Aegina – Aphaia und Kolonna

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„Ich … also ICH und dieser Aphaiatempel. Einmal rum, 60 Video-Sekunden. Und unten, das ist meine Oma, damals. Bis sie den Souniontempel fertig gezeichnet hatte … voll der Sonnenbrand! War echt nich alles besser früher.“
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Der Taxifahrer grinst. Der Bus Richtung Agia Marina ist gerade weg: „Seventeen Evro, I drive you.“ Zwei alte Damen mit Topfpflanzen in Plastikbeuteln passen auch noch ins Auto, wollen zum Nektarios Kloster. Jede fünf Euro.
Und abholen am Tempel will er mich auch. Siebzehn Euro, hier die Telefon-Nummer. Nein, ich will vom Tempel aus durch die Kiefernwälder laufen, bis Mesagros! Was ich denn da will, da ist doch nun gar nix los, keine Taverne, nix. Muß er wissen, er wohnt ja da!
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Ich fahre zurück mit dem Bus, ab Mesagros-Kindergarten. Zwanzig Minuten schaue ich einem verschwitzten Arbeiter zu, der gegenüber vom Haltestellenhäuschen in einem Olivengarten mit der Sichel das mannshohe, schon gelbe Unkraut schneidet. Frappébecher, Bierdose und Zigaretten auf dem Mäuerchen, aber kein Mobiltelefon. Er versucht es am öffentlichen Telefon an der Haltestelle, vergeblicher Versuch, er flucht. Scheißjob.
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DER TEMPEL DER APHAIA
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Meyers Griechenland und Kleinasien, 1906, Seite 258: “Das bedeutendste Denkmal des alten Ägina sind die 2 1/2 Std. (Pferd 6-8 Dr.) östl. auf 190 m hohem Hügel gelegenen Ruinen des berühmten Äginetentempels, der an Größe und Bauart dem Theseustempel in Athen am nächsten kommt; seine (1811 aufgefundenen) Giebelgruppen werden jetzt im Äginetensaal der Glyptothek in München aufbewahrt. Der Tempel galt bisher als Heiligtum der Athena, muß aber nach einer neuerdings gefundenen Inschrift der Aphäa zugewiesen werden, einer heute fast unbekannten Schutzgöttin der Frauen.”
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Mehr muß man fast nicht zum Thema sagen. Man kann auch einfach auf wikipedia verweisen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Aphaiatempel
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Dort ist die Geschichte vom Fund des Tempels unter Carl Haller von Hallerstein – u.a. Otto Magnus von Stackelberg, Peter Oluf Broendsted, Charles Robert Cockerell gehörten zu der archäologischen Expedition, die auch den Tempel von Bassae teilweise freilegte – etwas schwach belichtet, und die Rolle des Archäologen Adolf Furtwängler etwas schräg dargestellt. Wikipedia:
„Die erste umfassende wissenschaftliche Publikation des Aphaia-Tempels stammt von Adolf Furtwängler und ist 1906 erschienen.“
Nun ja, die erste Arbeit zum Thema erschien bereits 1904, als Dissertation von Ernst Fiechter. Der war Furtwänglers Assistent, und seine Arbeit verschaffte ihm nicht nur den Doktortitel, sondern wurde fast komplett in Furtwänglers Werk integriert.
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Fiechter liefert auch umfangreiche Illustrationen zu Details und einige Fotos. Das konnte Furtwängler später noch wesentlich erweitern. Sein Werk „Aegina – Das Heiligtum der Aphaia“ enthält 130 Tafeln mit Abbildungen und 413 Abbildungen im Text. Und die „Mitwirkung“ an der Arbeit von Ernst Fiechter wird auf dem Titelblatt nicht vergessen.
