Tinos Winter 2 Livadha

Livadha Tinos
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Januar 2013: Das Livadha-Tal, hinten die Tsiknias-Kette
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Taubenturm Tinos
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Taubenturm am Livadha-Tal-Wanderweg, kurz vor Falatadhos
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Andreas, der Taxifahrer, freut sich über die lange Tour, aber hinunter zur Livadha-Bucht will er nicht unbedingt: „Bad road!“ Muß er auch nicht runter. Am Abzweig, der in die Streusiedlung hinunterführt, kann er mich rauslassen. Sind noch 1800 Meter bis zum Strand. Wenn man zu Fuß geht, ist das auch keine „schlechte Straße“.
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Livadha Bay
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Start des Weges, oder Ziel: Die Livadha-Bucht
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Beim Wandern gilt prinzipiell: Jede Richtung geht, Livadha-Falatadhos (bergauf) oder Falatadhos-Livadha (bergab). Die Strecke läuft man im Winter am besten bergauf, das Ziel ist dann das Kafeneion in Falatadhos bzw. die Bushaltestelle. Im Sommer geht es besser abwärts, das Ziel ist dann der Strand. In dem Fall sollte man sich mit jemandem oben am Abzweig verabreden, zur Rückfahrt nach Chora.
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Das Ziel muß aber auch nicht Falatadhos sein, unterwegs teilt sich der Weg. Rechts nach Falatadhos (Weg 1A), links geht es aufwärts nach Mirsini (Weg 1). Und wenn einen der Ehrgeiz packte, ginge es von Mirsini über Steni, Dhio Choria, Arnadhos bis zum großen Kloster Moni Kechrovounion. Da findet man wieder einen Bus, wenn es für den Tag nicht schon zu spät ist. Oder ein netter Klosterpilger läßt einen Richtung Hafen mitfahren …
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Livadha Bay Teich
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Kostas vom Hotel Tinion hatte mir den Weg empfohlen. Er wäre allerdings auf der Fahrstraße am Hang des 700 Meter hohen Tsiknias-Massivs gelaufen (9 km, schöne Fernsicht). Der μονοπάτι auf der anderen Talseite sei steil und schlecht zu finden. Man müsse gut trainiert sein und sogar ab und zu klettern. Stimmt nicht … meine Strecke (10 km) habe ich gemütlich in vier Stunden zurückgelegt, und das mit meiner Sehnenzerrung im linken Fuß. (Wenn man zum Leuchtturm will, kommen übrigens noch zweimal 1800 Meter drauf.)
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Für Kostas sind die Süßwasserteiche, die sich am Talende bis herunter zum Strand stauen, das Sehenswerteste: Wilde Gänse, Enten, Frösche, Wasserschildkröten gäbe es da … und einmal habe er dort sogar eine Wasserschlange gesehen, zwei Meter lang, und unterarmdick …
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Abends treffe ich Kostas an der Rezeption, weil wieder mal der Strom ausgefallen ist. Hat uns beide aus dem Computer gehauen. Ob ich im Tal die Schildkröten gesehen hätte, will er wissen. Nein, nicht eine, Kostas. Oh schade, dann seien die bestimmt im Winterschlaf …
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War auch kein Zweibeiner außer mir im Tal unterwegs. Überall Winterschlaf. Unten an der Bucht sägt jemand Feuerholz, mit der Motorsäge, an einer Kapelle begegnet mir ein tarnfarbener Jäger mit geschulterter Flinte. Da starre ich gerade eine schneeweiß-elegante Ziege an, und denke an diesen Film mit George Clooney über parapsychologische Kampftechniken – „The men who stare at goats“. Die Ziege starrt zurück. Tot umfallen tut sie nicht. Das muß ich noch üben … 🙂 …
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Überhaupt, man verbringt den ganzen Tag in Gesellschaft von diesen friedlich-zutraulichen Vierbeinern, die hier in der freien Natur „geparkt“ sind.
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Der bestimmt uralte Talweg ist einigermaßen gut markiert. Wenn man ihn erst gefunden hat. Meist führt er an den Mauern der Wiesen entlang, mal links, mal rechts vom Bach. Kleine Fußgänger-Brücken gibt es, oder eine Furt im klaren Wasser, die in zwei Schritten auf Trittsteinen überwunden ist. Der Weg ist meist „naturbelassen“. Wo er zwischen den riesigen rundlichen Granitfelsen hindurchführt, sind oft grobbehauene Steine zu Stufen ausgelegt. Ja, man kann den Weg quasi hinaufspazieren, da ist gar nichts zum Herumsuchen und Klettern. In regelmäßigen Abständen findet man kleine Kapellen (zum Kerzenanzünden), die nicht einmal abgeschlossen sind. Der Talgrund ist überall landwirtschaftlich genutzt.
