14 Vizitsa, chez Matoula

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Frühling an der Kirche in Pinakates

Mai 2007. Nach fünf Jahren zum ersten Mal wieder in Vizitsa. Zufall. Ich bin aus Thessaloniki gekommen. Der erste Bus Richtung Pilion an der Busstation in Volos soll den Zielort bestimmen. Visitza kommt zuerst. OK. Zagora wäre auch gegangen. Aber auf Zagora hätte ich 90 Minuten länger warten müssen. Die letzten Fahrgäste verlassen den Bus in Milies, drei Kilometer vor Vizitsa. Es ist Freitagnachmittag … wo sind die Einwohner, wo die Schulkinder, wo sind die Touristen?
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Vizitsa, an der Platia
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Stella, die im Stoikos-Hotel den Laden führt, überlegt theatralisch-zögernd, ob sie mich überhaupt unterbringen kann. Dann kann ich mir das beste Zimmer frei auswählen. (Sie hat nur morgen Gäste, und die füllen das Haus nicht annähernd!) Stella nimmt auch nur “cash” und sie bringt mir später ein paar Stunden (Wartezeit auf den Bus) am Golf in Kala Nera ein, wo der nächste Geldautomat ist … oh ja, Tanken und Bargeld, das war schon immer ein Problem im Pilion ...
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Samstag, das griechische Pokalendspiel. Aufregung im Nachbarzimmer. Außenseiter Larissa gewinnt 2:1 gegen Panathinaikos, das Siegtor ein grandioser Alleingang …
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Alle drei Tavernen an der Platia von Vizitsa sind frisch gestrichen und renoviert. Freitagnachmittag um 14 Uhr bin ich jedoch dort der einzige Gast. Die Tür der früheren Taverne von Apostolis ist offen. Ich jage der Wirtin, die am Küchentisch über der Zeitung träumt, glatt einen Schrecken ein: Ob ich noch was zu Essen haben kann?
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Vizitsa ist einsam geworden (außerhalb der Saisontage). Hier wohnt kaum noch einer ständig. Wo sind die alten Männer, die ihr Leben lang immer im Kramladen herumsaßen, wo es das einzige öffentliche Telefon gab? Ach, diese Diskussionen mit dem kurzsichtigen Alten, dem der Laden gehörte, weil er den Zähler nicht mehr ablesen konnte … da wurde dann kollektiv im Ältestenrat abgestimmt, sind das nun 103 Einheiten (unsere Meinung) oder 183 (seine Meinung) …
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Alle sind weg, oder auf dem Friedhof, erkärt Matoula, die Wirtin. Sie ist auch nicht von hier, sie ist einer Laune ihres Mannes gefolgt, der aus der Stadt hier rauf wollte. Ab und zu kommt mal jemand her, spielt mit Matoulas Mann Tavli oder Karten. Aber Matoula langweilt sich. Nur Samstagabend und Sonntagmittag ist hier was los. Ihre hübsche Tochter ist groß genug, um ihr zu helfen, aber wenn gar keiner kommt, braucht sie die auch nicht …
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Drüben, die Ouzeri Drosia heißt jetzt Archontiko, aber die Anna macht nur am Wochenende auf. Die Familie von Apostolis hat jetzt das Restaurant neben dem Stoikos, aber die öffnen im Frühjahr nur für angemeldete Gesellschaften.
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Blick über die Platia von Vizitsa auf das “Archontiko”
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In Pinakates gibt’s jetzt eine Taverne, die Drosia heißt, am nördlichen Ortsende. Die Taverne ist gut (ich bin mal wieder der einzige Gast am Samstagmittag, bei Piperi-Pita und Horiatiki). Ein Bus griechischer Tagesausflügler besucht das Dorf, aber die kehren nicht ein …
