Olymp, Enipeas-Schlucht

Das Zentralgebiet des Olymp
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Ein Vorteil an den Gipfelwegen des Olymp sei, daß sie anstrengend, aber gut markiert und ausgetreten seien. (Wenn man Tim Salmons sehr schönes Wanderbuch “The Mountains of Greece” liest, sieht man ihn beim Beschreiben dieser so populären Strecken schon am Schreibtisch sitzen und etwas gelangweilt gähnen …) Ich kann das nicht beurteilen, ich war im Olymp noch nicht oberhalb der Baumgrenze unterwegs. Aber auch unterhalb dieser Grenze kann es überraschend anstrengend werden …
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Olymp-Massiv (Foto Google Earth). Man erkennt gut den Kessel, den die Olymp-Gipfel umschliessen, und die immer vorhandene “Olymp-Wolke”. Im Kessel sind die Hütten. Rechts das Meer und die Autobahn. Der rote Flecken rechts oben ist Lithochoro.
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Morgens um 9 Uhr standen wir vor der Stavroshütte. Wir hatten uns den Serpentinenweg dorthin hinauffahren lassen. Stavros ist keine “richtige” Hütte, es ist eher ein Familien-Restaurant mit Aussichtsterrasse, und an Sonntagen bewegt sich eine ganze Reihe von Autos aus der Tiefebene dort hinauf.
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Wir machten uns auch den Weg nach Prionia, der “zentralen Verteilerstation”, wo sich die Höhenwege treffen. Kurz hinter Stavros hörte 1999 die Asphaltstraße auf. (Ich fürchte, es ist bis heute nicht so geblieben …) Der Schotterweg war jedoch breit und eben … abgesehen von einer Stelle, wo ein Erdrutsch die Hälfte des Weges weggerissen hatte … und staubig war er auch. Zum Glück war es ein Werktag, und Verkehr gab es kaum.
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Auf dem Weg Stavros-Prionia, kurz vor der Hütte
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11 Uhr, Prionia-Hütte. Die Hütte ist bewirtschaftet, aber übernachten kann man dort nicht. Frühstück gibt es daher heute auch keins. Aber Kaffee, Quellwasser, Feta und Oliven können wir kriegen. So ab halb eins frühestens könnten wir mit Fassoulada rechnen. Die Suppe kocht schon, man riecht es. Klingt gut, für die Bohnensuppe kommen wir zurück.
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Noch etwas höher wollen wir hinauf, aber der Weg bleibt fast immer im dichten Wald, es gibt keine malerischen Panorama-Aussichten … um ein Uhr kehren wir um. Wir wollen ja auch nicht auf die Gipfel, wir wollen den E4-Weg durch die Enipeas-Schlucht machen. Zehn Kilometer Fußweg, von 1100 Metern Höhe (Prionia) zurück nach Lithochoro (250 Meter).
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Wegskizze, Ausschnitt aus einer Karte im Magazin “Berge”, No. 40, Thema “Götterberge Griechenlands”
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In der zugigen, aus groben Brettern zusammengenagelten Prioniahütte sitzt immer noch die finster-fröhliche Waldarbeiterrunde, die um elf Uhr schon Bierflaschen und Tsipourogläser auf dem Tisch hatten. Jetzt ist die Diskussion jedoch etwas lauter geworden. Nichts zu sägen heute, Jungs …?
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Ein halbes Dutzend stille Touristen sind auch da. Und Fassoulada für alle. 15 Uhr, wir zahlen. Der Wirt fragt, wo wir hinwollen. Ach, “nur” die Enipeas-Schlucht? Kein Problem. Es seien nur drei Stunden hinunter zum Dorf. Na, vier, wenn wir uns in Ruhe umschauen. Verlaufen kann man sich nicht. Könnte sein, daß wir nass würden. Im Westen türmen sich graue Wolken.
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Ende der Fahrstraße: Der Parkplatz und die Prioniahütte
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Einen recht großen Parkplatz gibt es draußen. Hier kann man vom Versorgungs-Lkw auf die Maultiere der Agapitos Hütte (A) oder Apostolidis Hütte (B) umladen. (Die Hütten sind jetzt, Anfang Mai, noch geschlossen.) Die Stimmung an der Prionia-Hütte im engen Tal ist etwas bedrückend. Ein kalbgroßer roter Hund streunt herum, der uns und unseren Rucksack würdevoll und still betrachtet. Er ist hungrig, aber wir können ihm nichts anbieten. Unbeständiges Maiwetter. Das Wetter am Olymp ist zickig, selbst im August kann es aus Gewitterwolken heraus noch schneien.
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Der Prioniahund
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Keine halbe Stunde unterhalb der Prioniahütte knickt der markierte Weg scharf ab, und man überschreitet den Fluß in einem Wiesental. Normalerweise. Heute nicht. Heute ruht auf Wiese und Weg eine große Schafherde, und bewacht wird sie von drei gut trainierten Hunden (und offenbar von keinem Hirten). Wir müßten mitten zwischendurch durch die gemütlich-wollige Idylle, das gibt Ärger … aber soweit lassen es die Hunde gar nicht erst kommen. Sie schütteln den Mittagsschlaf aus dem Fell und bauen sich bereits ein gutes Stück vor der Herde auf und lassen ihre Zähne sehen.
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Statt nach rechts unten geht noch ein weiterer Weg nach links oben. Hm. Es könnte sein, daß wir auf diese Weise die Ruine des Agios Dionysios-Klosters verpassen. Aber die Hunde lassen uns keine Wahl.
