Thessaloniki – 100 Jahre Zeitenwandel

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Ein Thema, das mich nicht loslässt, ist der Blick auf den Wandel von der osmanischen Ortschaft Saloniki zum nordgriechischen Fixpunkt Thessaloniki. Was hat sich hier in 100 Jahren nicht alles verändert!
Oben eine Ansichtskarte aus der Zeit, als Saloniki und Makedonien nach den Balkankriegen an Griechenland abgetreten werden mußten (1913) – ein türkisches Paar am Brunnen vor der Zitadelle von Saloniki – schon mißtrauisch beobachtet von einem uniformierten Herrn im Hintergrund. Der Bevölkerungsaustausch sollte ja später noch kommen …
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Eigentlich die reine Idylle, oder? Wenn man sich nicht fragt, warum ausgerechnet sie den Wasserkrug schleppt und nicht er …
In der Zitadelle selbst war es weniger idyllisch. Griechische Gefangene („Salonique: Prisonniers Grecs“) hinter Gittern zeigt diese Ansichtskarte aus der gleichen Zeit:
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Lange Zeit war die Zitadelle ein Gefängnis. Heute wird das Gebäude zivil genutzt, für Veranstaltungen und Ausstellungen. Aber es ist kein Ort, wo man sich wohlfühlt.
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Hochkonjunktur hatte die Postkarten-Industrie in Saloniki während des ersten Weltkriegs, als die Stadt das Versorgungszentrum der alliierten Armeen an der bulgarischen Front war. Der Kontakt nach Hause ins Commonwealth oder nach Frankreich lief oft über Postkarten:
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Nachschub für die Artillerie
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Im französischen Hauptlager
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Englische und französische Soldaten kämpfen gegen das katastrophale Feuer, das die halbe Stadt vernichtete (1917).
Man hatte der alliierten Armee allerdings vorgeworfen, daß sie sehr selektiv vorgegangen war, in erster Linie, um sich selbst und die kriegsnotwendige Infrastruktur in Innenstadtnähe zu retten.
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Und wie grün und geräumig war es damals noch in den unmittelbaren Randzonen des Zentrums! Hier der Hamidié-Brunnen 1917, umringt von Pferdekutschen. Im Hintergrund wohl ein muslimischer oder jüdischer Friedhof …
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… verschickt am 26.11.1917 vom Infanterie-Offizier Alfred Libis an „Madame Alfred Libis“ (!), seine Gattin in Paris.
Der Brunnen, den Sultan Abdul Hamid 1889 den Bürgern von Saloniki „geschenkt“ hatte, ist heute noch erhalten, aber nur als getreue Nachbildung. Er ist jetzt bekannt als Sintrivani-Brunnen (>A) und steht mitten im Verkehrsgetümmel des Sintrivani-Platzes (Plateia Sintrivaniou – Foto: Google Earth):
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Wie viel freier Raum vor 100 Jahren noch um den Weißen Turm (Λευκός Πύργος) geblieben war! Und wie niedrig die Häuser waren! Ursprünglich stand der Turm hinter einer Festungsmauer, die 1917 abgerissen wurde:
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Und wie bescheiden war die Gastronomie am Ort:
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Auch dem Weißen Turm ist heute die großstädtische Architektur und der Autoverkehr nahegerückt. Hinten links (und gut hinter Bäumen versteckt) mein Lieblings-Café in der Gegend, das „Pirgos“ (Foto: Google Earth):
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Uferpromenade am Weißen Turm 2018: Wegen der Luftverschmutzung im Umfeld werden jetzt Frischluft-Blasen in der Stadt eingesetzt, die an besonders belasteten Stellen zerplatzen. Ja, fresh air for future … 🙂 …
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Zum Abschluß noch einmal am Wasser entlang bis zum Aristotelous-Platz (Πλατεία Αριστοτέλους). So anheimelnd ruhig sah es noch vor 100 Jahren auf der Uferpromenade
(Leoforos Nikis, Λεωφόρος Νίκης)  aus:
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Unten die Platia Aristotelous, gesehen aus der Luft 1957. Man sieht – auch Jahrzehnte später hatte man den nach dem Großbrand von 1917 freigeräumten Platz nicht völlig eingerahmt mit pompöser Großstadt-Hochhausarchitektur:
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Und – weiter unten – so ist es heute. Am Ende der Fußgängerzone (Odos Aristotelous), die von der Römischen Agora bis zum Thermaischen Golf führt, wird es schon leicht eng (Foto: Google Earth).
Hier gibt es sogar einen Zebrastreifen mit Fußgänger-Ampel, der Sie über die Leoforos Nikis zum Kai führt. Aber bevor Sie die Straße betreten, vergessen Sie nicht, Sie sind in Griechenland:
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PS. Wenn Sie von der Agora zum Meer wollen, nehmen Sie mal nicht die Fußgängerzone. Biegen Sie rechts ab in Richtung der Markthallen, dort halten Sie sich links und spazieren durch ein jüngst gentrifiziertes Viertel mit engen Straßen mit einigen großstädtisch anmutenden Läden und Lokalen.
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