Astypalaia 2022: Das Oi Myloi 2.0

Foto: Gerhard Luckner/Cornelia Theelen

Vielleicht sollten Sie das zuerst lesen:
> Astypalaia, Che Guevara Bar

Sicher sollte man ein Lokal nicht sein „Lieblingslokal oder Stammlokal auf der Insel“ nennen, wenn man nur alle paar Jahre dort auftaucht. Trotzdem … 🙂
Ja, meins ist auf Astypalaia das Oi Myloi (das Mühlencafé), bzw. die Che Guevara Bar (Name von mir erfunden). Doch nichts ist ewig. Zu mir war das Gerücht schon durchgedrungen …
Und am 11.06.2021 schrieb mir dazu Gerhard aus Astypalaia:

„Ja, das Kafenion ist tatsächlich tot. Die Pacht ist nicht verlängert worden und der Besitzer baut es jetzt selbst um. Er ist Architekt und alle sagen, dass er es wie vorher machen will. Aber Du weißt ja, das kann nicht so werden. Die Bilder und die Patina haben zusammen mit den Menschen den besonderen Flair dieses Kafenions ausgemacht.“

Ich hatte Gerhard gebeten, den Umbau für mich zu dokumentieren. Wenigstens ansatzweise. Am 13.07.2021 schrieb er:

„Der neue Besitzer des Kafenions versucht so viel wie möglich „original“ wieder herzustellen, verwendet beim Anstrich die alten Farben, hat auch die alten Fenster und Türen wieder eingebaut. Allerdings auch einen Speiseaufzug zum Keller. Was er natürlich nicht hat, ist die alte Ausstattung. Jetzt fragt er gerade, wer denn alte Fotos vom Kafenion hat. Ich werde ihm ein paar aus den 70er/80er Jahren geben. Sein Großvater war der alte Doktor.“

Gerhards Beweisfotos hatten bisher keine Folgen. Gerhard zeigt mir jedoch, was nach Baubeginn vom alten Café übrigblieb. Vom späteren Fortschritt der Arbeiten ist noch nicht viel zu sehen. Hier das Innere des Lokals, mitten im Umbauprozeß:

Foto: Gerhard Luckner

Alles ist weggeräumt, die Fenster, Türen, die Theke, die Kochnische, die Deko, die sanitären Einrichtungen. Kein Strom, kein Wasser. Was geht, muß wieder her. Wo es geht, das Original, entsprechend aufbereitet. Rechts die türlose Öffnung zur Terrasse mit dem Ausblick über die Hafenbucht und den Inselsüden.
Und so sah es früher aus … hier die rechte hintere Ecke:


Fast das ganze Lokal, vom Eingang aus gesehen:

Foto: Konrad Langer
Foto, incl. Verpixelung: Google Earth. Kein türkischer Militärstratege würde jetzt noch ahnen, daß sich hier ein griechischer Flughafen befindet!

Am 03.05.2022 lädt mich SkyExpress auf dem überaus geheimen Flughafen der Insel aus. 🙂
Das überaus reichliche Mittagsmahl wurde unterwegs wieder serviert, wie gewohnt. Hier ist es, eine Spezialität aus Kreta:


Klar, nach einem so reichhaltigen Mahl renne ich ja nicht als erstes in ein Kafeneion, auf einen Verdauungsschnaps!
Erst spät am nächsten Abend sitze ich zum ersten Mal auf einem Stuhl im Oi Myloi, mit einem großzügig eingeschenkten Glas Ouzo (2 Euro) vor mir. Es ist der vorletzte freie Platz. Den letzten Platz neben mir nimmt ein junger Mann ein, noch in Anstreicher-Arbeitsklamotten. Er bestellt eine Cola, redet sonst kein Wort mit niemandem und verschickt und erhält pausenlos Textnachrichten. Zeitenwende. Oi Myloi 2.0 …
Vor der Tür und auf der Terrasse kann man noch nicht sitzen. Es stürmt sieben Tage lang,
jeden Tag, jede Nacht, und ist saukalt. Auf der Platia hält sich niemand freiwillig auf. Wer hier etwas zu tun hat, paßt auf, daß ihn der Wind nicht wegbläst:


Gerhard hatte mir sofort mitgeteilt, nein, er und Cornelia gingen nicht mehr ins Oi Myloi. Es sei zu steril da, und es würde im Lokal ständig geraucht. An meinem ersten Abend raucht dort keiner. Die Gäste sind auffallend jung. Aber der Altersdurchschnitt verschiebt sich von Abend zu Abend. Ist der Altersdurchschnitt hoch, ist auch der Nikotinverbrauch hoch …
Mal ist es rammelvoll, mal sitzt hier um Mitternacht fast niemand mehr.

Vorbei an der Souvlaki-Station, bis zum schwachen Licht an der Ecke. Am Café teilen sich die Wege: Rechts am Rathaus vorbei ins Kastell-Viertel, links auf dem Treppenweg hinunter zum Hafen.

Wir sind in diesen winterlich kalten Frühsommertagen eine zufällig zusammengewürfelte „Reisegruppe“, Bekannte von Freunden, Freunde von Nachbarn, sieben Leute, die abends meist zusammen essen gehen. Gut essen! Mal im Ageri an der Platia, mal im Maistrali am Hafen, mittags bei Elias in Maltezana (die einzige Taverne, die jetzt außerhalb von Chora etwas zu essen anbietet).
Aber zum fälligen Absacker beim Oi Myloi muß ich ständig meine Überzeugungskraft voll einsetzen, um jemanden zum Mitkommen zu überzeugen.
Einmal klappt es sogar bei Gerhard und Cornelia. Und (fast zu ihrem Bedauern 🙂 ) sehen sie auf dem Foto aus, als wären sie immer noch glückliche Stammgäste:


Kurz  nach der Neueröffnung schickte Gerhard am 20.07.2021 noch diese Fotos:

Foto: Irma Freh
Foto: Cornelia Theelen

Es sieht fast wie früher aus, wenn nur die Wände nicht so kahl wären …! Was noch an die frühere Deko erinnert, ist die sorgfältig gereinigte Weltkarte. Der hatten die rauchenden Gäste im Verlauf vieler Jahre eine tabakbraune Patina überzogen:


Der Nostalgiker in mir hofft, daß bald das „richtige Leben“ den Laden wieder lebendiger und auch abgenutzter erscheinen läßt. Kann auch jeder Inselgast einen Beitrag leisten …

Nachtrag. Hier am Ende der alten Mühlenreihe finden sie das Kafeneion Oi  Myloi. Es gibt hier auch noch zwei andere Cafés, das Notos und das O Kouklas. Im Notos kriegen Sie ihre Flasche Bier (ja, Edelmarke) im Weinkühler serviert (albern), im Kouklas kostet das 0,2-Liter-Fläschchen Ouzo neun Euro (man gönnt sich ja sonst nix). In beiden Fällen keine nennenswerte Aussicht von der Terrasse (die ist aber windgeschützt) …


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