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Wir haben Glück. Zwanzig Minuten später gibt es plötzlich wieder einen Abzweig, nach rechts, steil bergab. Wir kommen am Kloster zusammen mit den ersten Regentropfen an … und müssen zum ersten Mal durch den Fluß. Noch ist der Wasserstand niedrig. Man hüpft von Stein zu Stein.
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Das Dionysios-Kloster von 1542. Es wurde 1943 von der deutschen Besatzung zerstört, damit es nicht den Partisanen nutzte. Es wird jetzt restauriert.
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Unter dem Regencape wandern ist immer unangenehm, besonders im Wald. Man schwitzt und man kann ständig irgendwo hängen bleiben. Man schwitzt auch, weil der Weg nicht nur abwärts geht, nein, es geht immer wieder hoch rauf und tief runter, und ein paar Mal muß man zwangsläufig durchs Flußbett auf die andere Talseite wechseln. Bei trockenem Wetter kein Problem …
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Kleine Höhlenkirche an der Wanderstrecke
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Und was ganz Fieses gibt es auch … vor ein paar Jahren hat man wohl unregelmäßige Stufen aus Holzbalken in die Schrägen der Hänge gesetzt. Hier mal fünf, da mal fünfzig. Das Holz ist an vielen Stellen längst verrottet, aber die in die Steine gerammten Eisenstangen sind noch da. Handbreithoch ragen diese rostigen Stolpereisen aus dem Weg, und man muß höllisch aufpassen. Besonders beim Abstieg. Wer hier stürzt, geht an manchen Stellen bergab wie eine Lawine …
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Wir sind schon zwei Stunden unterwegs, und inzwischen nur noch l-a-n-g-s-a-m, den Blick auf unsere Füße fixiert … von Lithochoro und der Küstenebene ist noch längst nichts zu sehen. (Und meine Kamera ist zur Sicherheit im Rucksack …) Oh, da kommt uns jemand entgegen … eine deutsche Touristenfamilie, zwei Kinder im Vorschulalter. Tagesrucksack, Shorts, Wanderschuhe, aber keinen Regenschutz … tapferes Lächeln … hallo, wie weit es noch zur Prionia-Hütte sei?
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Na, zwei Stunden, mit den beiden Zwergen da definitiv zwei Stunden. Oh. Ob man da oben übernachten kann? Nein. Ob man da ein Taxi kriegen kann, um zur Küste zurückzufahren? Höchstwahrscheinlich. Aber noch zwei Stunden im Regen bergauf, und dann mit den nassen Kindern in dem halboffenen Gästeraum sitzen, und mindestens eine Stunde Wartezeit auf das Taxi … ob sie nicht lieber umkehren wollen? Nein, wollen sie nicht. Die Kinder sind blass und schweigen.
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Abendnebel im Enipeas-Tal (wir sind gerade eben mal wieder oben …)
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Wie haben die die Kinder immer über den Fluß gekriegt? Getragen? Der Regen strömt jetzt. Das Wasser ist schon gut gestiegen, und wir haben keine Moses-Zauberkräfte. Also besser barfuß durch die Strömung, als hinterher mit wassergefüllten Schuhen unterwegs sein … so komisch es auch aussehen mag. Man hat barfuß auch besseren Halt auf den Steinen. Ich darf dieses unvorteilhafte Foto hier doch mal reinsetzen, ich hätte ja eins genommen, wo ich mitten im Wasser stehe, aber mich hat ja keiner fotografiert:
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Zwangsläufiger Talseitenwechsel: Furt im Enipeas-Tal. Am Ufer links ist das Wasser recht tief.
Anmerkung: Ich habe vor kurzem relativ neue Fotos von einer Wanderung über den E4 Wanderweg gesehen … es waren einige nagelneue Brücken drauf zu sehen, und auch einige reparierte Holzstufen!
05.09.2008
: Die letzte Nachricht, die ich zum Thema gelesen habe, ist aus der ATHENS NEWS vom 29.08.2008 (“In the above of Mt. Olympus” von Sean Bender):
I headed up lush Enipeas canyon. The trail was good, but it moved like a caterpillar across its favourite green leaf, undulating up and down and going nowhere at all, swooping and climbing along the canyon’s flank with the attention span of a moth. The trail had recently been refurbished, old paths blocked off and clearer routes cut through – and often straight up – rocky scruffs jutting from the trees. The canyon got narrower as I went on and the trees crowded the banks. New bridges, the wood still bright with the former life of the tree, crossed the river high with lush, lovely water.
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Kurz vor Lithochoro wird der Weg eben, ist grob gepflastert oder betoniert. Ausreichend für hohe Absätze. Aus immer mehr Seitentälern fließt es nun hinab ins Tal. Links unter uns rauscht die Strömung. Es ist bereits acht Uhr abends, als wir im Hotel ankommen. Jetzt ist es wieder trocken. Aber wir sind nass bis auf die Haut. Hinter uns im Tal steigt der Nebel. Fünf Stunden waren wir ab Prionia noch unterwegs, nicht drei. Meine Hose hat inzwischen ein etwas chamäleonartiges Erscheinungsbild … und es war heute erst der vierte Tag dieser Reise …
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HIER geht es zur Seite: Olymp – Erstbesteigung 1913
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3 comments

  1. Hallo Theo!
    Jetzt bin ich doch froh, dass ich diese Besteigung des Olymps nie gemacht habe. Ich wollte das auch immer machen, aber mein Lebensgefährte streikte damals, so sind wir nur bis Litochoro gekommen.
    Hut ab, Ihr seid wirklich fit!
    Gruß
    Ulli

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