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Und ich hätte nie gedacht, daß man auf den Waldwegen oberhalb von Pinakates so gut herumlaufen kann. Keine Herden, keine Hunde, bis auf einen großen, rothaarigen Hausköter, der eine einen Meter lange schwere Stahlkette mit ausgeleiertem Karabinerhaken am Hals trägt. Er hat sich wohl irgendwo losgerissen und begleitet mich eine Zeitlang. Ab und zu hüpft er fröhlich um mich herum, als ob er spielen will, aber er läßt sich nicht anfassen. Meist ist er stumm und wirkt irgendwie verlegen. Zu Hause kriegt er bestimmt Ärger, wenn er zurückkommt. Ja ja, auch Hunde können verlegen sein … 🙂 …
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Ja, ich soll dringend mal oben bei der Familie V. vorbeigehen, sagt Matoula, da wohne jetzt die Georgia, die sei inzwischen Ärztin, verheiratet mit einem Studienkollegen, und zwei Kinder hat sie schon. Georgia, das Kind von 1992, ist Ärztin und Mutter …? Wie die Zeit vergeht! Litsa sei auch verheiratet, ein Kind, sie sei nicht mehr im Supermarkt in Volos, “she studies nurse”. Die frischgebackenen Großeltern V. wohnen auch noch dort oben, ist ja ein großes Haus.
Ich sage bei V. nur kurz kali mera … “Oma” V. strahlt, aber sie ist alleine, und hat ein nervöses Enkelkind an der Hand, da gibt es nicht mal einen Kaffee. Und die Georgia sei unterwegs … und wohin? Keine Ahnung, was sie erklärt. (Ich verstehe leider nie, was Frau V. mir erzählt …)
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Matoula bringt das Frühstücksomelette
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Jedenfalls haben Matoula und ich nun jeden Abend Gesellschaft. Ist ja sonst keiner da. (Nur am ersten Abend war ich in Milies zum Essen und mußte ohne Taschenlampe durch den Wald nach Hause … gibt’s im Pilion nicht noch Herden von Werwölfen?)
Matoula sitzt gewöhnlich abends da mit ihrer Stickarbeit und einem Glas Rotwein und wartet. Sie bringt mir einen Tsipouro … aber nur einen, denn “I want guests that feel well, but not ill.” … aber immer noch ein Viertel Wein und noch eins (“on the house”) … sie steht dann neben meinem Tisch und erzählt und fragt und erzählt. Das Stehen stört sie nicht. So lange, bis der Blick ihres Gatten wegen unserer Dauerkonversation leicht unwirsch wird …
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Matoula und ihr Mann Giannis
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Blick auf Kala Nera
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Tagsüber unentwegt strahlendes Wanderwetter. Blick auf den Dunst der Golfküste. Selbst der “populärste” Wanderweg (auf der Road-Editions-Karte beschrieben) von Milies nach Taxiarches (Tsangarada) ist teilweise richtig überwuchert. Hier war ewig keiner mehr. Der Weg ist halbwegs ausreichend markiert, aber ich breche kurz vor dem Ziel ab und kehre um (da hatte man schon Ägäis-Blick) … da geht es irgendwann steil bergab, und auf dem Weg liegt, teilweise einen halben Meter hoch, das braune Laub vom Vorjahr. Sollte man sich als Einzelwanderer nicht antun, diesen Waldweg (wenn überhaupt keiner weiß, wo man ist, schon gar nicht …). Und in Tsangarada ist heute kein Bus mehr zu erwarten.
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Pausenplatz mit Ägäis-Aussicht aus dem dichten Buchenwald heraus. Offenbar hat unser Pilion-Wanderer “HT” ja im Folgejahr eine nette Begleitung gehabt … 😉 …
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Am Donnerstag fahre ich wieder, über Thessaloniki nach Thassos. Matoula gibt am Mittwochabend noch ein allerletztes Viertel drauf und lacht: “You were always my first and last guest!” Ja, sie hat an den Wochentagen immer nur für ihren Mann und für mich gekocht. Zum Frühstückskaffee … “In the morning do not come earlier than nine o’clock!” … kam dann die Frage: “You like pastitio? Shall I make pastitio tonight?”
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Fortsetzung auf Seite Pilion 15  Visitza, auf 750 qm
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9 comments

