Kastro, ab Theologos

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“Ich unterstütze das Wandern zum Dorf, klar. Aber der Bericht über meine Taverne ist erst in TEIL 2 … hier klicken parakalo!”
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Der gepunkteten Linie folgen (Quelle: Kostas’ Taverne, Kastro)
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Es ist bereits unser zweiter Versuch. Nein nein, diesmal haben wir uns nicht verlaufen … 🙂 … aber über den Bergen von Thassos hängt in den letzten Tagen eine Art Wetterfluch. Es mag auf der Küstenstrecke noch so sonnig und warm sein, der Blick nach oben zeigt immer graue Wolkentürme, die sich um die Bergspitzen drehen. Gestern hatten die Scheibenwischer schon die ersten Regentropfen von der Windschutzscheibe gewischt, als wir von Potos nach Theologos hinauffuhren. Das hatte uns einen Kaffee in die Taverne Orizontes am Rand von Theologos eingebracht (ist der Startpunkt des Wanderweges nach Kastro). Wir wollten auf der rebenumrankten Terrasse sitzen, durchatmen und fünfzehn Minuten lang in Ruhe die graue Wolkenwand Richtung Osten weiterziehen lassen. Die Wirtin wußte es vonvornherein besser, wir sollten lieber reinkommen, nicht vor der Tür sitzen …
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Richtig, drei Minuten später schüttete es erbärmlich. Wir saßen da, unter dem sicheren Vordach, als einzige Gäste in der für Dorfverhältnisse riesigen Taverne, die Berge um uns herum verschwanden im Nebel, wie ausgewischt … nach einer Viertelstunde eilte unten ein erbärmlich durchnäßter Kastrowanderer in kurzem Hemd und Shorts an uns vorbei, Richtung Dorfmitte, ohne jeden Regenschutz. Optimisten gibt’s …! Regensachen hatten wir zwar dabei, aber freiwillig quälen muß man sich ja auch nicht mehr als nötig … wir fuhren zurück nach Kazaviti. Kazaviti hatte einen Sonnentag …
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Heute waren wir wieder da, mit einigen Bedenken. Die Wolken waren auch da. In aller Stille hinein in den Sandweg zur ehemaligen Müllkippe, bis es mit dem nur zivilisationswegtauglichen Auto nicht mehr weitergeht. Raus mit den Wandersachen. Und siehe da: Plötzlich reißt der Himmel auf! Bloß nicht hinsehen, bloß nicht davon reden, sonst gehen die blauen Flecken da oben sofort wieder weg …
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Hügelaufwärts. Breiter Sandweg, weites Tal, auf dem Höhenkamm geht rechts die erosionsangefressene Schotterstraße nach Maries ab. Wir gehen nach links, abwärts. Am Horizont vor uns der Felsturm von Kastro. Das sieht so nah aus! (4,7 km ist die einfache Strecke von Theologos nach Kastro, sagen Antje und Gunther Schwab bei Michael Müller.)
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Aber bald ist für uns Schluß mit dem breiten Weg. Jetzt leiten uns rote Markierungen und Felsmännchen geradewegs durchs Unterholz den Hügel hinab, durchs holprige Flußtal hindurch, und auf der anderen Seite wieder hinauf:
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Das steinige, mit riesigen Platanen bestandene Flußtal ist ausgetrocknet, den Weg zu den berühmten Wasserfällen sparen wir uns … vielleicht sind die in der zweiten Maihälfte auch schon trocken? Hinter dem Fluß suchen wir den Hinweis (Roos Gruwel), den Stein mit den Wort Agapi, Liebe, Love. Das ist der Startpunkt zum Aufstieg.
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Zunächst kommt man, den Steinhäufchen folgend, auf einen sanften Sockel, durchquert einen verschlafenen biblischen Olivengarten:
