Kappadokien 3 – Uchisar Ortahisar

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Uchisar Burg
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Uchisar, die Burg
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Also hinein in den Naturpark Göreme (UNESCO Weltkultur-/Weltnatur-Erbe seit 1985)! Oder, nein, bleiben wir lieber noch am Rande, im Schatten der beiden Burgfelsen von Uchisar und Ortahisar. Wenn man von Nevshehir kommt, legen beide Burgen und die zugehörigen Dörfer in der Nähe der Fernstraße nach Ürgüp bzw. Kayseri (das römische Caesarea). Uchisar war damals unser erstes Ziel.
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Frage: Wozu wurden in dieser so menschenleer erscheinenden Gegend überhaupt solche Verteidigungsanlagen gebraucht?
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Antwort: Zur Antwort gehört dann doch ein kurzer Griff in die Geschichte. Also, hier war es nie menschenleer! Besiedelt wurde die kappadokische Vulkanlandschaft bereits um 6000 v. Chr.! Umstritten und begehrt war die Landschaft dadurch, daß sie eine Kreuzung wichtiger Verkehrswege war – z.B. für die Seidenstraße. In schönem Wechsel übernahm also immer jemand anderes die Herrschaft. Einzelheiten und Namen lasse ich jetzt aus, gehen wir gleich aus der Steinzeit in die Zeit Alexander des Großen.
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Göreme Karte wikipedia(Karte: wikipedia)
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Durch den Feldzug Alexanders kriegte Kappadokien eine makedonische Fremdherrschaft. Alexander selbst hat sich offenbar hier nie sehen lassen. Später übernahmen die Römer Kappadokien – im Jahr 18 n.Chr. wurde Kappadokien römische Provinz, ab 395 n.Chr. gehörte es nach den innerrömischen Differenzen zum Oströmischen Reich. Es blieb unter byzantischer Herrschaft bis 1071, als die Seldschuken die Macht übernahmen. Den religiös toleranten Seldschuken folgten wenig später die Turkmenen und Osmanen. Die konnten sich mit dem griechisch-orthodoxen Christentum weniger anfreunden.
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Kappadokien war eins der wichtigsten frühchristlichen Siedlungsgebiete. Zunächst flüchteten hierher nur ein paar Einsiedler, die die Höhlen bezogen und sich an der Einsamkeit und der Stille erfreuten. Später kamen immer größere christliche Gruppen. Sich wie Maulwürfe in die Felswände einzugraben, war ein guter Schutz gegen die ständigen religiösen Verfolgungen. Reste von bis zu 3000 versteckten christlichen Kirchen lassen sich heute noch nachweisen.
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Nachdem die Römer Gefallen am Christentum gefunden hatten, herrschte hier in Kappadokien trotzdem weder Ruhe noch Frieden. Um ab dem 5. Jahrhundert die Übergriffe der Perser, Hunnen und Araber abzuwehren, wurde das Höhlensystem bis zum Ende der byzantinischen Ära immer weiter ausgebaut. Unterirdische Städte wurden erschlossen, von denen manche wohl bis zu 19 Stockwerke in die Tiefe gingen, mit ausgeklügelten Belüftungs- und Sanitärsystemen, und auch weitläufige Kloster-Anlagen. Und einige der höchsten Tuffsteinkegel wurden zu befestigten Beobachtungs-Posten ausgebaut – bei gutem Wetter kann man von dort Dutzende von Kilometer weit ins Land schauen.
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Als der Verteidigungsaspekt nicht mehr so wichtig war, entstanden richtige Dörfer, mit zum Teil freistehenden Häusern. Gemauerte Fassaden wurden vor die Höhlenbehausungen gesetzt. Die Anzahl der sich zum Christentum bekennenden Untertanen der Sultane nahm im Lauf der Zeit aber immer weiter ab, und nach der mißlungenen griechischen Invasion, in den Jahren 1922 bis 1924, wurden die letzten griechischen Christen auf die andere Seite der Ägäis zwangsumgesiedelt.
