Psari Spetsiotiko

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Spetses, am alten Hafen: Fisch-Restaurant Exedra
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Wenn man auf eine Insel reist, die unter reisenden Griechen einen gewissen Ruf hat, sollte man vermuten, daß man da gut essen kann. Acht Tage selbstloses Test-Konsumieren auf Spetses im Mai 2011 konnte diese Theorie nicht wirklich bestätigen …
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Das wohlhabende Spetses bietet das ganze Angebots-Spektrum im Gaststättengebot, nicht nur die Spitze. Am Uhrturm-Platz ein Laden neben dem andern, der “heiß und fettig” anbietet. Hier sitzen die Wochenend-Tagesausflügler vom Peloponnes und die Mütter mit Kindern vor gewaltigen Pita-Portionen und Cola aus der Dose. Oder Pizza und Pasta. Und die traditionelle Taverna gibt es auch, aber eine Taverna werden Sie lieber in der Nähe des Wassers suchen.
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Bewegen Sie sich in Richtung des Stadtstrandes, finden Sie zuerst  das Bouboulinas … direkt gegenüber vom Fischmarkt (riecht streng tagsüber), der Chef ist etwas zu freundlich (“Meine Frau ist aus Bremen, schade, daß sie nicht hier ist, sie redet so gerne deutsch mit den Gästen …”), das Essen ist durchschnittlich. Nett war, den Russen am Nebentisch zuzusehen, wie sie überlegten, wie viel Trinkgeld sie dem Personal zugestehen sollten. Am Ende wurden alle Taschen geleert und alle Euromünzen auf dem Tisch gelassen …
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Da ist das Stelios, über den das Michael Müller Handbuch 2006 noch schrieb, man kriegte “in Stoßzeiten kaum einen Platz”. Jetzt stirbt der Kellner fast vor Langeweile, jeden Tag, zu jeder Zeit, und das Essen ist mäßig.
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Abendstimmung. Strandpromenade am Spetsiotiko
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Da ist das Spetsiotiko, neben dem Hotel Klimis, das ist nett, sie bemühen sich, sofort die blöde Plastikplane wegzumachen, wenn der Nordwind es zuläßt, es gibt halbe (!) Portionen Maroulli-Salat für mich, die Bedienung ist freundlich und effektiv, das Essen gut, die Aussicht auch. Wenn man ganz vorne an der Hafenstraße sitzt, zischen einem die Ellenbogen der Zweiradfahrer fast am Weinglas entlang …
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Auch hier gibt es Psari Spetsiotiko, aber vom Schwertfisch, und mein Culinaria-Buch “Griechenland” hatte mir doch gesagt, das sei aber nicht das Wahre, also lassen wir das. Also ziehe ich für die Spezialität der Insel zum alten Hafen, wo die Schiffe des Geldadels und der Möchtegerne schaukeln. Das Exedra sei so ein gutes Fischrestaurant, hatte ich gelesen …
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An einem Donnerstag im Mai ist es nicht gerade gut besucht:
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Außer mir noch zwei Inder aus Kanada, die sich unbedingt vegetarisch ernähren wollen. Nein, auch keinen Fisch! Was den beiden Kellnern Probleme macht …
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Immerhin kriege ich meinen Psari Spetsiotiko, in echt. Von der “Σφυρίδα” (Sfurida), dem Zackenbarsch, wie mir der Kellner erklärt. Außer Sfurida geht noch Τσίπουρα (Tsipoúra = Dorade) und Συναγρίδα (Sinagrida = Zahnbrasse), sagt Culinaria. Das kostet dann 18 Euro statt 10 für den Schwertfisch (siehe oben) … und es wäre netter, wenn dazu nicht bloß diese blöden Patates Frites serviert würden, aber das Essen-Garnieren geht den meisten Restaurants in Griechenland immer noch irgendwie ab:
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Nachdem ich den Kellner beim Fotografieren noch in ein “Fachgespräch” … 🙂 … verwickelt habe … ich verstehe ja nix von Fischen … nutzt er die Gelegenheit, seinen Frust loszuwerden: Schlechtes Wetter, Jahrhundertkälte, dieser Mai, keine Gäste aus Athen … und sonst? Ja ja, man nimmt das Filet, und Tomaten drauf, und Tomatenmark, Knoblauch, Zwieback, Olivenöl, Petersilie, Zitrone, in den Backofen, warten, fertig …
