Audienz bei Bouboulina

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Das immer noch “schwer bewaffnete” Haus der Laskarina Bouboulina …
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Die Insel Spetses wurde im Laufe der Zeit häufig von Leuten “mit Geld” ins Gespräch gebracht. Da war es zuletzt der Reeder Stavros Niarchos, der sich die kleine Insel Spetsopoula im Südosten von Spetses zum Privalvergnügen kaufte. Eine ganze Schar von Leuten, denen es auch nicht an Kleingeld fehlte, siedelte sich anschließend in Sichtweite von Niarchos Privathafen auf Spetses selbst an …
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Um 1900 war es Sotirios Anargiros, der in die USA auswanderte und mit Tabak ein Vermögen verdiente. Er baute den Tourismus auf Spetses auf, hinterließ das Hotel Possidonion und eine elitäre Internatsschule. Er kaufte fast die Hälfte der Insel von den Bauern und Winzern und ließ 100.000 Kiefern auf dem Land anpflanzen … nein, nicht so sehr, weil Spetses in der Antike “Pityoussa” hieß, die “Kieferninsel”, sondern weil seine Athener Gäste ein Revier zur Vogeljagd brauchten …
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Und vor 200 Jahren, da war Spetses – nebven Hydra – noch der reichste Platz des ganzen Peloponnes. 20.000 Menschen lebten auf dem Inselchen. Mehrere Familien verdienten großartig vom Bau und Betrieb von Hunderten von Handelsschiffen. Und sie förderten mit großem Einsatz den Kampf um die Befreiung von der osmanischen Macht.
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Ganz vorne weg Laskarina Bouboulina (1771-1825). Als Vierzigjährige gehörte die zweifach verwitwete siebenfache Mutter zu den reichsten Personen der Insel, und im Unabhängigkeitskrieg gegen die Osmanische Herrschaft war es für sie eine Selbstverständlichkeit, mit ihrer Privat-Marine in die Kämpfe einzugreifen. Am 03. April 1821 begann in Spetses der Unabhängigkeitskampf. Zwei Jahre dauerte die Kämpfe an den Küsten des Peloponnes. Als die osmanische Festung von Navplio am 22.11.1822 kapitulierte (ein besonderes Anliegen der Bouboulina, ein Kampf, an dem die Kapetanissa persönlich teilnahm), war die Bouboulina allerdings auch pleite …
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1825 wurde sie bei einem Familienstreit mit einer Nachbarfamilie erschossen. In ihren letzten Jahren war ihr auch der politische Enthusiasmus vergangen. Kaum daß die Griechen gegen die Osmanen gesiegt hatten, kriegten sie sich untereinander in die Haare, aber darauf wollen wir hier nicht eingehen. Die Bouboulina wurde jedenfalls später zur griechischen Nationalheldin, und von den Russen zur Admiralin ernannt, und sie hat uns vor der Euro-Zeit noch auf der 1-Drachmen-Münze und dem 50-Drachmen-Schein begleitet:
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Also sollte man ihren Nachlaß doch mal besuchen, wenn man im Mai 2011 schon auf ihrer Heimatinsel ist! Das Haus, in dem sie gelebt hat, ist erhalten, und es ist noch im Besitz ihrer Familie. Es ist inzwischen in ein Privatmuseum verwandelt worden. Besucht werden kann es nur auf Gruppen-Führungen:
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Nächste Führung 12 Uhr, paßt mir gut. Das Festungstor zum Vorhof öffnet sich zehn Minuten vorher. Das ist der Vorhof des Hauses, so wie er mal war:
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Quelle: Melissa Verlag “Greek Traditional Architecture – Spetses”, 1986
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Philip Demertzis-Bouboulis, der Kurator des Museums, hat inzwischen die nachträglich eingefügten Fenster im ersten Stock wieder entfernen lassen. Ich habe inzwischen ein Informationsblatt (deutsch) zur Vorinformation. Die Führungen sind griechisch oder englisch. Die Treppe herunter kommt eine junge Dame, schräg hochgesteckte Haare, kantige braune Lederjacke: Elena. Dann wollen wir mal … oh, ich bin die Gruppe um 12 …? Na super, die nächste halbe Stunde haben wir beiden das Haus für uns … 🙂 …
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Zuerst der Große Salon. Zum Glück war die Bouboulina nicht so pleite, daß der Gerichtsvollzieher zum Ausräumen kommen mußte … noch sind die edlen Möbel aus Florenz und Venedig, der massive Safe, die Bilder der Familie, die Tische und Teppiche aus dem Orient vorhanden. Hier konnte die Bouboulina zum Beispiel die Filiki Eteria, die griechische Geheimgesellschaft, empfangen, deren einziges weibliches Mitglied sie war:
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Die handgefertigte Decke wurde komplett aus Florenz importiert:
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Als nächstes kriege ich eine ausführliche Lektion in Waffenkunde, hängt alles an der Wand … wieso man diese Streuwaffen benutzt, wenn man feindliche Schiffe stürmt … und was den Waffennarren alles noch interessieren mag. Was ich höflich angehört habe, aber prompt alles wieder vergessen habe …
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Von den Kleinwaffen geht es zu den größeren Kalibern. Hier, das Flaggschiff der Bouboulina, die “Agamemnon”, im Modell. Das Original ist damals im Bürgerkrieg vor Poros verbrannt:
