Nafplio, Argolis

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Der Autoverkehr wird aus der Altstadt von Nafplio herausgehalten: Die Platia

Mal wieder ein Ort in Griechenland, dessen Gründung fast 3500 Jahre zurückliegt … jedoch spielte die Stadt in der Antike keine bedeutende Rolle. Zur Zeitenwende war sie völlig verschwunden. In der byzantinischen Ära wurde sie neu gegründet.
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Zwischen 1211 und 1828 wurde die Stadt zwischen den Venezianern und den Ottomanen mehr oder weniger unfreiwillig “hin und hergereicht”. Eine Zeitlang war sie Hauptstadt der venezianischen Provinz Morea, was ihr die berühmt-berüchtigte Befestigung einbrachte (Bastion Palamidi), die zu späterer Zeit auch als Gefängnis genutzt wurde.
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Palamidi über der Altstadt im frühen 19. Jahrhundert
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Nebenbei: Im 19. Jahrhundert besuchten die meisten Griechenland-Reisenden, die wegen Mykene, Tyrins oder Epidaurus in der Gegend waren, Nafplio … und alle haben die Festung besucht … die schöne Aussicht vor sich auf Stadt und Bucht und unter sich im Hof die bastelnden Gefängnis-Insassen, die ihre Produkte auf Stangen den Besuchern oben auf der Mauerbrüstung als Souvenir anboten, gegen Bargeld …
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Aussicht von Palamidi auf die Stadt, rechts oben Bourtzi
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Auf der Befestigung Bourtzi vor dem Hafen der Stadt residierte zu Zeiten der Todesstrafe der griechische Henker (meist ein begnadeter Gewaltstraftäter, der hier so Nutzen aus seiner Berufs- und Lebenserfahrung zog …).
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1829 bis 1834 war Nafplio die erste Hauptstadt von Griechenland nach dem Unabhängigkeitskrieg. 1833 betrat hier (der frühere bayrische Prinz) König Otto zum ersten Mal den griechischen Boden. Was der Stadt nicht viel einbrachte, denn die bayrische Herrschaft orientierte sich umgehend nach Athen. Am 11.12.1834 zog der König schon um ins dortige Chaos …
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Frühling in Nafplios Tavernengassen
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Heute ist Nafplio immer noch eine nette Kleinstadt von 17.000 Einwohnern, die auch viele griechische Wochenendbesucher und Schulklassen anzieht. Und um die umliegenden archäologischen Zentren zu besuchen, ist sie immer noch die beste Basis. 12 Kilometer südlich von der Stadt hat sich rund um den Golf von Tolo ein beliebtes Strandzentrum etabliert. Richtig schrecklich schön ist es da aber nicht …
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Blick auf die (noch ringsum befestigte) Stadt, 19. Jahrhundert
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Die Stadtmauer verschwand, aus der Moschee wurde ein Kino
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Literatur: Wenn Sie wissen wollen, wie der Alltag in der Aufbruchzeit nach dem Unabhängigkeitskrieg war, machen Sie sich die Mühe, das unten genannte Buch zu lesen (Anmerkung: Konstantinos Dimitrios Schinas war erster Rektor der Universität in Athen und später griechischer Minister).
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Bettina Schinas berichtet in allen Einzelheiten über das Leben in Nafplio, vom Kohlen- und Bohnenpreis bis zum Mietwucher. Von den Versuchen, eine bürgerliche Gesellschaft zu etablieren. Bis zu den Intrigen all der maniotischen Revolutionäre, der bayrischen Beamten und der europäischen und zaristischen Gesandten.
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Nafplio war damals kein Ort von übergroßer Reinlichkeit, Zeitgenossen ließen sich bei schlechtem Wetter von albanischen Trägern durch die Gassen tragen.
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Reinlichkeit? Heutzutage werden selbst herrenlose Kleinsäugetiere in den Gassen von Nafplio liebevoll umsorgt. Oder ist das gar keine Sozialwohnung …?
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Bettina Schinas liebte übrigens das “wegen seiner Reinlichkeit berühmte” Hydra, obwohl viele Frauen dort sterben, “weil sie soviel schäuern, daß sie schwindsüchtig werden”. Lesen Sie selbst:
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Leben in Griechenland 1834 und 1835
(Briefe und Berichte an ihre Eltern in Berlin)
von Bettina Schinas, geb. von Savigny
Hrsg. Ruth Steffen
Cay Lienau Verlag, Münster, 2002
(Die Herausgabe des reich illustrierten Buches wurde von der Griechischen Kulturstiftung und der Gesellschaft zur Förderung der Universität Münster unterstützt.)
ISBN 3-934017-00-2
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One comment

  1. Für diesen unschätzbaren Hinweis will ich mich endlich mal bedanken. Ich fürchte, das Buch wäre mir ohne Deinen Tipp durch die Lappen gegangen.

    Lesevorschlag von mir als Gegengabe: Kevin Andrews, The Flight of Ikaros. Wiederauflage 2010 bei Paul Dry Books, Phiadelphia. ISBN 978-1-58988-064-1

    Der Autor von “Castles of he Morea” beschreibt seine persönlichen Erlebnisse auf den Wanderungen 1949-1951, sozusagen als ‘Nebenwerk’ zu seiner wissenschaftlichen Arbeit (die vor einigen Jahren auch wieder neu aufgelegt wurde, inkl. aller Fotos und venezianischen Karten der fränkisch/venezianisch/ottomanischen Burgen auf der Peloponnes).

    Sehr beeindruckendes Buch, bei den üblichen englischsprachigern Dealern zu bestellen (amazon, abebooks…)

    Danke und Gruß
    Brigitte

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