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Livadha Kapelle
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Livadha Monopati
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Der Livadha-Fußweg, typische Weg-Struktur
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Also, wenn Sie den Weg gehen wollen wie ich, also bergauf, hier nur ein paar Hinweise:
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Livadha Abzweig
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Auf dem Schild an der Weggabelung steht „Plati“, nicht „Livadha“. Macht nichts. Sie gehen zunächst nicht ins Tal, sondern nach rechts, Richtung Bucht und Leuchtturm. (Der Leuchtturm-Weg zweigt unterwegs vom Weg zur Bucht rechts ab und verläuft unterhalb der Fahrstraße. Kaum jemand benutzt die Fahrstraße. (Gut, bei der Taxifahrt war vor uns der Müllwagen unterwegs und ein deutscher Pkw mit einem Anhänger, der aus der hinteren Hälfte eines Fiat Panda konstruiert war …) Der Weg zur Bucht, hoch über dem kleinen, mit häßlichen schwarzen Plastikplanen unterlegten Stausee, ist nur an erosionsgefährdeten Stellen betoniert.
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Daß sie den natürlichen Teichen nahekommen, hören sie. Die Gänse bemerken Sie nämlich schon aus einiger Entfernung. Ich habe übrigens mal am Strand ins Wasser gefaßt, es fühlte sich nicht kälter an als im Mai. Als Nordsee-Winterschwimmer wäre es Ihnen hier also im Januar zu warm …
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Heute ist es windstill und sonnig, auch wenn sich der Himmel ab und zu mal zuzieht über dem Tsiknias. Regenwolken sind es zum Glück nicht:
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Tsiknias
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Aber der Weg wäre ja nicht so kleegrün eingerahmt, wenn die Wolken nicht wären:
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Klee
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Und die ersten Frühlingsblumen hätten sonst keine Chance:
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Krokus
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Ja, ganze Felder sind schon grün überwachsen. Die ersten einzelnen Schmetterlinge sind da. Und nicht nur da, wo die Gänse ihren Teich bewachen, nein, überall finden Sie Teppiche von Gänseblümchen. Die wenden sich der Sonne zu, wie auch ich:
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Gänseblümchenfeld
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Und die Ziegenmütter mit ihren Kindern haben sich auf den Wiesen so satt und müde gefressen, daß sie nicht im Traum auf die Idee kämen, vor dem Wanderer zu flüchten:
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Ziegen Tinos
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Trotzdem, das Gras scheint immer noch grüner auf der anderen Seite des Zaunes zu sein. Das kann fatale Folgen haben. Hier, beim Sprung über den Zaun mit dem Bein in einem Metall-Zacken hängengeblieben:
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Tote Ziege Zaun
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Ganz dumm gelaufen. Ein furchtbarer Tod. Und Sie haben Ziegen immer für schlau und übervorsichtig gehalten? Hm. Diese hier habe ich im letzten Herbst auf Astypalaia gefunden:
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Tote Ziege Astypalaia
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Vorwärts ging der Kopf durch. Rückwärts ging nichts mehr. War wohl erst ein paar Tage her, und das Ziegenkind hatte seinen Waisen-Status noch nicht akzeptiert und suchte immer noch die Nähe seiner toten Mutter. Traurig.
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Junge Ziegen
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Aber das Leben geht weiter, immer weiter. Hier ist bereits die nächste Generation. Und sie demonstrieren schon mal, daß es mit der Produktion der übernächsten Generation auch funktionieren wird …
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Ich treffe zusammen mit dem 15:45-Bus in Falatadhos ein. Es verkehrt meist nur der Kleinbus, und der ist immer superpünktlich. In Steni haben wir einen kleinen Aufenthalt, weil eine Schülerin erst nach Hause rennen muß, um das Fahrgeld zu holen. Fahrer und Passagiere amüsieren sich. Für meinen doppelten Helleniko geht es nun runter nach Chora. Im Arodo sitze ich, direkt der Hafen-Bushaltestelle gegenüber. Draußen, mit Meerblick. Der Wind fängt gerade an, das Wasser etwas aufzurauen. Für drei Tage ist es ab jetzt vorbei mit der Windstille …
