Kithnos 1: “I just lost a room …”

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Wo bin ich hier? Manchmal ist es im Leben etwas undurchsichtig. Blick vom Café Maistrali auf mein Haus am Hafen von Mérichas.
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„Shit. I just lost a room.“  George Vadivoulis lacht. Und er ahnt bereits, daß er in der nächsten Viertelstunde noch einen zweiten „room“ verlieren wird. Meinen nämlich. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Er hatte mich verabredungsgemäß in Mérichas an der Fähre abgeholt und beiläufig dieses etwas verwirrt blickende Paar angesprochen. Ob sie ein Zimmer bräuchten. Nein, sie hätten ein Zimmer. Sie nennen das Hotel. George wundert sich. Ein Hotel mit dem Namen gibt es nicht auf dieser Insel. George ruft zur Sicherheit noch irgendeine Insel-Autorität an. „No, there is no hotel with that name on this island!“
Die Frau holt einen Zettel aus der Tasche: “Look! This here … the name of the hotel. And it is here, on Milos island!”
George ist entsetzt: “Milos …? This is not Milos, this is Kithnos! Come on, run!“ Er greift nach ihren Taschen, rennt  mit ihnen im Laufschritt zurück zur Rampe. Im allerletzten Moment kriegt er die beiden aufs Schiff. Die Adamantios Korais hatte sich zum Glück ein paar Minuten länger als gewöhnlich aufgehalten.
Milos ist noch drei weitere Häfen bzw. vier Schiffsstunden entfernt … und der Fährenstreik, der in einigen Stunden beginnt, hätte das Paar fünf Tage auf der falschen Insel festgehalten.
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Geschafft! George (ganz links) trabt zurück. Nach der Rettung der Insel-Irrläufer.
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George, Kontseta Apartments in Mérichas, wäre mein Vermieter auf Kithnos gewesen. Er streckt die zartgrün farbenverschmierte Hand aus: „Finally … welcome!“
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Die Außentreppe zu den Kontseta Apartments schraubt sich über dem Hafen den Hügel hoch. George hatte mir schon ein Handy-Video (!) nach Deutschland geschickt, mit der Frage, ob ich mit meinem unfallgeschädigten Knie da sicher raufkäme. Ich war zuversichtlich. Das Handy-Weitwinkelobjektiv täuscht. George ist auch nicht mehr sicher. Ich soll mein Gepäck in seinem Auto lassen und erst die Treppe testen. Ich teste, aufwärts, abwärts. Die Treppe wäre ein reines Suizid-Mittel für mich. Und das Apartment ist mit Kreditkarte voll bezahlt.
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George könnte mir jetzt echte Schwierigkeiten machen. Tut er nicht. Ganz im Gegenteil. Er holt sein Mobiltelefon aus der Tasche, telefoniert und telefoniert. Er wird mir ein gleichwertiges Apartment besorgen, ebenerdig zugänglich. Er wird beim Griechenlandbeauftragten von booking.com in Barcelona (!) anrufen, damit mir die Vorauszahlung voll ersetzt wird. Wird sie auch, noch am selben Tag. (Der Mensch aus Barcelona ruft mich später noch an, um sich zu vergewissern, daß mir meine neue Unterkunft auch zusagt.)
Vier Anrufe im Ort, mindestens fünf von und nach Barcelona, dann setzt mich George wieder ins Auto und fährt mich wieder herunter zur Hafenstraße. Da steht schon jemand mit dem Zimmerschlüssel.
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Mein Ersatz-Apartment, in der Mitte, der Giebel abendsonnebeschienen.
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Der Ersatz ist nicht so stilvoll wie das Apartment im Kontseta, aber viel billiger, und die Aussicht ist fast besser! Meine Aussicht geht direkt auf den kleinen Anleger des Fischerei-Verbandes. Netze werden unten kontrolliert und gesäubert, aus Plastikwannen wird der Tagesertrag verkauft. Kann man auf einer Insel an einer besseren Stelle wohnen?
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George, der Wander-Enthusiast, und ich verabreden uns noch schnell auf einen Kaffee. Er will mir morgen sein Wandergruppen-Projekt vorstellen, das er auch im Internet bewirbt. Aber jetzt muß er schnell wieder nach oben, da warten Balkongeländer und Fensterrahmen auf neuen Glanz!
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Erst vier Tage später erfahre ich, bei wem ich wohne. Das Haus gehört der Oma des Familien-Clans, der auch das Fischrestaurant „Ostria“ am Jachtanleger betreibt. Ich bezahle bar beim Essen.
An dem Tag gibt es leider keinen Fisch, weil dort nur vor Ort frischgefangenes angeboten wird. Und heute hatten die Fischer nichts Brauchbares im Netz. „Pork in lemon sauce and patates“ sei das Tagesgericht.
Empfehlung am Rande: Essen Sie auch in einem sehr guten Fischrestaurant besser nichts, was auf fester Erde erzeugt wurde …
Oma Ostria spendiert mir zum “pork” noch einen halben Liter Wein und wünscht mir eine gute Weiterreise.
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Der Hafen von Mérichas, nur etwa drei Stunden vom Festland entfernt, ist ein beliebter Anlegeplatz für (meist kleinere) gemietete Boote. Eine dunkel lackierte 25-Meter-Motorjacht aus Delaware/USA fällt da schon auf …
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Das internationale Publikum auf den Mietbooten hat die Speisekarten der Lokale am Hafen geprägt: Pizza und Pasta satt, und Wein aus der Flasche statt aus der Karaffe.
Den weißen DRYOPAS Assyrtiko, lokal erzeugt, kann ich sogar empfehlen – gibt es glasweise und großzügig portioniert im Restaurant „Arapis“.
Am Nebentisch filmt ein Jachtmensch (graugewelltes Haar, blonde Begleitung im Abiturienten-Alter, bestimmt seine Tochter …) den Wirt, während er das Weinangebot vorstellt. Kostas, der Wirt, nimmt ihm das Mobiltelefon aus der Hand, richtet die Kamera auf sich und macht den Rest der Präsentation als Video-Selfie. Großes Gelächter, und die nächste Runde Assyrtiko ist verkauft.
Und ich kriege ein drittes Glas gratis, weil ich so ein netter Gast bin … 🙂 …
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So, kommen wir zur Insel selbst. Aber erst auf der nächsten Seite!
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