Die Universitätsbibliothek Heidelberg läßt Sie reinschauen. Fiechters Dissertation habe ich auch als PDF, aber ich weiß nicht mehr, woher …
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Blick auf den Tempel (von Nordwesten) von 1904:
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Blick auf den Tempel (von Südwesten) von mir, 2018:
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Und eine ganz frühe Arbeit von Otto Magnus von Stackelberg:
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Immer wieder wurden neue Bruchstücke an ihren ursprünglichen Stellen eingefügt. Und manchmal muß man den brüchigen Bauteilen auch etwas Hilfestellung mit einer Stahlschiene leisten.
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Aber die Ostfront steht noch in fast voller Größe. Hier 1904:
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Und 2018:
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Ja, der Giebel fehlt natürlich. Er wurde 1811 von der „archäologischen Expedition“ quasi „sichergestellt“ und für 20.000 Scudi an König Ludwig I. nach München verkauft. (Fragen Sie mich nicht, ob das viel oder wenig Geld war, und wer den Betrag kassiert hat …)
In München wurden die beschädigten Giebelfiguren zunächst (in Knossos-Manier) „vervollständigt“, die Ergänzungen wurden aber (ziemlich spät) wieder beseitigt.
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Aus Furtwänglers Werk noch eine Rekonstruktions-Zeichung der Ostfront des Tempels.
Der Giebel zeigt die Eroberung Trojas und war farbig gestaltet:
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Furtwaengler_A180Was Sie schon immer wissen wollten, sich aber nicht zu fragen trauten:
Adolf Furtwängler (1853-1907) ist der Vater des Dirigenten Wilhelm Furtwängler (1886-1954), und dessen Großnichte ist die Schauspielerin Maria Furtwängler (Tatort). Maria Furtwängler (geboren 1966) hat ihren Großonkel aber nie kennengelernt.
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KOLONNA
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Die antike Siedlung auf dem Kolonna-Hügel, im Norden der Hafenstadt, ist zwar schon 4000 Jahre alt, wirkt aber nicht so spektakulär wie der Aphaia-Tempel im Westen der Insel. Wahrzeichen ist der Stumpf einer letzten Säule eines Apollo-Tempels, der wie ein abgekauter Bleistift auf dem höchsten Punkt des Areals emporragt.
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Die Archäologen haben hier die Überreste von mindestens elf aufeinander folgenden Siedlungen festgestellt. Die Fundamente bzw. Mauerreste sind zur Besucher-Information kartographisch erfaßt:
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Ohne eine Führung, die Ihnen die Besiedlungsspuren und -schichten deutlich darlegen kann, bleiben Sie schon ziemlich ratlos zurück. Mir ging es jedenfalls so. Aber es ist am Spätnachmittag ein ruhiger Platz im Ort, mit schöner Aussicht aufs Meer und die Inseln im Umfeld.
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Ein paar bedeutende Funde (Schmuck aus minoischer Zeit) wurden hier gemacht, und nach London ins British Museum gebracht. Das Museum vor Ort behielt die Funde in „1B-Qualität“, aber die sind für einen Rundgang interessant genug. Im Innenhof finden sich einige antike Grabstelen, die Kapodistrias aus Rhineia (der Nachbarinsel von Delos, wo niemand beerdigt werden durfte) nach Aegina gebracht hatte, und an denen das Archäologische National-Museum in Athen später wohl kein Interesse hatte. Grabstelen fanden sich ja reichlich im Schatten der Akropolis.
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Und wenn man sich die Karte oben noch einmal ansieht, fällt einem der leere Zwischenraum zwischen den Siedlungszentren auf.
Ja, da war wohl im 20. Jahrhundert nichts mehr zu finden. Präsident Kapodistrias hatte ja ab 1828 von den mittellosen Flüchtlingen nach dem Unabhängigkeitskrieg das Hafenpier erneuern und das Waisenhaus errichten lassen. Quasi als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Als Baumaterial hatte man sich großzügig an den antiken Mauerresten in der Nähe bedient.
Zerkrümelte Reste des alten Piers ragen noch heute aus dem Wasser, nördlich vom heutigen Fähranleger:
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