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Kafeneion Tinos
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Ja, der Wind … als ich heute beim Wandern Richtung Osten schaute, zur nahen Tsiknias-Bergkette, fiel mir Ludwig Ross ein, und sein Tinos-Besuch von 1835. Ross traf nämlich auf  verschärften Nordwind.
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Ross ist hier nicht gewandert, nein. Und seine Probleme begannen auch erst beim Verlassen der Insel. Ross verläßt den Hafen trotz der Warnung des “Hafenkapitäns” vor dem Meltemi: “Pfeilschnell flogen wir aus dem Hafen von Tenos, allein kaum hatten wir eine halbe Stunde zurückgelegt, und befanden uns dem südöstlichen Vorgebirge der Insel, dem hohen Berge Kyknias, gegenüber, als der Boreas, wie gewöhnlich nach Sonnenaufgang, seine Kraft wieder erneute und mit furchtbarer Gewalt von den Gipfeln des Berges auf unsere kleine Barke herabstürzte, in welchen die Wellen von beiden Seiten hereinschlugen.”
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Die Zitate sind aus: Inselreisen, Ludwig Ross, Band 1, 1835. Ja, der Meltemi im Dreieck zwischen Tinos, Mykonos und Delos ist berüchtigt. Hab ich mal selbst erlebt im Transfer-Boot nach Delos.
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Ross landet auch auf Delos, unfreiwillig: „Mykonos zu erreichen war (…) unmöglich; an Umkehren war eben so wenig zu denken, und wir mußten uns glücklich schätzen, daß wir versuchen konnten, uns dahin zu retten.”
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Nur, Ross und seine Mannschaft hatten für ihren unfreiwilligen Zwischenaufenthalt auf Delos keine Verpflegung mitgenommen. Die Hirten auf Delos konnten sie nur mit Schafsfleisch und salzigem Wasser versorgen. Brot gab es keins. Aber es gab auch keine Veganer in der Mannschaft …
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Es ist August 1835, und man schläft draußen, hinter Felsen am Strand, in den Mantel gewickelt. Der ist zum Glück wieder trocken, denn es war bei der Ankunft “nach einem bezeichnenden griechischen Schifferausdrucke, nichts an uns trocken geblieben, als die Zunge.”
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Prompt holt sich hier Ross den Anfang einer schweren Erkältung. Die bricht erst richtig aus auf Naxos: “Wir haben übrigens (…) sämtlich eine Erkältung zurückgebracht und sitzen jetzt bereits den zweiten Tag halb krank im Kloster.”
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Erst nach drei Tagen ging es ab Delos überhaupt weiter. Das ist aber noch nichts gegen den Meltemi auf Santorin. Dort schreibt Ross am 25.09.1835, daß sie schon zwei vergebliche Versuche, auszulaufen, hinter sich haben, und bereits seit sechs Tagen festsitzen!
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Na ja, auch bei mir war der Wintersturm zwischendurch mal zu stark für den Schiffsverkehr. Und wir ärgern uns heute, wenn wegen des Wetters (oder wegen der Tarifkonflikte) mal auch nur einen Tag die Fähre nicht kommt …
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Luftbild Tinos Livadha
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Quelle: GoogleEarth
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Das Luftbild zeigt nur den Start der Wanderung. Die weiße Linie rechts ist die Fahrstraße, die den Tsiknias umkreist, mitten im Bild der Stausee, unten der Abzweig: Nach oben geht es von da aus zur Bucht, nach links ins Tal zum Fußweg nach Falatadhos. Den Rest habe ich weggelassen, der Weg ist bis zum Ziel nicht zu verfehlen. Der kleine Fußweg nördlich des Stausees ist gerade noch zu erkennen.
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6 comments

  1. In Volax werden sommers wie winters Körbe geflochten, ganz ohne Geheimnisse.Einfach hinfahren/laufen.VG Hartwig Block

  2. Hallo Hartwig, was die Körbe angeht … es gibt hier noch ein paar andere Kapitel über Tinos, z.B. “Winter 3 Volax”. Einfach mal hinlesen /hinschauen!
    🙂 Theo
    PS: Merkwürdig, meine Administrator-Statistik nennt mir heute gar keinen Zugriff auf diese (Livadha-)Seite. Ohne Zugriff läßt sich hier aber nicht kommentieren …

  3. Bin ab Morgen fürn November auf Tinos und dann wieder im Frühjahr.Sollten uns mal über mail kurzschließen wg.Telefon oder so.Grüße Hartwig

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