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Nett, der Fisch, noch angenehm fest und etwas süßlich, und auf das Tomatenzeug hätte ich weitgehend verzichten können … und warum ist das Sfurida-Filet so teuer? Weil der Zackenbarsch mit der Leine gefangen wird, nicht mit dem Netz! Das Vieh versteckt sich in den Felsen, um da auf seine Beute zu lauern, und kommt nicht oft auf den Markt …
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Wo wir von Preisen reden … meine Vorspeise war ein Tellerchen Fava … 6,50 Euro … wahrscheinlich aus mit der goldenen Pinzette handverlesenen gelben Santorini-Linsen gemacht … Fava hat vor zehn Jahren in einer Durchschnittstaverne so um die 550 Drachmen gekostet, also 1,60 Euro …
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Gut, daß wir im Norden ja locker auch tariflich das Vierfache von dem verdienen, was wir 2001 verdient haben, also brauchen wir über die Restaurantpreise nicht reden, weder in Hellas noch in Germania! Wie … kriegen Sie das etwa nicht?
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Und wo wir gerade über Kellner reden … gerade haben sie in Griechenland für Arbeitnehmer unter 25 den gesetzlichen Monatsmindestlohn auf 590 Euro brutto festgelegt …
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Aber es gibt in Spetses tatsächlich noch eine empfehlenswerte familiengeführte “Dorf-Taverne”. Dazu muß man nur die Odos Botasi in Richtung Kastelli hinaufsteigen, zum O Lazaros. Immer geradeaus. Ist gesund, sowas. Hier gibt es eine eher kleine Karte, aber alles wird frisch gemacht von Stelios und seiner Gattin. Ich habe mich zwei Abende lang dort nur von Mezedes ernährt. Sein Fava war viel besser, und billiger (4,80), und er ist stolz auf seinen Haus-Retsina. Und es gibt immer Yoghurt mit Honig, wenn Sie ganz lieb sind …
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War auch kaum jemand da, einmal drei Jungamerikanerinnen, die Weißwein aus der Flasche tranken und am Ende überlegten, welche Kreditkarte sie benutzen sollten. Stelios überredete sie dann doch zu Bargeld, sonst hätten sie spülen müssen …
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Spetses, Taxi-Hafen
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Und nach dem Essen, zum Absacken? Kein Problem. Immer zum Taxi-Hafen! Die Auswahl ist groß, in der Saison jedenfalls. Zwei Häuser vom Hellenic Seaways Büro, im Kafeneion in der Ecke, wo die “erwachsenen” Einheimischen sitzen (und wo man auch essen kann!), brauchte ich schon am zweiten Abend nicht mehr bestellen. Ich kriegte automatisch meinen Ouzo auf den Tisch. Da konnte man die Beine von sich strecken, und gemütlich dem Verkehr im Hafen zuschauen. “Gefällt mir”, wie eine gewisse Sozialwebsite das formuliert. Kurz vor dem Einschlafen, mit dem Glas in der Hand, formuliere ich das auch nicht besser …
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Und morgens? Ich bin ja nicht so der Frühstücksmensch … aber der Bäcker neben dem DIAS-Supermarkt macht ganz hervorragende Tiropites (Wichtig, immer die aus Filoteig nehmen, nicht die aus Blätterteig!) und dann diese Pita mit Schokoladenteig-Füllung:
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Und ich hab anstrengend (und erfolgreich) versucht, nirgendwo Amigdalato zu finden! Dieses inseltypische süße Mandelzeug kannte ich ja schon aus Poros (Taverne Rota …) und ich werde blitzschnell süchtig nach sowas …
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Nachtrag: Außerhalb von Spetses-Stadt essen? Agii Anargyri ist ein winziges Strand-Kaff, aber ein nettes Ziel zum Baden oder für eine unangestrengte Wanderung quer durchs Land. Bei Manolis gab es ausgezeichnete Keftedes, und der Knoblauch aus dem frisch hausgemachten Tsatsiki dampfte einem aus den Ohren.
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20.06.2011  An eine besondere Stelle in diesem Text wurde ein Betonungszeichen in einen griechischen Begriff eingefügt, auf Wunsch eines besorgten Lesers aus München, der Angst hatte, Sie könnten sonst vielleicht gegen Ihren Willen “einen Teller Trauben-Schnaps” bestellen …
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10 comments

