Folegandros 4 – drei Touren im Nordwind

Folegandros Westteil
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Der Blick vom Serpentinenweg zur Kirche der Panagia von Chora zeigt uns fast den ganzen Westen der Insel Folegandros. Man sieht auch, wie der Nordwind die Brandung gegen die Insel drückt. Ständig wechselte in den Mai-Tagen der Wind von Nord auf Süd und zurück auf Nord (bei Nordwind = kalt und klar, bei Südwind = wärmer und um die Höhen sogar neblig). Aber Wind gab es immer, zum Strand zogen nur die Hartnäckigsten.
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Vor meiner ersten Rundwanderung (Weg 01 Chora – Agkali und zurück) saß ich abends noch vor dem Kritikos. An den Sturm hatte man sich ja gewöhnt. Wein und Vorspeise ist serviert, da sieht man die ersten Leute besorgt zum Himmel zeigen. Ein Gewitter zieht auf. Zwei Minuten später schüttet es los. Das Kritikos hat keinen überdachten Innenraum, und keine Sonnenschirme (es hat erst seit gestern geöffnet), also essen die drei Gäste eben in der Küche.
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Folegandros Kritikos Küche
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Die beiden anderen Gäste kommen aus Australien, Tony und Trish, sie sind acht Wochen am Mittelmeer unterwegs, sind in Mailand gelandet, über Venedig und Slowenien sind sie adria-abwärts gezogen. Morgen wollen sie weiter nach Ios. Wir sind schnell im Gespräch, auch mit dem Inhaber des Kritikos und seiner bulgarischen Freundin. Es kommt ja kein weiterer Gast. Am Ende ziehen wir in die Mikro Kellari Bar, da ist es bequemer. Obwohl es dort voll ist, im Fernsehen läuft die Champions League. Der Regen hat aufgehört, aber die Stühle des Kritikos sind jetzt durchgeweicht. Da konnte man nicht bleiben.
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Der Film über die Rivalität der US-amerikanischen und australischen Mafia mit John Goodman heißt übrigens „Dirty Deeds“, Tony.
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Folegandros Luftbild
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Quelle: Google Earth
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TOUR 1:  CHORA – AGKALI
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Folegandros WegweiserDer nächste Morgen ist klar und sonnig. Kalliopi zaubert wieder eine neue Version von ihrem Spezialfrühstück, und schon bin ich unterwegs. Αγκάλη (transkribiert als Agkali oder Angali) ist das Ziel. Es ist ein unfreiwilliger Rundweg. Warum? Der Bus Richtung Westen verkehrt nur zwei Mal täglich, morgens um 8 und mittags um 13 Uhr. Er orientiert sich am Bedarf der Schulkinder. Agkali hat überhaupt keine Anbindung an den Bus – zur Bushaltestelle muß man 1,2 Kilometer den Berg hoch.
Also: Ein Stück auf der Straße Richtung Ano Meria – macht nichts, zur Zeit gibt es praktisch keinen Autoverkehr. Auf der ersten Höhe muß man nach links, aber man geht lieber zunächst nach rechts, einen Feldweg entlang. Am Abhang zur Steilküste findet man ein schönes Ensemble aus drei stillgelegten Windmühlen:
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Folegandros Windmühlen
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Zurück und über einen schmalen Fußweg Richtung Westen. Die Zeitangabe an dieser Stelle „Agkali 30 Minuten“ ist eher ein übler Witz. Sie werden für die 2,5 Kilometer viel länger brauchen, da sie auf jeden Schritt achten müssen und einige Male anhalten werden, um das Panorama zu genießen. Die Kapelle des Christós ist ein guter Platz.
Sie sehen rechts am Ende der Vathy-Bucht die ersten Häuser des Ortes, und in der Mitte den Strand von Agios Nikolaos (20 Minuten lohnender Fußweg von Agkali):
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Agkali Bucht Folegandros
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Der Weg 01 ist auch mit FI markiert, denn er führt zunächst zur Bucht von Fyra. Steil bergab und dann durch einen Hohlweg, den das Regenwasser im Winter zerfurcht. Versprechen Sie sich nicht allzuviel vom Strand von Fyra. Im Sommer wird hier ein Strandcafé improvisiert, dann wird es drüben am Sandstrand von Agkali nämlich viel zu voll sein:
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Fyra Bucht Folegandros
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Agkali ist ein ziemlich nichtssagendes Sommer-Dörfchen. Hier wird im Mai noch an allen Häusern gearbeitet, der ganze Ort riecht nach frischer Farbe. Nur das Café „Ammoudia“ hat auf. (Die Inhaberin ist eine gute Freundin von „meiner“ Kalliope …)
