Alles so schön ZU hier …

10.10.2007  Das soll heute mein dritter Versuch in diesem Jahr sein, die “Schmuggler”-Strecke Theologos-Potamia zu überwinden. (Bei Michael Müller die Wanderung Nr. 5)

Ilka (Anthos Apartments) hat den heutigen Tag vorbereitet. Heute ist der einzige Tag, an dem ihre letzten Sommergäste … Dietmar, Magdalene, Klaus, Gertraud und ich … sowie Roos Gruwel, Ilkas Freundin und Thassos-Wanderführerin … gleichzeitig Zeit haben. Die vier anderen Anthos-Gäste sind gestern erst gekommen (nicht gut für die Füße …), ich muß morgen schon wieder weg.

Ilka hat sich diesen Tag seit langem reserviert – und für Roos Gruwel ist die Wandersaison bereits beendet. Ihre letzten Wandergäste haben die Thassos-Imker mit ihrer Massenkonzentration von Pinien-Honig-Bienenkästen im Insel-Nordosten vertrieben. Roos Gruwel ist außerdem krank, die Grippe, und sie fühlt sich morgens definitiv noch so, als müßte sie die Verabredung absagen.

Ilka hat sie jedoch mit Engelszungen überredet … nein, Roos, du sollst doch nur mitkommen, wir brauchen keine Wanderführerin, und wollen keine Vorlesungen über die Naturphänomene, und wir entscheiden alles demokratisch …

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10 Uhr 30, Theologos. Da wandern sie los, die sieben Demokraten im besten Wanderalter. Ilka ist mit … (Angabe gestrichen) Jahren … 🙂 … die Jüngste von uns. Und sie war gestern noch beim Friseur zum Haareschneiden … klar, bringt Windschnittigkeit und ein besseres Wandergewicht … 🙂 … dafür trägt sie nun einen Großteil des von ihr selbst komponierten Gemeinschafts-Picknicks in ihrem Rucksack! Inklusive eines großen Beutels kalter Pellkartoffeln.

Pellkartoffeln? Hat ihr Mann Stelios drauf bestanden: Stärke gibt Kraft! Stelios ist jedoch Grieche. Und er hat vorgestern die Eros auf’s Land gezogen, das Thassos-Ausflugsboot, auf dem er den Sommer verbracht hat. Stelios ist jetzt zu Hause, wo’s warm und gemütlich ist. Aber Griechen gehen freiwillig sowieso nicht zu Fuß, höchstens zum Zigarettenholen …

Noch scheint die Sonne, aber vor uns steht eine graue Wolkenwand. Uns weht ein steifer kalter Wind entgegen. Ja, es ist Oktober …!

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Roos wählt den Weg am Nordhang. Gut. Ich kannte nur den unteren Weg am Bach im Grund des Theologos-Tals. Der obere Weg setzt uns dem Wind aus, hat aber eine bessere Aussicht. Langsam, aber stetig geht es aufwärts über die grobe Schotterpiste. Immer unterhalb des Berges, der weißgrau und kahl über uns steht. Nein, da oben war kein Waldbrand, der Berg war immer schon völlig unfruchtbar …

Noch ist es ein Spaziergang. Der Gegenwind weht uns zwar öfters das Wort aus dem Mund, egal. Hauptsache, es bleibt trocken. Ein paar Kehren … ah, das Meer, und da unten das Inselchen Kinira … noch ein paar Kehren, und da liegt die kleine Illias-Kirche vor uns, unser Picknickplatz! Hier beginnt der Abstieg durch den “Dschungelwald” (Antje und Gunther Schwab).

Gerade kommt das deutsche Paar aus dem Wald zurück, das mit uns an der Bushaltestelle in Theologos gestartet sind, aber einen schnelleren Schritt draufhatte. Hey, wieso zurück, Leute? Sie befürchten, daß sie den letzten Bus in Potamia nicht mehr erreichen, und wollen lieber zurück zur Basis Theologos. Mehr verraten sie nicht. Aha … egal, wir werden ja abgeholt da unten …

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Wir ziehen uns in die Kirche zurück. Im Vorraum ein Tisch und exakt sieben Stühle. Der Wind heult ums Haus. Mini-Keftedes, Pizzadakia, Tiropites, Sesamringe, Obst, Feta, Tomaten, Gurken, Salami breitet sich auf dem Tisch aus. Pause, Heiterkeit. Übernachten ließe sich hier zur Not auch. Aber Wasser gibt es keins …

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Hm, vier verschiedene Kerzenpreise, aber nur eine Sorte Kerzen. Nein, diese Griechen …

So, die Reste zusammengepackt. Rucksäcke auf. Jetzt geht es nur noch abwärts!

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Zunächst treibt uns der Wind noch an. Jetzt als Rückenwind. Potamia ist schon zu sehen. Da ist der Weg, auf dem die beiden Deutschen vorhin zurückkamen … und … nun ja … ein paar hundert Meter weiter ist er auch schon zu Ende. Die letzte Fußspur verschwindet im mannshohen herbstlich braunen Farn-Dickicht. Roos ist irritiert, aber das hier ist auch nicht ihr Revier. Der Waldweg auf dem steilen, dicht überwucherten Hang ist oft nur gerade zu ahnen, da ist es für sie viel zu schwierig, eine Tour-Gruppe zusammenzuhalten.

