Matala. Das Spektrum der Lebensideen.

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Wie, ist mir da dieses Foto aus dem Julia Pfeiffer Burns State Park in Kalifornien
dazwischengeraten, wo die mächtige Brandung des Pazifik …
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… nee, doch nicht. Wenn man den Blick ein bißchen nach rechts schwenkt, sieht man:
Wir sind in Matala, es ist die Libysche See. Und gestern hatten wir bis zu Windstärke 9, und es gingen keine Fähren. Ist ja noch Januar …
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Zuletzt hatte ich noch erwähnt (Kapitel Lentas), daß es bereits 1986 uncool war, in Matala überhaupt gesehen zu werden. So viel anders ist es heute auch nicht. Man kommt sich in Matala im Winter vor wie in einem nordeuropäischen Freizeitpark am Buß- und Bettag:
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Aber da gibt es an der nordkretischen Küste noch andere, und viel größere „Freizeitparks“. Etwa Mália. Doch der naiv-geschäftstüchtige Blick zurück auf gewisse alternative Lebensweisen des letzten Jahrhunderts stimmt mich depressiv:
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IMG_9709_A350Aber trotzdem. Ein paar Ausflugsbusse sind auch im Januar unterwegs. Wenn man schon die minoischen Ausgrabungen im Schauinsland-Bus anfährt, soll ja auch was „heiteres“ den Tag auflockern.
14 Uhr = Tavernenbesuch im Aussteiger-Zoo …
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Und ja, ich habe auch einen gesehen, einen dieser Aussteiger von Matala! Dafür ist man ja hier.
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Positives Hippie-Indiz: Er trug eine Art US-Army-Kapuzen-Parka, olivgrün, lange Haare.
Negatives Hippie-Indiz: kein Batikhemd, keine Blumen im Haar.
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Er saß im Windschatten hinter der Kühlbox einer der geschlossenen Tavernen, und er drehte sich ein wenig Gras ins Zigarettenpapier.
Er sah mich und strahlte, so unschuldig wie friedensbewegt: „Hallo!“
Wie alt er war? Hat bestimmt erst vor drei Jahren die Studienberechtigung erreicht …
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Von den Höhlen von Matala (heute unbewohnt) taugten bei der heutigen Brandung die unterste Reihe nur noch als Duschkabinen. Aber es hält sich heute kaum jemand draußen auf.
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Da sitzt man doch besser gemütlich in der gut geheizten Taverne „Petra kai Votsala“.
So gemütlich, wie man da sitzen kann mit einer vielköpfigen Butterfahrt-Versammlung an den Tischen hinter einem. Unten schlägt die Brandung auf den Strand, die Wellen erreichen sogar das Fundament der ersten Häuserreihe:
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Und Festos und Górtyn standen nicht nur auf unserer Agenda.
„If you’re going to San Francisco,
be sure to wear some flowers in your hair …“
Was habe ich diesen dahingeleierten Song (Scott McKenzie) damals gehasst!
Nach Górtyn muß man keine Blumen mitbringen. In den Ruinen des römischen Odeons blühen die Rosen sogar im Januar:
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Und oben links im Bild sieht man den gemauerten Schutzbau für die wieder zusammengefügten Gesetzestafeln der alten Stadt. Górtyn (Górtis) hat sich ja erst nach der minoischen Zeit etabliert.
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In griechischen Buchstaben, die Textzeilen immer abwechselnd von links nach rechts und von rechts nach links, wurde vor 2500 Jahren öffentlich festgehalten, was man hier nach dem Gesetz im Ort tun sollte oder nicht tun sollte. Der  20 Quadratmeter große Gesetzeskatalog regelte u.a. die Folgen von „Scheidung, Ehebruch, Vergewaltigung, Erbrecht, Beleidigung usw.“ (Fohrer)
Die Flower-Power-Bewegung hätte über solche Gesetzestafeln müde gegähnt. „Waren das Spießer, diese Dorer!“
Und die pragmatischen Römer bauten die Gesetzestextblöcke später Stück für Stück in den Rundgang ihres Odeons ein.
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Gegähnt habe ich auch auf dem „attraktiven“ Samstagsmarkt in Mires (Gemüse, Gemüse, Gemüse, billige Klamotten auf Wühltischen, Gemüse). Vor dem Café, wo ich in der Mittagssonne saß, wurde vom rußigen Tischgrill Souflaki verkauft. Atemberaubend, in welchem Tempo die Leute diese Fleischspieße abfressen können …
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Auf kurzem Weg kann man auf dieser Insel so viele Lebensideen sehen. Da sind die Individualisten, wie dieser dekofetischistische Designer/Künstler von Koúmos bei Kalyves. Jemand, der alles, aber auch alles – von Hand- bis Hausgröße – mit Glasscherben, Kieselsteinen, Spiegeln und Sperrmüllfragmenten beklebt.
War wohl mal bei Niki de Saint Phalle (Giardino dei Tarocchi) in einem Praktikum … ja OK, manches ist da ganz witzig. Dank an U., unsere “tour-guide” aus Kalyves … 🙂 …:
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Und vom gar nicht so weltvergessenen religiösen Kollektivismus zeugt so manches Kloster am Wegesrand. Hier Moni Vrondisi, am Berghang zwischen Vorizia und Zaros:
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Aber an den Olivenbäumen Kretas kann man sich einfach nicht sattsehen. Keiner ist wie der andere. Alle haben den gleichen Zweck.
Wie viele mögen es sein? Würde man das Netzwerk der uralten Baumwurzeln trennen, fiele wahrscheinlich die ganze Insel auseinander. Das wäre ja auch schade … 🙂 …:
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