Folegandros 2 – Takis, Lisbet und Magia

Folegandros Taverna Pounta
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Taverna Pounta
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Ach, soll ich als nächstes jetzt Chora zeigen, das vielgerühmte Kykladendorf …? Ist ja ganz nett, aber es gibt so viele mindestens gleichwertige Kykladen-Orte (sogar solche, die gar nicht auf den Kykladen sind, sondern auf Astypalaia oder Skyros). Die Darstellung von Chora kann warten …
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Dienstag. Zu meinem Frühstück im Hotel muß ich über den Hof spurten, es regnet. Der Sturm hat dafür etwas nachgelassen. Mittags ist es trüb und still im Dorf, niemand sitzt draußen. Eine gute Gelegenheit, in Ruhe das Dorf samt dem Kastro-Kern zu sehen und zum Berg der Kirche der Panagia hinaufzusteigen. Erst am späten Nachmittag ist mein Spaziergang vorbei. Am dem dem Nordwind am stärksten ausgesetzten Platz (Platia Pounta) liegt die Taverne „Pounta“.
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Essen will ich noch nicht, aber vielleicht ein Mythos? Auch kalter Wind macht Durst, und Besuche auf dem örtlichen Friedhof müde. Ich setze mich an ein Café-Tischchen vor die Tür.
Es dauert, bis die Frau aus der Kaffeeküche sich nach draußen bewegt. Sie beugt sich vor, lächelt freundlich: „You want just a rest? No problem. It’s OK …“
(leise Antwort, leicht irritiert) „Yes, but …“
Sie bewegt sich schon wieder zurück. Vor einem anständigen griechischen Kafeneion kann jeder mal sitzen, auch ohne was zu verzehren.
(jetzt lauter, grinsend) „… but I would like to have a beer while I’m resting!“
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Sie lacht. Das Problem ist leicht lösbar. Und … statt einer Schale Chips gibt es zum Bier eine frischgepflückte rote Rose. Nette Geste, wieder großes Lächeln. Hinter der Kaffeeküche liegt ein blumenüberwuchertes Gartenrestaurant. Mehrere Ebenen, mittendrin eine alte Zisterne. Der Garten ist leer. Ist zu kalt.
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Mythos Rose Pounta
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Ich knöpfe die Jacke zu, halte die Nase mal in den Wind, mal ins Glas, beobachte die ambulanten Korbwaren- und Topfblumenverkäufer gegenüber. Nix zu tun. Siestazeit.
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Platia Pounta Folegandros
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Ich bezahle in der Küche, sehe dort die Dekoration an den Wänden. Viele alte Fotos von griechischen Musikern. Theodorakis und Hadjidakis sind auch dabei. Die haben doch nicht hier gespielt …?
Lisbet amüsiert sich: „The pictures are from the 50s! Nobody knew this island in the 50s!”
Ihr Mann hat die Fotos vor langer Zeit von einem Profi-Fotografen geschenkt gekriegt. Hier spielen nur Leute aus dem Dorf selbst. Instrumente liegen in der Ecke. Die (das?) Bouzouki gehört Takis, ihrem Mann.
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Die 50er
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Pounta Garten Folegandros
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Am übernächsten Abend bin ich wieder da. Wieder kaum Gäste im Garten. Der Wind hat aufgefrischt. Fischsuppe und vorher Kolokitho-Keftedes. Sehr gut! Ich spreche Takis auf die Fotos an. Er liebt den „europäischen“ Teil der griechischen Musik, der in den Fünfzigern in der griechischen Großstadt-Szene noch stark vertreten war. Rebetiko war nicht alles. Takis kommt ins Schwärmen.
Ich interessiere mich auch dafür, betone ich, habe so einige Platten aus der Zeit. „Zum Beispiel das, was gerade läuft, Magia Melagia …“
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(Die Sängerin war damals durchaus bekannt, und ihre … äh … oft verruchte Darstellung nicht unumstritten. Sie hat das Lied zuerst aufgenommen, das Sophia Loren 1957 im Film „Boy on a Dolphin“ auf Griechisch singt: What is this thing they call love = Tι΄ναι αυτό που το λένε αγάπη. Magia hat es ihr beigebracht.)
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Takis stutzt: Das sei nicht Magia Melagia! Aber er könne mir eine CD von der Dame vorspielen. Steht auf, stapft in die Küche, kommt umgehend wieder heraus, kopfschüttelnd, zerknirscht. Ich habe Recht, es ist Magia Melagia!
Takis ist fassungslos. Neben der Küchentür sitzen ein paar ältere Griechen beim Essen. Er stützt sich auf die Tischkante: Da kommt dieser Deutsche daher und kennt sich in seiner Musik aus, erkennt sogar Magia Melagia, die doch sonst keiner mehr kennt. Eher als er selbst! Applaus in meine Richtung, ein vierfaches „bravo“. Magia Melagia sei vor ein paar Monaten gestorben, höre ich.
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Mein Beileid. Aber mein Abend ist gerettet … 🙂 … nur muß ich das Thema jetzt schnell wechseln. Reden wir über Fußball! Sonst erkennt Takis, daß ich doch nicht der große Musik-Retro-Experte bin …
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Pounta Takis Folegandros
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Takis
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Am nächsten Abend bin ich wieder da, mit der Kamera, wie verabredet. Leider habe ich schon gegessen, am späten Nachmittag am Hafen, im „Kalymnios“. Eine große Portion Fisch, σκαθάρι (Skathari) sei der griechische Name, sagt die umfangreiche Inhaberin in ihrem wallenden Gewand … hm, beim Google Übersetzer heißt σκαθάρι „Käfer“.
Eine Fachfrau erklärt mir später, σκαθάρι sei in der deutschen Fischwelt die Streifenbrasse. Aha …
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Lisbet Pounta Folegandros
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Lisbet, im Foto Hadjidakis und Theodorakis
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Lisbet versorgt mich mit Ouzo und Oliven, erzählt von früher. Takis sitzt noch zu Hause vor dem Fernseher. Basketball. Zu dem Thema habe ich ja gar nichts zu sagen. Oder doch. Gibt es da nicht einen Herrn Nowitzki, aus Würzburg, in der US-Profi-Liga …?
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Nachtrag: In zwei Beispielen der „europäische“ Teil der griechischen Musik, wie Takis vom „Pounta“ meint. Takis selbst spielt Bouzouki, und die ist der „orientalische“ Teil. Magia Melagia singt:

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Magia Melagia, aus dem Film „Η Άγνωστος“ (Agnostos = The Unknown), 1956

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Magia Melagia, 1958, “Rock & Roll” … OK, sie ist nicht Wanda Jackson, aber …
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