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Uchisar Kappadokien
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Erdbeben, das extreme Wetter und eine ungeschickte Bau-Statik führten bei den Höhlen-Wohnungen ständig zu Abbrüchen und Einstürzen. Ein kontinuierlicher Verfallsprozeß, bei dem man fast zusehen kann. Hier ist immer noch alles „in Bewegung“, und ein kräftiger Winterschauer spült tonnenweise das sandig-zerkrümelte Felsmaterial in die Flüsse im Talgrund. Heute ist es verboten, die Höhlen im Schutzgebiet für Wohnungen und landwirtschaftliche Zwecke zu nutzen … aber wer hält sich daran und wer kontrolliert das?
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UCHISAR
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Die unübersehbare Burg von Uchisar ist nur eine kurze Busreise (ein paar Kilometer) von Nevshehir entfernt. 60 Meter ist der Burgfelsen hoch, das Dorf hat heute um die 1000 Einwohner, die meist von der Landwirtschaft leben. Aber der Tourismus ist auch hier zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden.
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Ballonfahrt Perspektive
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Wenn man von der Oberkante eines solchen Burgfelsens herunterschaute, hatte man schon eine Aussicht wie heute, wo das Heißluft-Ballonfahren stark in Mode gekommen ist.
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Von der Burg von Uchisar führt angeblich ein Tunnel bis zu den Wasser-Reserven am Flußbett. Umgeben ist das Dorf von den typischen Felskaminen. Wie die entstanden sind? Es lagen ja nach den Vulkan-Aktivitäten viele Tuffstein-Ablagerungen verschiedener Qualität übereinander. Manche Schichten waren kompakter als andere, ihre Reste konnten der Erosion besser widerstehen. Oft wurden auch scheibenförmige Steine von den früher vorhandenen Gletschern irgendwo abgebrochen und durchs Land geschoben. Als das Eis der Gletscher zurückging, begannen Schmelzwasser und Regenwasser mit der Arbeit. So entstanden die Tuffsäulen mit “Hüten” und die Gruppen von steinernen Riesen-Gartenzwergen, mit ihren Zipfelmützchen:
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Kappadokien Felskamine
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Wenn Sie genau hinschauen, sehen überall die Spuren der menschlichen Wühlarbeit an den angespitzten Türmen. Ganz unten die Eingänge, die durch Tunnel mit den obenliegenden Wohn- und Nutzräumen verbunden sind. Oben sieht man Fenster oder gleich ganze Räume, deren Frontwand zerfallen ist.
Langfristig erhöht das nicht die Überlebenschancen der Felstürme.
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Entstehen können durch die zusammenstürzenden Hohlräume in den Fels-Pyramiden recht bizarre Skulpturen, die oft wie die vom legendären Gallier Obelix geschleuderten Hinkelsteine in der Landschaft stecken:
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Kappadokien Felskamin
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Wenn dann noch dieser Baum in seiner Frühlingsblüte daneben arrangiert ist, ist das sehr malerisch. Im April blüht erst wenig, für die Obstgärten war es noch zu kalt …
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Mandelblüte
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Am Rande: Die Inflation war 1987 noch unkalkulierbar, eine touristische Broschüre kostete 200 bis 2500 Lira, die Eintritt zu den Burgbergen kostete 200 bis 250 Lira, 20 Kilometer Busfahrt nach Ortahisar 150 Lira, Abendessen in einer „Lokanta“ mit 1 Liter Wein für 2 Personen 5000 Lira, das große Glas Raki 500 Lira.
In (sehr) einfachen Pensionen auf dem Land konnte man für 2000 Lira im DZ unterkommen. Wir wohnten einmal bei einer Frau, die in Köln perfekt Deutsch gelernt hatte und sonst hauptsächlich an Saisonarbeiter vermietete, auch für diesen Betrag. Als wir beim Einzug verlangten, daß sie die bereits gebrauchte, angeschmutzte Bettwäsche wechselte, wurde sie sauer: „In Deutschland kriegen Sie für sieben Mark auch keine frische Wäsche!“ Das stimmt. Wir kriegten frische Wäsche. Mein Angebot, ihr die Kosten dafür zu ersetzen, schlug die Vermieterin aus. Sie sparte, wo sie konnte, aber schenken ließ sie sich nichts.

