11 Ioannina – Nea Yorki Bar

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Abends unterwegs in der Altstadt von Ioannina, Verdauungsspaziergang, vielleicht noch ein Absacker? Zu kalt für die Gartenkneipen am See. Und am Südrand der Altstadt ist nicht viel los. Aber was ist das …?
Pandocheion Nea Yorki?
Eine Kneipe! Vertrauenswürdig sieht der Laden nicht unbedingt aus, aber die Dame an meiner Seite ist ausgerechnet in New York geboren, und sie heißt ausgerechnet Joan … ihre Augen leuchten! Sie will da jetzt rein …

Innen sind ihre leuchtenden Augen schon fast die stärkste Lichtquelle. Die Kneipe ist voll, Kartenspieler, Tavlispieler, der Rauch über den Tischen so dick und graubraun, wie sich Edgar Wallace immer Londoner Novembernebel gedacht hat … und keine Gespräche. Man unterhält sich mit den Augenbrauen und den Fingern. Reine Konzentration auf das Spiel. Spielsteinklappern, Kartenmischen. Intimität.
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Keiner der Gäste nimmt uns zur Kenntnis, als wir uns einen Platz suchen. Da sitzen wir nun, vor uns zwei Wassergläser Ouzo … unter dem Tisch, in meinem chinesischen Einkaufsbeutel steckt die Kamera. Sie tritt mir quasi gegen das Schienbein: Hol mich raus, du mußt das hier fotografieren, du mußt!
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Ich würde das auch gerne fotografieren, aber die Stimmung ist doch gar nicht wiederzugeben! Ruhe da unten! Ich kann doch jetzt nicht aufstehen und sagen, haltet alle mal schön still, für die Ewigkeit muß ich das festhalten …
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Plötzliche Unruhe, Tavlikästen werden hastig zusammengeklappt, Kartenspiele eingesammelt, verknitterte Geldscheine werden auf die Tische geworfen. Aufstehen, Mütze auf den Schädel, stummes Abschiedsnicken. Innerhalb von zehn Minuten sind alle Gäste weg. Meine Gewissensquälerei ist vorbei! Aber wo wollen sie alle hin? Das Nea Yorki hat keinen Fernseher. Fängt jetzt zu Hause die Nacht-Sportschau an …?
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Am nächsten Mittag sind wir wieder da … metrio parakalo … und ja, der Kellner spricht englisch. Und Zeit hat er mittags auch. Ich erzähle ihm von gestern abend: Ich hätte ja gerne … aber es war mir zu peinlich … ich hab schon öfter solche Szenen fotografiert, aber hier kennt mich ja keiner. Eben darum. Er lacht. Hier fotografieren …? No problem. Tue es doch jetzt! Mich zuerst! Ela!
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Na dann … die wenigen Mittagsgäste sitzen jedoch draußen im Schatten. Wenigstens die Kaffee-Produktion habe ich festgehalten.
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Die städtischen Kneipen verschwinden in Griechenland so wie bei uns im Ruhrgebiet. Ja, die “bodenständigen” Kneipen, wo du zwischen den Nachbarn an der Theke stehst oder vor der Tür sitzt und keiner nach Beruf und Meriten fragt …
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Leider. Noch vor ein paar Wochen habe ich in Thessaloniki und Kastoria und Kavala danach gesucht. Es gibt sie noch, die Kneipen … als Randerscheinung zwischen Fast-Food-Bars im Stahldesign und Cafés im Pseudo-Lederdesign … aber es gibt in den alten Café-Bars gewöhnlich Bildschirme mit Internet-Lotterien, Breitwandfernseher mit Sport und Werbung, und ich bin der einzige, der einen Ouzo bestellt, der Rest hat es lieber alkoholfrei.
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Aber geraucht wird gelegentlich noch, ohne dazu vor die Tür zu gehen …
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1. Nachtrag 24.01.08: Das Nea Yorki ist filmbekannt, stelle ich gerade fest! Theo Angelopoulos hat für “Landschaft im Nebel” (Topio Stin Omixli, 1988) eine lange Szene hier auf dem Platz vor der Bar spielen lassen:
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2. Nachtrag 29.01.08 Inzwischen habe ich einen geschärften Blick für Angelopoulos und seine Drehorte. Auch in “Die Wanderschauspieler” (O Thiassos, 1975) gibt es eine Szene aus dem griechischen Bürgerkrieg vor der Nea Yorki Bar:
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