Touristen und Einheimischen) und deshalb trotzdem gerne hingehen. Also eigentlich mehr wegen der Vergangenheit und aus Gewohnheit. Als einmaliger Besucher fehlt einem das natürlich.

    Katharina

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