Lesbos, die “rote Insel”

.
1985. Lesbos & Chios war mein allererster Griechenlandaufenthalt (siehe Seiten Der allererste Tag im Land und Die erste “Residenz”). Ich habe immer noch Souvenirs aus dieser Zeit: Zum Beispiel zwei winzige “Kaffä”-Tässchen (mit KKE und Hammer und Sichel drauf) und die Ansichtskarte oben. “The poor people of Lesbos” steht hinten drauf. Es gab eine ganze Serie davon.

.
Die Tässchen zu kriegen, war gar nicht so einfach. Ein zacharoplastion (Konditorei) in Mytilini hatte ein ganzes Sortiment davon im Schaufenster, alle griechischen Parteien waren dabei. Nur, die Frau hinter der Theke weigerte sich standhaft, mir die KKE-Tassen zu verkaufen. Ich müsse nämlich unbedingt die von der PASOK nehmen, weil …
.

.
Das Werbeschild der Konditorei kann man gerade noch erkennen
.
Als ich unbelehrbar auf KKE bestand, gab sie wutschnaubend auf und holte die Oma. Oma verstand kein Englisch, aber sie wußte sofort, worum es ging. Sie amüsierte sich köstlich, das war wohl nicht zum ersten Mal passiert in dieser politisch hochsensibilisierten Familie. Sie packte die Tassen sehr sorgfältig ein, und 2 Pralinen kriegten wir auch noch dazu geschenkt …
.

.
Die KKE hat in Griechenland immer noch ein gewisses Wählerpotential (6 bis 8 % der Stimmen national, und auf Lesbos ganz wesentlich mehr). Und seit den Bürgerkriegen in Folge des II. Weltkriegs ist sie auch Teil der Folklore des Landes. Irgendwie kann man ihrer Werbung kaum entgehen (obwohl die grafisch – frisch gekämmte Genossen im karierten Hemd, diszipliniert demonstrierende Massen – alles andere als revolutionär ist …).
.
Und wenn jemand so kulturell-neurotisch ist wie ich … wenn er zum Beispiel in othodoxe Landkirchen geht, um Kerzen zu spenden … und wenn er alles mögliche sammeln muß, wie Dreiradfotos, Eselfotos, handschriftliche Tavernen-Rechnungen und antike Reiseführer, dann zuckt auch jedes Mal die Hand zur Kamera, wenn er was ROTES auf der Straße sieht: Aaah, die gute-alte Großtante KKE lebt auch noch … 🙂 … hier zum Beispiel ein Bild unserer holländischen Nachbarn in Molyvos, er sogar rot-weiß gestreift, mit passendem Hintergrund:
.

.
Und am Parteibüro von Molyvos kam ich auch nicht vorbei, klar:
.

.
Und wenn die Genossen sich nostalgisch an die Oktoberrevolution erinnern, muß ich das auch festhalten:
.

.
Und eine Träne der Rührung im Jahre 2008 … 90 Jahre KKE:
.

.
Die Bilderliste ist ganz unvollständig, klar, wenn Sie mal den Rest sehen wollen, kann ich ihn ja suchen …?

.
2005 war ich übrigens wieder auf Lesbos, und war auf die ganzen alten Kafeneions und deren Arbeiter- und Bauerngesichter in Mytilini gespannt. Tja. Die Lokale waren alle weg … und das Volk saß wahrscheinlich vor dem Fernseher …
.

.
Die griechische Linke hatte sich inzwischen weiter in kleinere Einheiten aufgeteilt. Hier wirbt die Marxistisch Leninistische Version der KKE (bei der letzten Parlamentswahl 2007 erreichte sie exakt 8104 Stimmen, 0,11% des griechischen Wählervolks).
.
Der Taxifahrer, der mich am letzten Reisetag von Plomari zum Flughafen fuhr, war dann die rein-hybride Neuzeit: Er hieß Antonios Tyrannis, hörte im Autoradio eine Propagandasendung der KKE (mit der Internationale), und bekreuzigte sich beim Vorbeifahren an jeder Kirche mit jener Hand, in der er sein Handy hielt. Und “nein, das mit der roten Insel Lesbos, das sei längst Geschichte”, da war er ganz sicher.
.
ZURÜCK ZUR STARTSEITE