Ein Bett im Konvent. San Miniato – Teil 2

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Wenn man schon im Kloster wohnt, muß man ja nicht auch noch fasten …

Marina – ich nenne sie hier mal weiterhin so – hatte vor unserer Reise noch ein Magazin (GEO) gefunden mit einer ausführlichen Würdigung der kulinarischen Top-Ziele in der Toskana. Und eines der empfohlenen Restaurants lag tatsächlich in San Miniato, wo wir wohnen wollten.

Da mußte sie unbedingt hin, und hatte darum auch ihr „kleines Schwarzes“ ins Gepäck gelegt. In einem solchen Top-Restaurant sollte man ja nicht mit den üblichen lässigen Klamotten auftauchen …

Wir brauchen drei Versuche, bis wir endlich reindürfen! Am ersten Tag (Dienstag) versuchen wir noch, das Lokal in San Miniato selbst zu finden. Vergeblich. Beim zweiten Mal (Mittwoch) wissen wir, wo wir suchen müssen. Unser Top-Restaurant liegt nicht im Ortszentrum von San Miniato, sondern in einem der eingemeindeten Orte in den Hügeln. Sechs Kilometer entfernt. Das Dörfchen Balconevisi besteht aus einem guten Dutzend bescheidener Häuser, die sich um eine Tankstelle (!) gruppierten.

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Wir fahren abends hin, lassen uns vom Tankwart einweisen, aber das Lokal (gleich nebenan) ist geschlossen. Ruhetag.

Dritter Versuch (Donnerstag, 8. Oktober). Schon nachmittags hatten wir unseren Appetit ausgebremst. Dabei gab es überall so ein großes Angebot an edlen Lebensmitteln und Getränken:

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Es war nach Frühnebel und ein paar heftigen Regenschauern plötzlich herbstlich kalt geworden.
Zwangsläufige Konsequenz: Zum Abendkleid noch eine lange Wollweste und ein Seidenschal. Was nützt das fare bella figura am Abend, wenn man am nächsten Morgen mit einer Erkältung im Bett liegt.

Die Padrona schaut irritiert, als wir das Lokal betreten. Es ist fast leer. Wir können uns hinsetzen, wo wir wollen.
Wir nehmen Platz an der Glaswand mit Blick zur Straße, mit dem Rücken zu dem riesigen düsteren Wandgemälde, das das ‚Abendmahl‘ von Leonardo da Vinci in die profane Neuzeit verlegt. Sowas irritiert beim Essen nur, wie die Fernseher-Dauerberieselung in vielen Tavernen in Griechenland. Das Gebäude des gelobten Restaurants könnte die ehemalige Werkstatt der Tankstelle sein.

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Die Wirtin erscheint an unserem Tisch, ohne Speisekarte, lächelt verlegen. (Kommunikation nun in Gesten und  italienisch-englisch-deutschen Halbsätzen und Substantiven. In mein Notizbuch hatte ich seitenweise Vokabeln mit Restaurantbezug eingetragen. Auch das hilft.)

Cosa mangiare …? Also jetzt, Donnerstagabend (giovedi sera) ist nur Barbetrieb. Da hat die Küche eigentlich zu. Aber es wäre ja nicht viel zu tun, sie könne also doch in die Küche gehen und uns was einfaches (!) zubereiten. Also: Pasta mit Trüffeln (nur eine kleinere Portion als Vorspeise) und Steaks vom Rind. Bistecca alla fiorentina. Für deren Qualität sei das Haus ja bekannt.

Steak? Ist nicht gerade Marinas Sache. 🙂 Sie versucht, mit entsprechenden Gesten zu erklären, daß sie bitte nur ein ganz kleines Steak hätte. Die Wirtin schaut sie entrüstet an, dreht auf dem Absatz um und rauscht ab Richtung Küche. Dreißig Sekunden später ist sie wieder da, hält mit beiden Händen ein großes Küchenbrett, darauf zwei gigantische Scheiben Rindfleisch.

Sie wendet sich direkt an meine Begleiterin: Wer habe denn behauptet, es gäbe hier zu kleine Steaks? Ihre Steaks seien immer so groß wie diese beiden, immer, und sie werde sie uns jetzt zubereiten. Das sagt sie schon wieder mit einem freundlichen Lächeln.
Da kann man nicht widersprechen. Marina seufzt: „Das Mißverständnis werden wir nicht mehr wegreden können. Aber du isst die Hälfte von meinem Fleisch – wenn wir jetzt was
übriglassen, ist die Wirtin bestimmt endgültig beleidigt.“
Da kann man nicht widersprechen.
Nicht vergessen, vor dem Steak gibt es noch einen Teller Tagliatelle mit weißen Trüffeln …

Ja, dieses bistecca alla fiorentina ist erstklassig. (Obwohl ich eigentlich beim Steak auch nur kleine Portionen vertrage …) Stangensellerie als Beilage. Die rohen Selleriestangen stehen wie Rhabarberstiele in einem hohen Glasgefäß, einfach zum Rausnehmen und Abbeißen. Der Stangen-Fuß steht einem drei Finger hohen Olivenöl-Salz-Mix am Glasboden. Zum Dippen. Dazu Weißbrot, Weißwein und Kaffee.

Habe noch nie so viel Rindfleisch in mich reingestopft wie an dem Abend … aber die Wirtin strahlt beim Abräumen der leeren Teller.
Il conto? 30.000 Lire kostet das komplette Vergnügen für zwei. 1.000 Lire waren damals 1,40 DM. Also 42 D-Mark bzw. 21 Euro.
Genovini = Spitzenklasse, zu beschämend günstigen Preisen … nicht mehr als sonst in einer miserablen Trattoria“ steht in meinem Notizbuch.

Den Digestivo nehmen wir in einer Bar in Nähe unserer Kloster-Unterkunft, nicht hier. Marina muß ja noch ans Lenkrad, uns quer durchs Hügelland steuern. Sie schlägt vor, in der Bar ein Glas Wodka zu trinken. Nein, kein Grappa, sie hat inzwischen genug von diesem Italia. Ja, es wird mehr als ein Glas Wodka …

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… und San Francesco begrüßt uns ziemlich spät an diesem Abend. Weltlicher Genuß war Franz von Assisi ja durchaus nicht fremd, habe ich gehört.

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Übrigens: Das Ristorante Genovini lebt noch. Auf ihrer website präsentieren sie wortreich ihr Angebot an Gerichten mit Trüffeln. Das Bistecca wird nur nebenbei im Foto vorgestellt. Gilt das inzwischen als zu gewöhnlich? Keine Ahnung.
Die Tankstelle scheint nicht mehr zu existieren.

Foto: Ristorante Genovini

Die zentrale Aussage: „Il Ristorante Genovini a San Miniato è un ristorante accogliente a conduzione familiare, presente sul territorio da oltre cinquant’anni. Proponiamo una cucina casalinga tradizionale, fatta di alimenti genuini e materie prime di ottima qualità: dalle deliziose specialità al tartufo fresco alle grigliate di carne, dai sughi alle zuppe, fino ai dolci tipici della casa.” 

Also: „Das Restaurant Genovini in San Miniato ist ein einladendes, familiengeführtes Restaurant, das seit über fünfzig Jahren in der Gegend tätig ist. Wir bieten traditionelle Hausmannskost, hergestellt aus unverfälschten Lebensmitteln und hochwertigen Rohstoffen: von leckeren Spezialitäten mit frischen Trüffeln über gegrilltes Fleisch, von Saucen bis Suppen, bis hin zu typischen hausgemachten Desserts.“

Foto: Ristorante Genovini

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