(1000 Lira waren 1987 knapp 3,50 D-Mark/1,70 Euro.)
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Kappadokien Tickets
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ORTAHISAR
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Früher war der wie ein Hochhaus 90 Meter aufragende, komplett durchlöcherte Burgfelsen von Ortahisar in seinem Innern bewohnt. Heute ist der Felsen durch viele Abbrüche an allen Seiten nicht mehr sicher genug. Der Aufstieg über Tunnel und Außenpfade war 1987 zwar durch Geländer einigermaßen abgesichert und durch Mauersteine unterstützt, aber nichts für Höhenangstbefallene. Man mußte auf jeden Schritt achten.
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Ortahisar 1
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Da rauf? Bis nach ganz oben …?
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Ortahisar 2
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Geschafft! Und ja, jede Menge echte Glühbirnen! Deswegen war uns so heiß da … 🙂 …!
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„Climbing the fort has always been dangerous; however, with the building of a sturdy stairway, no one will think anything of climbing it.” Das wäre gar nichts mehr, die neuen Treppen hinaufzusteigen, schrieben Sigrid und Hartmut Geerken für den türkischen Automobilclub („ A guide to Göreme“, 1967 – aufgedruckter Preis meines Exemplars – 15 Lira, 1987 überklebt mit 200 Lira!)
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Früher war der Burgberg mit einem Tunnelsystem mit den Höhlenhäusern des Dorfes verbunden, doch finden sich dafür keine sicheren Belege. Viele Hohlräume sind verschüttet.
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Ortahisar 3
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In der Nähe liegt ein unbewohntes armenisches Höhlenkloster (Halasdere, Hallac Manastiri). Aber die Höhlen rund um den Ort werden nur noch als Lagerräume für Obst und Gemüse genutzt. Ideale gleichmäßige Temperaturen und Luftfeuchtigkeitswerte bieten die Tuffsteine. Und hinter vielen gemauerten Hausfassaden im Ort finden sich noch ausgehöhlte Sommer-Schlafzimmer. Höhlen in den höheren Etagen sind oft zu Taubenhäusern umgebaut, in vielen Dörfern wird professionell gestrickt und gewebt.
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Die Kühlhaus-Industrie im Ort zieht heute Produkte aus fernen Gegenden an. Daher sind die 4.000 Einwohner von Ortahisar nicht so sehr auf den Tourismus angewiesen. Trotzdem, auch in der Nähe dieses Ortes gibt es heute 4-Sterne-Hotelkästen für die Rundfahrt-Touristen.
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1986 fand sich in Eberhard Schmitts Reisehandbuch „Türkei“ (VSA-Verlag) folgende Bemerkung: „(Ortahisar) ist nicht nur ein wachsender Tourismusort, sondern auch ein bedeutendes Zitrusanbaugebiet. Die Zitronen werden in zahlreichen Kellern gelagert. Im Frühsommer müssen vor der Auslieferung faule Zitronen ausgelesen werden, was eine Scheißarbeit ist. Diese Arbeiten werden von schlecht entlohnten Aushilfsarbeitern und –arbeiterinnen aus der Cucurova verrichtet, die von Kontraktoren in Mersin für ca. 3 Monate angeworben werden.“
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Die unterirdischen Städte von Derinkuyu und Kaymakli waren im April 1987 leider noch für das Publikum geschlossen. Sie waren nur im Hochsommer geöffnet. Man hatte ja erst um 1960 angefangen, ihre Räume freizulegen und archäologisch zu erforschen.
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Auf der nächsten Seite geht es in das seit 1960 verlassene Tal des Höhlendorfs von Zelve.
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