Den Weg (03) zum (unbewirtschafteten) Strand des Aghios Nikolaos sollten sie nicht auslassen, auch wenn sie gar nicht dort nackt baden wollen.
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Die Betonpiste hinauf zur Straße Ano Meria – Chora, das wird sich mancher gerne sparen wollen. Da bleibt nur ein: Das einzige Taxi von Folegandros kommen lassen. Es gibt auch zwei gut versteckte Fußwege zur Höhe. Ich bin hinauf zur Straße, denn der Weg nach Chora auf der Höhe ist am Nachmittag wunderbar. Kühlender Nordwind, die Sonne im Rücken, der beste Blick auf die Steilküste unterhalb von Chora (siehe Folegandros 1, erstes Foto).
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Und lassen Sie sich nicht vom irritierten Blick des Esels neben dem milkafarbenen Autowrack stören. Von den Einheimischen geht ja keiner freiwillig zu Fuß.
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Folegandros Milka Esel
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TOUR 2:  CHORA – ANO MERIA (Taxiarchis)
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Wenn Sie nicht den frühen Bus nehmen, haben Sie bis zum westlichen Ende des Streudorfes Ano Meria sechs Kilometer Asphaltstraße vor sich. Vor der Polizeistation des Dorfes am östlichen Ende ist es sogar recht steil.
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Ano Meria Folegandros
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Ano Meria, die Mühlen von Stavros und Aghios Georghios im Hintergrund.
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Ano Meria Folegandros 2
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Ano Meria, Getreidegarben (links im Hintergrund die Insel Sikinos)
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Überall sind heute die Bauern unterwegs, um Heu zu bündeln und Getreidegarben zu binden. Einer produziert exakte, mit den Füßen zusammengestampfte Heu-Quader, mit Hilfe einer Holzkiste, in der er vorher Stricke zum Zusammenzurren ausgelegt. Hätte man ein schönes nostalgisches Video machen können von seiner Stopf-Arbeit. Ich stehe da und schaue ihm zehn Minuten aus der Ferne zu.
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Meine Absicht war, ab Ano Meria den Weg 08 zur Bucht von Serfiotiko an der Nordküste zu laufen, aber das habe ich bald aufgegeben. Ein schrecklich zugewachsener steinig-steiler Fußweg. Trotzdem, den letzten Bus Richtung Chora lasse ich davonfahren (der Bus ist älter als sie selbst, hat Kalliope gesagt):
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Folegandros Insel-Bus
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Ich laufe noch westwärts, bis mir im Ortsteil Taxiarchis vier müde Wanderer entgegenkommen, von denen einer matt mit „Grüß Gott“ grüßt. Grüß-Gott-Sager sind Biertrinker …
Und in Ano Meria sind alle Tavernen zu (Mimmi’s, Kyria Maria), bis auf eine:
„Irene’s Restairant (!)“ bzw. Irinis Kafepantopoleio, also Irenes Café und Dorfladen.
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Irenes Ano Meria Folegandros
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… und jetzt heißt es umkehren und sich echt beeilen! Bei Irini gibt es nur einen guten Sitzplatz auf der winzigen 2-Tisch-Terrasse mit guter Aussicht auf das Landleben! Als die vier Biertrinker eintreffen, sitze ich schon bequem auf meinem Stuhl, habe mein Mythos vor mir und warte auf meinen Salat (mit Frischkäse vom Schaf statt Feta)!
Die Viererbande aus Bayern und Schwaben muß sich mit dem unbequemen Tischchen neben den leeren Gasflaschen zufrieden geben. Gut, einer von ihnen teilt sich mit mir den „schönen“ Tisch:
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Irenes Ano Meria
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Wir kommen ins Quatschen, über Griechenland, die Mönchsrepublik Athos, Samothrake, Karpathos, über Familienfeiern, das Steuersystem, das Internet (einer kennt meine Website und auch die von Katharina), und das Bier fließt.
Bevor das Taxi kommt, um die vier Wanderer einzusammeln, ist auch noch ein halbes Dutzend Dänen aufgetaucht, Stammgäste, die hier oben zu wohnen scheinen. Sie verkrümeln sich nach innen, sitzen unter Irinis Tante-Emma-Laden-Regalen und essen eine Kleinigkeit (auch ganz gemütlich). Sie verabschieden sich schnell:
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Folegandros Insel-Taxi
