Sardinien: Die Trenino Verde Schmalspurbahn 1989, Teil 1

Der abfahrtbereite Triebwagen am Endbahnhof Arbatax
Der Bahnhof liegt mitten im Hafengelände. Warum? Früher (ab 1894) wurden dort Güter statt Touristen verladen. (Quelle: Google Earth) Ja, ich weiß, es heißt nicht “Bahmhofsgebäude” …

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Unsere Sardinien-Rundreise begann im März 1989. Ja, das Jahr 1989 war auch eine “Zeitwende” … im August fragte mich in Paris eine US-Journalistin, wann wohl die Berliner Mauer fallen würde. Meine Antwort: „Not in my lifetime.“
Darauf bot sie mir eine Wette an. Sie nannte ein unglaublich nahes Datum – wenn die Mauer an dem Tag offen sei, kriege sie eine Flasche Champagner von mir. Wenn nicht, kriege ich eine Flasche von ihr. Klar, einverstanden. Wie naiv kann man sein, obwohl man für die Financial Times arbeitet …
Seit dem 09.11.1989 schulde ich ihr also eine Flasche Champagner. Aber ich habe ihren Namen vergessen. Sie wohl auch meinen.
Im November 1989 fragte mich eine Freundin in Amsterdam (ohne jede Ironie), ob jetzt wohl ein Zeitalter des Friedens beginnen würde. Ich habe es verneint. Aber wir haben leider nicht gewettet …

Es gibt keinen Weltfrieden, das wissen wir spätestens jetzt, im Frühjahr 2022. Trotzdem möchte ich hin zum Thema.
Wir haben in der Schmalspurbahn im März/April 1989 gesessen, als der Betrieb (mit festem Jahresfahrplan) noch dem öffentlichen Personennahverkehr  diente.

Und nicht nur das – es gab sogar noch gelegentlichen Güterzugverkehr! Es mußte ja auch ständig Material für Ausbesserungen an der Bahnstrecke befördert werden.

Rentabel war das längst nicht mehr. Aber die Gegend hatte zwischen Arbatax und den Bergdörfern nur sehr wenige fahrzeuggerechte Straßen.

Heute hat der Bus-Fernverkehr die Bahn sogar auf der Hauptstrecke der Insel (Cagliari/Oristano/Sassari/Olbia) weitgehend verdrängt.

Und der heute „Trenino Verde“ genannte Schmalspurzug befördert in den Sommermonaten nur noch Touristen – die rechtzeitig Plätze buchen müssen, denn ein Tagesausflug auf der Strecke ist inzwischen echt populär.
In Zeiten “ohne Waldbrandgefahr” soll sogar eine alte Dampflok eingesetzt werden. Nur, wann herrscht dort im Sommer keine Waldbrandgefahr …?

Unsere erste Fahrt sollte nur bis Lanusei gehen. Außer uns wollte in Arbatax niemand (!) einsteigen.

Zunächst nutzten wir die Gelegenheit, uns im und am Bahnhof umzusehen. Was im Büro des Bahnhofsaufsehers für Aufsehen sorgte: Touristen …! Touristen, die hier mal was anderes sehen wollen als den ortseigenen Sandstrand und die roten Felsen …!
Aber unsere Neugierde war willkommen und wir kriegten einiges gezeigt und erklärt, was wir nur teilweise verstanden haben:

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Die technische Ausstattung erschien durchaus museumsreif:

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Hinter dem Bahnhofsgebäude der Drehkreis, auf dem früher die Lokomotiven gewendet wurden. Das ist heute noch so auf der Pelionbahn in Griechenland. Dort wird die Lokomotive im Endbahnhof von Miliés von den Mitarbeitern und den Mitreisenden mit großer Begeisterung um 180° gedreht. Bevor sie vorne wieder an den Zug zur Rückfahrt angekuppelt wird.

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Die Drehscheibe in Arbatax ist sehr klein, und ist für die Triebwagen und die Dieselloks – die seit den 50er Jahren hier verkehren – nicht mehr geeignet. Beispiel: Hier auf einem Abstellgleis ein heutiger Personenzugwagen, der den alten Güterwagen um einige Meter in der Länge überragt:

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Dann also mal rein in den Zug. Heute verkehrt der grün-graue Triebwagen:

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Bis Tortoli (5 Kilometer) sitzen wir alleine im Zug:

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In Tortoli ist das Schulzentrum. Schon ist es vorbei mit der Ruhe. Früher Nachmittag, Unterrichtsende! Der Zug gilt als Schulbus. Aber die Schüler sind brav, oder bloß vom Unterricht erschöpft?
Am nächsten Morgen (etwa halb 8 Uhr) haben wir die Schüler aus Arbatax bis Tortoli im Zug.
Aber um die frühe Stunde sind italienische Schüler und Schülerinnen noch müde und maulfaul, so wie wir auch … 🙂 …

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Bis Lanusei muß der Zug auf kurvenreicher Strecke schon einiges an Höhe gewinnen. Es geht hinauf auf 560 Meter. (Höchster Bahnhof ist Arzana, da hat der Zug nach 45 Kilometern ab Arbatax schon 880 Meter Höhe überwunden!)

Lanusei
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Lanusei, der Bahnsteig, Stationsvorsteherbüro (Capostazione), Telegraf und Wartesaal (Sala d’Aspetto). Was der Fahrgast in einem modernen Bahnhof so braucht … außer Döner-Imbiß, Junkiekleinhandel, Handy-Shop und Lidl-Filiale … aber wir sind ja noch im Jahr 1989 und auf dem Lande … 🙂 …

Quelle: Alex10 / wikipedia (Ausschnitt)

Wirklich gespannt war ich auf die abenteuerliche Fahrt bis Gairo in den einsamen Bergen am nächsten Tag (Teil 2)! Nach einem Erdbeben vor einigen Jahren hatten viele Bewohner die zerstörten Dörfer dort verlassen. Aber es sei eine schöne Gegend für eine kleine Wanderung.

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