  1. Hallo Theo!

    Einerseits schön, wenn es dort nicht so voll ist, aber für die Bewohner ist das traurig. Vielleicht müssten sie mehr Werbung im Internet machen? Aber wer fährt schon von Thessaloniki bis zum Pilion (außer wir natürlich). Ein Flughafen in Volos würde einerseits mehr Tourismus bringen, andererseits ist dann wohl die Ruhe vorbei?! Wie kann man hier den Mittelweg finden?!
    Schwierig schwierig…. Man bräuchte einen “sanften Tourismus” dort, das müssten halt die Leute auch so planen, damit ihr schönes Fleckchen Erde nicht zugebaut wird. Andererseits möchte man ja auch nicht, dass alle Einheimischen von den Dörfern wegziehen in die Stadt.
    Viele Grüße
    Ulli

  2. Hallo Ulli,
    Volos hat einen Flughafen, und der wird von Nürnberg aus direkt angeflogen (Air Berlin). In Volos konnte der griechische Pokalsieger von 2007, AE Larissa, sogar den deutschen Pokalsieger aus Nürnberg in Empfang nehmen!
    Über Skiathos geht es auch. (Warum verrate ich das alles hier? Vielleicht spendet mir Air Berlin dafür ja einen Freiflug …???)
    Theo

  3. Hallo Theo!

    Das mit Nürnberg wusste ich, aber wohne ja in München und bis ich erst mal nach Nürnberg fahre, kann ich von München aus gleich nach Saloniki fliegen. Warum überlegt sich airberlin nicht mal, bald von München aus hinzufliegen?!
    Nach Skiathos bin ich auch mal geflogen und dann mit dem Flying Dolphin, aber ich dachte, die internationalen Flüge dorthin gibt es nicht mehr?! Hab ich irgendwo gelesen…
    Muss ich glatt noch mal nachschauen. Also Theo ich würde Dir einen Freiflug gönnen!!! Kann ich ja mal bei airberlin anregen 😉
    Viele Grüße
    Ulli

  4. Hallo Theo,
    bin ab 01.05.2009 in Gatzea in Sikia. Vielleicht sehen wir uns mal !? Würde mich sehr freuen !!!!
    Geronimo

  5. hallo ,an alle die dies hier lesen….komme ürsprünglich aus volos und lebe jetzt in deutschland.komme aber jedes jahr nach volos und zum pilion zurück…..es ist einfach wunderschön und ursprünglich…….wer mehr wissen möchte….habe sehr gute pilion kenntnisse….und gebe sie gerne weiter…..schreibt einfach…:-)

    wetzlar den 21.02.2012……..e-mail….ilios70@gmx.de……

  6. yassou Theo, während meines Urlaubes im Pilion in diesem Jahr im Mai habe ich auch das immer noch verschlafende Bergdorf Vizitsa besucht. Ich bin von Ano Lechonia mit der Pilionbahn bis Milies gefahren, dann auf dem alten Kalderimi von Milies nach Vizitsa gewandert. Und von Vizitsa auf dem alten Kalderimi (Wanderweg Nr. 5) nach Kala Nera gewandert. Wunderschöne Wanderung meißtens durch Olivenhaine, habe während der Wanderung niemanden getroffen.
    Im Piliondorf Vizitsa hatte ich eine Pause eingelegt, total verschlafenes Nest. An der Platia wurden Äpfel verkauft, einmal kurz zwei Frauen und einen Arbeiter gesehen. Ab und zu hörte man eine Motorsäge. Touristen hatten sich in der Zeit ausser mir sich nicht hier her verehrt.
    Die Wanderung von Vizitsa nach Kala Nera kann ich sehr empfehlen.

    schöne Grüße aus Hamburg, kokkinos vrachos

  7. Den Weg 5 ab Vizitsa kenne ich gut, und seine Abzweigungen. Allerdings bin ich nie bis nach ganz unten zum Golf, also bis Kala Nera, gelaufen. Irgendwann/irgendwo kreuzt man ja immer die Bahnstrecke, auf der man bequem nach Milies zurück kommt. (Na, nicht ganz so bequem, vom Bahnhof bis zum “Zentrum” von Milies ist es ja eher ein bißchen steil.)
    Und was ist mit den Tavernen an der Platia von Vizitsa gewesen in diesem Mai? Waren die etwa alle zu?
    Theo

  8. jassou Theo, ob die Tvernen/Kafenion in Vizitsa aufhatten, habe ich gar nicht mehr so in Erinnerung, ich glaube die waren geöffnet, war aber nichts los, war ja mittags. Ich habe mich gegenüber auf eine Bank gesetzt und dort Pause gemacht. Wie gesagt außer zwei Frauen und einen Arbeiter habe ich niemanden auf der Platia gesehen. War sehr ausgestorben und sehr ruhig.

    gruß kv

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