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Die Bouboulia hatte eine ganze Flotte von Schiffen, und gegen die Piraten waren alle bewaffnet. Die Agamemnon war ja eigentlich auch nur ein Weizenfrachter … eigentlich. Für den Bau mußte eine Genehmigung aus Konstantinopel geholt werden. Die ist noch erhalten. Es ist nicht erlaubt, im Museum mit dem Blitz zu fotografieren, ist auch sinnlos, wegen des reflektierenden Glases, also ist Elena mit dem schweren Rahmen durch das Zimmer gewandert, dahin wo nichts spiegelt. Hier also die Vorderseite, mit dem Sultanssiegel, bitte von rechts nach links lesen (wenn Ihre Sprachkenntnisse reichen):
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Und hier die Rückseite, hier sieht man auch eine Skizze des Schiffes:
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Ja, an der Skizze des Schiffes läßt sich ganz einfach abzählen, wie viele Kanonen die Agamemnon mitführen darf, eigentlich, und wie viel Platz noch da sein muß für Massengüter … und daß das alles in der Wirklichkeit nicht stimmte, hatten die Spitzel des Sultans nach kurzer Zeit auch rausgekriegt, als das Schiff im alten Hafen von Spetses in der Werft lag. Kostete die Bouboulina eine Menge Bestechungsgeld für den Inspektionskommissar, der daraufhin anreiste. Aber der verwies auch noch die Spitzel von der Insel, wegen boshafter Irreführung von Regierungspersonen …
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Bemerkenswert war wohl die (für die damalige Zeit) ungewöhnlich hohe Bildung der Bouboulina, die ihre erhaltenen Briefe noch beweisen. Da die Briefe wieder beidseitig beschrieben sind, muß Elena wieder die Rahmen von der Wand nehmen, und so lange durchs Zimmer wandern, bis ich den richtigen Winkel habe, für eine besonders schöne Unterschrift zum Beispiel. Da der Rahmen relativ klein ist, will Elena als “Rahmenhalter” vorher noch die Jacke ausziehen, die Jacke sei nämlich nicht fotogen:
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Am Ende der Führung das “Zimmer mit dem Kamin”. Jetzt muß ich gestehen, daß wir uns zwischendurch kurz nichtthemenbezogen verquatscht hatten, und ich prompt den letzten Teil der Führung vergessen habe. Elena hat alles zwar korrekt berichtet … die Geschichte einer Widerstandskämpferin aus dem II. Weltkrieg, die 1944 erschossen wurde. Aber ich hab weder ihren Namen noch die biographischen Details notiert. Jetzt warte ich darauf, daß ich eine Antwort auf meine Mail ans Museum kriege (siehe unten), denn im Internet habe ich bisher nichts über sie gefunden:
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Leider gibt es für Besucher heute keinen Zugang zum hinteren Hof des Hauses, der im Band des Melissa-Verlages noch so aussieht:
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Eine solche inseltypische Bodenillustration aus weißen und dunkelgrünen Kieseln gibt es zwar vorne auch (scheinbar erst kürzlich gelegt), aber leider nicht so schön wie auf dem Foto oben.
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Es existieren ein paar zeitgenössische Darstellungen, die die Laskarina Bouboulia idealisieren und verniedlichen, etwa die Biedermeier-Lithografie von Adam Friedel von 1827, mit dem Blumenkörbchen am Arm. Aber man sollte die kämpferische Art dieser Frau nicht vergessen.
Die im Gefängnis in Konstantinopel geborene Frau war bei den Kämpfen der Seeblockade um Navplio und Monemvasia ganz vorne dabei, und ohne ihr persönliches Eingreifen hätte der Harem des Hoursit Pascha, des Gouverneurs von Tripolis, nicht gerettet werden können. Nach der Eroberung von Tripolis durch die Griechen im September 1821 richteten diese dort ein Massaker unter den Einwohnern an, dem 30.000 Einwohner zum Opfer fielen. Die Bouboulina hatte der Mutter des Sultans Mahmud II. in Konstantinopel 1816 versprochen, türkische Frauen und Kinder in solchen Kämpfen zu retten, was sie im Gouverneurs-Harem in Tripolis auch tat, unter Gefährdung ihres eigenen Lebens:
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Im Stadtmuseum von Spetses, im Hadziyannis Mexis Haus, liegen noch ihre sterblichen Überreste.
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Siehe auch: Bouboulina-Museum-Spetses.gr
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Nachtrag 12.06.2011: Aus der heutigen Mail-Antwort von Philip Demertzis-Bouboulis erfahre ich, es handelt sich um Lela Karagianni, die Gründerin der griechischen Untergrund-Organisation “Bouboulina” im II. Weltkrieg. Lela Karagianni versorgte u.a. untergetauchte britische Soldaten und schaffte sie aus dem von den Deutschen besetzten Land. Die Basis der Organisation war die Apotheke ihres Mannes in der Odos Patision in Athen und das Aghios Ierotheos Kloster in Megara. Lela Karagianni wurde im Juli 1944 verhaftet und am 08.09.1944 erschossen – nur zwei Wochen, bevor die deutsche Besatzungsmacht das Land verließ.
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