Annäherung an Limnos – 2 – Der Süden

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Kondias: Nur fünf Häuser für die sieben Zwerge …?
🙂

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Es ist Samstag und … halt, ich stelle fest, daß ich über Limnos chronologisch berichte. Merkwürdig, tue ich sonst ganz selten. Ob es daran liegt, daß die Insel keine zentralen Themenbereiche bietet?
Egal.
Es ist Samstag und … der Süden und Südosten der Insel ist unser Ziel. Und es kommen ganz unterschiedliche Themen zusammen. Dabei lasse ich mehrere Zwischenstopps aus …

Der erste nennenswerte Ort auf unserer Strecke ist Kondias. Das Dorf soll die drittgrößte Siedlung von Limnos sein, und seine Häuser sollen sooo malerisch in die Hügel gesetzt sein, und es lohne sich immer, dort eine Pause zu machen, wegen der kleinen Läden und Lokale. Nur solle man um Himmels Willen nicht mit dem Auto über die abschüssige verwinkelte Dorfstraße fahren – wenn einem da ein Lkw entgegenkäme, würde es kritisch.

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Katharina liebt es kritisch … 🙂 . Kein Gegenverkehr. Na bitte. Ein Spaziergang durchs Dorf. Ist nett, aber nicht weltbewegend. Immerhin … ein zentraler Dorfplatz, samt Kafeneion und Pantopoleion (Café und Kramladen).

IMG_1304_A300… ähm …hot dogs?
Ich liebe regionalspezifisches Essen!  🙂

Es gibt weiter unten noch ein winziges Café direkt an einer scharfen Kurve. Nur vier Stühle auf der schmalen Terrasse. Jetzt einen Kaffä metrio und warten. Worauf? Auf den Lkw mit Gegenverkehr. Umsonst. Wir sehen nur einen einzigen größeren Lieferwagen, und überhaupt keinen Gegenverkehr.

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Themawechsel. Stimmungswechsel.

Also weiter. Nur ein paar Kilometer, bis Portiano. Hier liegt einer der Friedhöfe der Allierten aus dem Ersten Weltkrieg. Noch heute unvergessen und vorbildlich gepflegt.

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Limnos war im Ersten Weltkrieg eines der Zentren hinter den Fronten des Krieges.
Siehe auch: > Saloniki und die bulgarische Front
Aber es gab nicht nur den Stellungskrieg an der makedonisch-bulgarischen Grenze. Hart umkämpft waren auch die Dardanellen, eine Meerenge, die den Zugang nach Istanbul und zum Schwarzen Meer gewähren konnte.
Siehe: > Wikipedia: Die Schlacht von Gallipoli
Die Allierten schafften es nicht, die Dardanellen zu erobern. Landungen wurden zurückgeschlagen, unzählige Schiffe durch Seeminen versenkt. Resultat: 100.000 Tote und 250.000 Verletzte.

Auf Limnos wurden zahlreiche Not-Lazarette aufgebaut, wo die an den Dardanellen verletzten Soldaten wenigstens vorsorglich versorgt werden konnten. Wo es ging, wurden die Verletzten danach mit Lazarettschiffen nach Ägypten oder Malta verlegt.
Siehe auch: > Kea. Nicht jeder kommt ans Ziel
Aber die Versorgungslage auf Limnos war – besonders im Winter 1915/1916 – sehr schlecht. Kälte, Typhus und Mangel an Medikamenten, winterharten Zelten und Krankenbetten kamen dazu.

Hier starben unzählige aus dem Commonwealth (Australien, Neuseeland, Ägypten, Indien, Kanada) und Frankreich zusammengezogene Soldaten an den Folgen des Fronteinsatzes.
Da kamen halberwachsene Jungs aus Neuseeland, die sich noch kaum rasieren mußten, und sie reisten unfreiwillig rund um die Welt, nur um ein paar Wochen später in einem Hospitalzelt auf einer obskuren Insel zu verrecken …
Warum?
Da steht es auf einem Grabstein: „Thy purpose Lord we cannot see“
Also: Wir verstehen nicht, Herr, warum du das gewollt hast.
Weil es „ihm“ da oben und seinen Stellvertretern scheißegal ist, liebe Familie Gordon …

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Nur langsam geht man an den Reihen der Gräber vorbei. Und man wird mit jedem Schritt fassungsloser und wütender. Hier nur ein paar Bilder, die ich gar nicht kommentieren will:

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Weiter ostwärts. Wir hatten nur einen kurzen Weg über Paleo Pedhino bis zu der kleinen Insel im Golf von Moudhros, deren Kirche Aghios Nikolaos über einen schmalen Damm zu
erreichen ist. Wenn man keine Angst vor nassen Füßen hat.