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Manche der Bäume sind inzwischen abgestorben. Die Stammreste sind samt ihren runden Steineinfassungen von einer Art kleinblättrigem Ilex überwachsen. (Fragen Sie mich nicht danach, ich bin kein Botaniker!) Die bizarr ausgebreiteten Formen sehen jedenfalls aus wie vom Landschaftsgärtner gestaltet! Der stachelige Ilex überwuchert kissenartig auch den gesamten Kastroberg, und läßt für den vier- oder zweibeinigen Fußgänger nur eine Art Labyrinth aus schmalen Durchstiegen frei … oder machmal auch nicht (tragen Sie besser keine Shorts).
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Irgendwann erreicht man einen vernachlässigten schmalen Fußweg, der nach rechts oben führt, und diesen Fels mit der schönen Aufschrift:”FALAO THA TELEFON LAIN KASTRO“, was “Follow the telephone line to Kastro” heißen soll und – leider – eine Irreführung ist (an die wir geglaubt haben).
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Denn knapp hundert Meter hinter diesem Stein wird der Weg mit der roten Markierung über gute Ziegenpfade weitergeführt! Der sogenannte Weg unterhalb der Elektroleitung geht nämlich einfach quer durch Steinwand und struppiges Gebüsch, ist ohne Wanderstöcke praktisch nicht machbar:
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Der “korrekte” Weg ist vielleicht 500 Schritte länger, aber im Verhältnis dazu geradezu bequem. Man erreicht ihn auch irgendwann querfeldein, wo ihn die Telefon-Leitung kreuzt, und verflucht nach der unnötigen Quälerei den ungebetenen Helfer, der mit seinem putzigen Englisch den Stein bemalt hat:
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Je näher man dem Kastrogipfel (650 m Höhe) kommt, desto mehr geht es jedoch wieder ans Steigen, diesmal jedoch mit Markierungen:
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Und knapp unterhalb des Dorfes könnte ein falscher Schritt schon dazu führen, daß man wie eine Skarabäuskugel abgeht ins Tal. Hier fehlt das Gebüsch, das einen halten könnte:
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Unterhalb der ersten Häuser, bzw. Ruinen des Dorfes wird die Schrittsicherheit ein letztes Mal getestet … alles lose, unberechenbare Steine, durch die man hindurchsteigt. Nicht in einer Kette hochsteigen, sondern einzeln. Wenn dann einer ausrutscht und abstürzt, nimmt er wenigstens keinen aus Versehen mit …
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Ja, und irgendwann steigt man durch die noch stehenden Ruinen nahe dem Felsturm von Kastro. Das Dorf liegt nördlich auf dem Felsrücken, links von uns, noch etwas entfernt. Unwillkürlich guckt man tatsächlich zuerst nach rechts. Da stehen hinter der Mauer zwei “ganze” Häuser … eine Kapelle und das Beinhaus des Friedhofs:
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Das Zentrum des Dorfes, wo Kostas’ Taverne neben der Kirche auf uns wartet, liegt noch über hundert Meter von uns entfernt. Hier finden wir gleich tatsächlich vier weitere Kastro-Besucher! Übrigens: Wir haben auf dem Wanderweg seit Theologos – weder hin noch zurück – niemanden getroffen. Vier Stunden fast vollkommene Zivilisationsabwesenheit, nur der Wind in den Bäumen, Bienensummen, Vögelstimmen und die Glocken der Ziegenherden …
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One comment

  1. Was das unberechenbare Wetter in den Bergen angeht – noch ein Ergänzung zu meinem Text von Franz von Löher, der 1876 über seinen Besuch in Theologos schreibt:
    „Es paßt dazu (…) im Winter der Schnee, der in Theologos öfter ein paar Fuß hoch fällt. Es sei vorgekommen, so erzählte man, daß sie starken Schneefalls wegen aus den Fenstern springen müssen, um mit Wurfschaufeln die Hausthür frei zu machen, die vom Schnee verschüttet worden.“
    („Griechische Küstenfahrten“, Velhagen & Klasing)

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