Tinos 2017 – Dio Choria: Das Paradies für Steinläuse

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Die Marmor-Werkstatt von Theodoris Vidalis. Keine Angst, der Löwe beißt nicht …
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„Zieh bloß nicht aufs Land, wenn du deine Ruhe haben willst“, hat mir mal eine Freundin gesagt. Die wohnte in einem Dorf im oberen Allgäu. „Irgendeiner mäht immer seine Rasen morgens um sieben, kärchert seine Einfahrt in der Mittagsruhezeit, hämmert abends frische Nägel in seinen Jägerzaun, sitzt in großer Bierrunde um Mitternacht am Gartengrill …“
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Ja, vorhin im Zentrum von Dio Choria reichte mir schon der Tavernenmöbel-Schleifer, und jetzt am Dorfrand, in Sichtweite von Triandaros, schrillt schräg über mir schon wieder ein Winkelschleifer auf Stein. Verflexte Welt …
Moment Mal, die Frau mit der Flex kenne ich doch! Aber ich kann so lange und so laut „Monika!“ brüllen, wie ich will. Sie trägt natürlich bei der Arbeit einen schalldämpfenden Ohrenschutz.
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Monika Brand, die in etwa der Hälfte des Jahres auf Tinos lebt und an ihren Skulpturen arbeitet, hatte mir doch gerade erst erzählt, sie hätte einen neuen Arbeitsplatz, optimal ausgestattet, mit Strom-Anschluß und Panorama-Aussicht, in der Werkstatt eines Marmorbildhauers in der Nachbarschaft. Aber sie hatte mir nicht erklärt, exakt WO sie nun arbeitet. Verstehe ich, beim Arbeiten will man konzentriert sein und … ähem … seine Ruhe haben …
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Also mal dem Lärm widerstehen und rauf zum Haus! Mag ja Privatgrund sein, aber hier kann es unmöglich einen Wachhund geben, mit normalüblichem Sinnesempfinden …
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Noch ein paar Schritte. Plötzlich Stille. Zwei Steinarbeiter stehen vor der offenen Tür der Werkstatt und diskutieren, wohl über die Steinlausplage der neuen Saison.
Na sowas! Da war ich auf der Insel schon in mehreren Steinbrüchen, im Museum der Marmorkunst, aber noch nie in einer privaten Werkstatt! Ob sie mich reinlassen?
Sie lassen mich rein. Weg mit dem Terrorwerkzeug! Monika will sowieso gleich nach Hause:
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Es gibt ja auch stille Phasen bei der Arbeit in der Werkstatt. Marmor glätten kann man auch mit der Hand:
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Und Theodoris Vidalis, dem die Werkstatt gehört, muß ohnehin noch den Entwurf für ein neues Fenster-Oberlicht anfertigen, Bleistift auf Marmorgrund:
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Hier in der Werkstatt entsteht ein volles Spektrum von Marmorarbeiten. Nein, hier wird nicht nur „Kunst“ produziert. Es kann auch mal ein neu-altmodischer Waschtrog mit eingebautem Marmor-Waschbrett (!) sein, das die Nonnen eines Klosters bestellt haben.
Klar, die haben einen 6000-Euro-Miele-Waschautomaten im Keller, aber sie brauchen wohl was, um ihre Novizinnen zu quälen …
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Wenn Sie sich über den Lebenslauf und das Spektrum der Arbeiten informieren wollen – es gibt zwei websites:
Monika Brand:
http://marmorskulpturen.npage.de/
Theodoris Vidalis:
http://www.theodorisvidalis.gr/
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Was Sie da nicht sehen, ist die Aussicht Richtung Meer und Hafenort. Hm, bei dem Panorama könnte ich die halbe Zeit nicht arbeiten:
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Und natürlich sind in der Internet-Präsentation auch solche Bagatellen nicht dargestellt, die überall auf der Insel aus Marmor hergestellt werden. Es gibt fast nichts an Alltagsgegenständen, das man nicht aus Marmor fertigen kann … von der Ikonostase zur Windrose, vom Grabstein zum Blumentopf, von der Tischplatte zur liebenswert-kitschigen Fenster-Verzierung:
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Bitte beachten: Die Arbeiten in den letzten drei Fotos stammen nicht aus der Werkstatt von Theodoris Vidalis, es waren einfach Zufallsfunde, die man quer durch die Insel finden kann!
Hier gibt es schließlich zahlreiche Marmor-Bildhauer, nur sind ihre Werkstätten – aus gutem Grund – oft etwas abgelegen.
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Und wenn Sie auf der Tinos-Reise mit ihrem treuen Hund unterwegs sind – vor dem Besuch einer Marmor-Werkstatt können Sie ihn hier abgeben. Er wird dankbar sein:
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Und wenn Sie sich speziell für die Steinlaus (petrophaga lorioti) interessieren:
https://de.wikipedia.org/wiki/Steinlaus

2 comments

  1. Also gut, in Zukunft werde ich mich nicht mehr mit archaisch-handwerklichen Berufsbildern befassen. Wir leben ja im Zeitalter der Dienstleistungen …
    Die Zeit stellte jetzt eine Fachtagung vor (irgendsowas mit Digital-Gedöns). Unter den dort agierenden Fach-Prominenten ist eine Frau Dr. M., und die ist “Key Researcher (beim) RoboPsychology Ars Electronica Futurelab”!
    Wau, deren Arbeit müßte man mal vorstellen! Wenn mir vielleicht einer das mal übersetzen könnte …? Key Researcher, hm ja, ein Schlüssel-Forscher … klar, zum Öffnen mancher Hotel-Türen braucht man schon wissenschaftliche Grundkenntnisse! Ob es so ein futurelab in Griechenland überhaupt gibt?

  2. Also der unten verlinkte Film handelt nicht nur von der Marillen-Verarbeitung (in Schnaps, Marmelade, Knödeln usw.) im Vinschgau (Südtirol), sondern auch schwerpunktmäßig von der Marmorgewinnung und Marmorbearbeitung. Und im Laaser Gebiet gewinnt man den weißen Marmor nicht nur im Tagebau! Und wenn Sie den Dialekt der Einheimischen nicht verstehen, mir ging es genauso …
    Und wenn Sie sich nicht für Obst interessieren, um Marmor geht es zwischen der 21. und 30. Minute des Films:
    http://www.br.de/mediathek/video/video/marillenzeit-im-vinschgau-100.html#&time=
    Aber wir haben ja noch wikipedia für weitere Informationen – wenn die BR-Mediathek ihren Beitrag mal löscht:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Laaser_Marmor

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