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Und schon ist man wieder im öden militärischen Sperrgebiet rund um den Flughafen. Und in Moudhros wartet schon der nächste Kriegsfriedhof. Ist noch viel größer als der in Portiano.

Im Januar 1916 verließen die geschlagenen Kräfte der Alliierten Gallipoli. Aber am 30.10.1918 wurde an Bord der HMS Agamemnon im Golf von Moudhros der Waffenstillstand unterzeichnet, der den Ersten Weltkrieg an der Südfront beendete. Am 11.11.1918 folgte der Waffenstillstandsvertrag von Compiègne für die Westfront.

So, noch einmal Themawechsel. Stimmungswechsel.

Moudhros, der zweitgrößte Ort der Insel, „is a dreary place“, steht im Rough Guide von 1995. Stimmt immer noch ein wenig. Aber da gibt es seine Empfehlung bei MM, der man – nach zahlreichen vergeblichen Nachfragen in anderen Tavernen – unbedingt folgen muß: Die Fischsuppe (kakavia rofos) im To Kyma.

Wir fragen inzwischen nur noch ganz zaghaft – diesmal ein Volltreffer! Zweimal psarosoupa!
Und was für Portionen! Hier bitte:

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(Foto links: Katharina R.)IMG_8221_A450

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Nachtrag:

Eines Abends hatte ich mir überlegt, alles halbwegs Bemerkenswerte, das mit dem Genuß von Fischsuppe zusammenhing, zu einem (durchaus komischen) Artikel zusammenzufassen.
Hatte schon so zehn besondere Ereignisse gelistet. Doch am Ende wurde das Fischsuppen-Projekt beerdigt. Wenigstens vorläufig.

Aber ich denke noch oft an das erste kulinarische Großereignis: Diese
typisch dänische Fischsuppe in Kopenhagen, mit reichlich rotem Rogen … dazu diese knusprigfrische Kümmelstange mit grobem Meersalz  … unvergeßlich selbst nach 40 (vierzig!) Jahren.

Oder diese unlegierte Fischsuppe in Afissos/Pelion! So, wenn der Fischsud nur ein bißchen eingefärbt ist vom mitgekochten Gemüse, mag ich es eigentlich am liebsten:

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Na, vielleicht schreibe ich es doch noch mal auf.

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4 comments

  1. Mich erreicht aus einem Griechenland-Forum eine Nachricht von Dea. Sie weiß mehr über den Anteil der Neuseeländer und Maoris beim Angriff auf Gallipoli als ich. Mit ihrem Einverständnis hier der zentrale Teil aus ihrer Nachricht:
    “Bei dem Bericht über Limnos schreibst Du, dass die Neuseeländer gegen ihren Willen in den Krieg ans andere Ende der Welt zogen.
    Das stellt sich aus der Sicht der Neuseeländer anders dar. Viele sind mit dem gleichen Verve in den Krieg gezogen wie viele junge Deutsche. Für die Australier und die Neuseeländer war das identitätsstiftend. Zum ersten Mal zogen sie als Nationen und nicht nur als Teil des Empires in den Krieg. Die Maoris waren stolz darauf, dass es ein reines Maoribatallion gab. Der Anzac-Day zum Gedenken an die Gefallenen ist neben dem Waitangi-Day der höchste Feiertag in Neuseeland. Und das alles, obwohl sie von den Engländern nur als Kanonenfutter benutzt wurden.
    Meine Schwester lebt seit bald 20 Jahren in Neuseeland. Als wir sie 2020 besucht haben, gab es eine große Gallipoli-Ausstellung im Te Papa-Museum.”

  2. Kontias hat 570 Einwohner und damit deutlich weniger als Moudros (974), Ag. Dimitris (812), Atsiki (848), Kontopoulos (623) oder sogar Platy (603).

  3. Hast recht! Ich habe die Information aus dem Rough Guide von 1995 (!) etwas leichtsinnig übernommen: “KONDIÀS, the island’s third largest settlement” steht da. 1991 hatte der Ort auch nur 550 Einwohner (laut wikipedia).
    Trau keinem Reiseführer, den du nicht selbst geschrieben hast, sag ich doch immer … 🙂 .

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