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Ein kurzes Gewusel, mitten drin der Hund des Hauses, dann sind Irini und ich alleine. Sie schüttelt den Kopf, als sie die leeren Dosen einsammelt: Daß die Deutschen immer so viel Bier trinken müssen …
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TOUR 3:  HORA – PETOUSIS – LIVADHI – KATERGO – KARAVOSTASIS
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Südwind, Nebelschwaden. Bis Petousis kahles ödes Land, aber eine breite Asphaltstraße, die von 2001 bis 2006 gebaut wurde. Wofür? In Petousis leben 20 Leute … und eine Menge Ziegen und Schafe, aber die brauchen keine Straße:
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Petousi Folegandros
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Der Weg, den ich heute vor mir habe, wird auch einmal im Jahr von den Einheimischen abgelaufen. (Kalliope läuft immer mit.) Eine feierliche Prozession, mit dem Abbild der Panagia aus der Kirche auf dem Felsen.
Hinter dem heute vernebelten Dörfchen Petousis wird der Weg zu einem Ziegenweg (05) durch das Hochtal Richtung Livadhi. Ein radikaler Wechsel zur Straße, gut zwei Kilometer über grobes Geröll. Das geht auf die Gelenke. Zur Orientierung dienen die Steinhäufchen (vorne links):
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Petousi Livadhi Weg
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Katergo TerrainkarteLivadhi ist wieder so ein Nichts von Ort, hier endet die Betonpiste, die vom Hafen kommt. Unterhalb des Dorfes wechselt der Wanderweg von (05) auf (04), über die Höhe zur Bucht von Katergo.
Der Weg, der von Süden zur Bucht führt, ist ganz angenehm, vor dem Weg, der Richtung Norden wieder in die Steilküste hineinführt, wird nachdrücklich gewarnt.
Ganz selten, daß in den Terrain-Karten solche Warnschilder eingezeichnet sind!
(Kartenausschnitt: Terrain Folegandros 1:15.000)
Katergo ist schon einer der schönsten Plätze der Insel …
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Katergo Bay Folegandros
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… aber die gefährliche Strecke habe ich mir natürlich erspart, bin zurück bis Livadhi, und über die Betonpiste zurück zum Hafen von Karavostathis, vorbei an drei weiteren Badebuchten, die mit Katergo nicht mithalten können. Eine mühsame Strecke an einem Nachmittag, der nun von Nebelschwaden auf strahlende Sonne gewechselt hat. Am Campingplatz von Livadhi liegt mitten auf der Straße der Wachhund in tiefem Schlaf. Er rührt nicht einmal das Augenlid, als ich an ihm vorbeigehe.
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Bus Ticket FolegandrosIch falle im Fischrestaurant „Kalymnios“ in Karavostathis auf einen Stuhl im Schatten. Bier und Kochfisch, in einer Fischbrühe, die mit so etwas wie überkochtem Milchreis so angedickt ist, daß der Löffel drin stehen bleibt (schade drum, aber der Fisch war gut). Ein uncharismatisches Plätzchen, dieser Hafen. Bis der Bus kommt, ist noch Zeit für ein Glas im „Kali Kardia“.
Der SeaJet2 läuft ein um 19 Uhr. Darum kommt der größere und modernere der beiden Folegandros-Inselbusse zum Einsatz (auch schade). Aber kaum einer steigt ein.
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Eine weitere Tour wird es auf Folegandros nicht geben, morgen früh geht es mit der Artemis nach Sikinos.
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Ach so, was hat mich überhaupt bewogen, nach Folegandros zu kommen …? Vor zwei Jahren hatte ich mir die Telekarta mit dem Motiv „Folegandros“ gekauft, und die wollte ich natürlich auf der Insel selbst abtelefonieren – kurz vor dem Verfallsdatum. Hat aber nicht geklappt.
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OTE Telekarta Folegandros
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6 comments

  1. „Ein uncharismatisches Plätzchen, dieser Hafen.“ = ja, das hab ich auch im April gedacht auf meinem Weg von Anafi nach Sikinos. Obwohl Folegandros schon seit längerem auf meiner Liste steht, habe ich nach dem Anblick des trostlosen Hafenortes Karavostasis Folegandros von meiner Liste gestrichen. Zwar sollte man sich nicht durch den Anblick vom Hafenort abschrecken lassen und entscheiden, denn dann dürfte man so einige griechische Inseln nicht besuchen, ich hab es aber getan.

    Es ist ja auch schön mal eine Insel von seiner Liste zu streichen, dazu kommen eh immer neue.

    vg, kv

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