  1. Hallo Theo, wenn ich mich nicht irre, wird Fava aus Kichererbsen gemacht. Ist dadurch noch etwas leichter mit Pinzette zu verlesen.

    Xristo

  2. Hallo Xristo, das ist wie mit dem Schwertfisch und dem Zackenbarsch … die edle Lösung ist die mit den Santorini-Linsen (die allerdings ein Vermögen kosten).
    Natürlich werden die Tonnen von Fava, die der ganze Orient ja im Jahr verputzt, aus einer billigeren Art von Hülsenfrüchten gemacht, und auch ohne Pinzette …
    Ich wollte nur mal spekulieren, woher trotzdem der hohe Portionspreis in Spetses kam. Aber Ironie im Internet ……..
    Theo
    PS. Rezept ‘Fava Santorinis’ auf Seite 354 in Culinaria Griechenland!

  3. Ne ne, Püree von Kichererbsen läuft unter “Humus” und schmeckt auch ganz anders.
    Fava war schon immer teurer (muss ich jetzt wirklich eine Fava-Rechnung aus Drachmen-Zeiten suchen?)…
    Ob es aber unbedingt Santorini-Linse sein müssen wage ich zu bezweifen, gelbe Linsen (Schällinsen) tun es auch…

  4. Xristo, wenn du das Foto in dem Rezept vergrößerst, siehst du, daß da schon 2 Alternativen als Rohstoff-Basis angeboten werden, nicht nur die Platterbse … ist übrigens ein echt armseliges Arme-Leute-Rezept, gemessen an dem, was Culinaria anbietet.
    Es gibt in Deutschland auch Leute, die können unheimlich viel Zeug vom Acker kochen und essen, das andere nur für Schweinefutter halten (wie blöd haben sie alle noch vor 10 Jahren einer Freundin von mir hinterher geguckt, wenn die im Frühjahr loszog, um Bärlauch und Löwenzahnblätter zu sammeln), aber davon will ich jetzt gar nicht anfangen …

  5. Was die Preise angeht … seit Tagen suche ich eine Kopie meines Leserbriefes, den die Athens News 2001 veröffentlicht hatte. Darin hatte ich davor gewarnt, daß Griechenland der Euro-Zone beitritt. Hab das Blatt leider noch nicht gefunden.
    Inzwischen teilen immer mehr Leute meine Idee, daß Griechenland jetzt zur Drachme zurückkehrt und gegen den Euro kräftig abwertet:

    http://www.tagesschau.de/wirtschaft/griechenland1304.html

    Zitat aus dem Interview mit Dirk Müller: “Griechenland müsste raus aus dem Euro, abwerten und seine Schulden zumindest zum Teil streichen. Das wäre natürlich nicht einfach, danach hätte das Land dann aber die Chanche, sich neu zu erfinden: Es könnt sich mit Hilfe der abgewerteten eigenen Währung wieder auf seine Stärken besinnen, die vor allem im Dienstleistungsbereich wie dem Tourismus liegen. Schließlich entsprechen die griechischen Exporte gerade einmal sechs Prozent der Wirtschaftsleistung!”

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