Und an einer winzigen roten Markierung sind wir doch vor fünf Minuten vorbeigekommen. War das der Weg, nach rechts? Zurück? Oder mal abwärts, um eine Abkürzung zu diesem “offiziellen Weg” zu finden? Ilka und Gertraud sind schon unterwegs, krebsen auf Rufweite, aber unsichtbar irgendwo unter uns herum. Nein, kein Weg, absolut kein Weg, hören wir, aber es geht noch weiter …

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Da, gegenüber auf dem Hang, das ist doch der berühmte Serpentinenweg! Verdammt weit weg. Aber da kommen punktgroß zwei Leute hoch. Fünf Augenpaare folgen ihnen … jetzt sind sie weg, und jetzt … hey, die Punkte laufen zurück! Zurück? Nur ein paar Minuten vor dem Ziel kehren die um? Das macht doch keiner freiwillig! Die kommen da auch nicht weiter!

Also … demokratische Entscheidung … sollen wir es aufgeben? Sollen wir lieber nach Kinira runter? Dieser Weg ist eindeutig. Jetzt ist es fast drei Uhr. Nochmal verlaufen dürfen wir uns nicht mehr. Dornenrisse in Händen und Beinen, und wenn dieses Farngewucher naß werden sollte, gibt es kein Halten mehr …

OK, Kinira. Nochmal an dem roten Punkt vorbei, noch eine Diskussion. Dietmar will da gerne runter, zur Not alleine. Nein. Diesmal keine demokratische Entscheidung. Roos verbietet es ihm … das ist heute keine “Tour” von ihr, die sie zu verantworten hat … aber so lange sie dabei ist, trennt sich keiner von der Gruppe und geht alleine woanders hin.

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Eine lange Schleife ums Talende herum. Der Weg nach Kinira zieht sich hin, dafür scheint jetzt aber die sinkende Herbstsonne. Inzwischen wurde schon ernsthaft erwogen, ebenfalls zum Startort Theologos zurückzulaufen, und Ilka hatte per Handy bereits die Autos alarmiert, die uns dort abholen sollen. Aber jetzt sind alle wieder munter, und von dem kleinen Gebetshäuschen Agia Kiriaki aus geht es wirklich nur noch abwärts, nach Osten, dem Meer entgegen. Zweieinhalb Stunden abwärts. OK, Ilka dirigiert die Autos wieder um …

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Es ist natürlich auch ein sehr felsiger Weg, und an drei Stellen ist er von Steinlawinen verschüttet, über die vorsichtig geklettert wird. Das letzte, was wir jetzt noch bräuchten, ist, daß sich jemand den Fuß bricht …

(Dabei hat inzwischen Magdalene blutige Zehen, ganz übel sowas beim Abwärtslaufen … aber sie sagt nichts, um uns nicht zu besorgen, läßt sich am Ende jedoch sofort zum Arzt fahren, und ist eine ganze restliche Urlaubswoche krank. Und Ilka reißt kurz vor dem Ziel die rechte Schuhsohle ab, die ihr Roos mit dem Schuhriemen zusammenflickt.)

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Noch vorbei an diesem ausgestorbenen Dörfchen. Da, endlich ein richtiger Schotterweg. Weiter abwärts. Da, das lets-go-Thassos.com Auto! Geschafft. 18 Uhr 15. Ilkas Tochter Marie-Elena und ihr Freund Vassili holen uns ab. Die beiden warten schon etwas länger …

So ist das, ich komme in Griechenland ohnehin selten da an, wo ich eigentlich hinwollte. Aber es war mal wieder ein verdammt schöner Tag! Roos geht es auch wieder besser, ja, die frische Luft. Sie und ich überlegen nun im Auto, was schöner ist: Jetzt erst ein kalter Wein, und dann in die Badewanne … oder ein kalter Wein, während man im warmen Bad … oder erst ein Bad und dann ein Wein …?

Immer diese Entscheidungen. Roos läßt sich in Potamia raussetzen, sie nimmt das Bad zuerst. Ich nehme den Wein. Und Klaus und ich sitzen jedenfalls noch bis morgens um halb drei auf der Anthos-Terrasse und quatschen. Der Rest der Wanderer träumt schon. Dann ist der allerletzte Tropfen Retsina weg … kali nichta … verdammt schade, daß schon in neun Stunden mein Delfini nach Kavala geht …
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4 comments

  1. aaach, wie schön:

    Das Ziel nicht erreichen, sich mehrmals verlaufen, unwegsames Gelände, Verletzungen, Mensch- und Materialermüdung – das wäre eine Wanderung nach unserem Geschmack gewesen! Wir hoffen, wir sind das nächste Mal dabei.

    Liebe Grüße
    Marliese und Wolfgang

  2. Hallo Klaus, bitte genauer definieren … was ist “der Schluß”, und wo fängt der Schluß im Bericht oben an? War etwa noch was zu trinken da …? 🙂 Theo

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