Choiseul-Gouffier 1776: Frauen auf Tinos

…………Tinos Frauen vom Stande
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Da war ich schon so oft auf Tinos … aber habe ich eigentlich schon mal was Positives über die Frauen auf der Insel geschrieben? Was sollte ich schreiben? Ich kenne ja kaum Frauen, die hier geboren sind. Das fällt mir erst jetzt auf.
Ja, Frauen trifft man überall im Dienstleistungswesen der Insel, aber da lernt man sie nur ganz oberflächlich kennen … Tavernen-, Museums-, Hotel-, Supermarkt-, Ticketbüro-, Hafenpolizei-Personal …
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Ich könnte das sowieso nicht so elegant definieren wie die übercharmanten Herren der späten Barock-Zeit im 18. Jahrhundert. Graf von Choiseul-Gouffier schreibt 1776 über die Frauen von Tinos folgendes … nachdem er sich zunächst mal über den grotesken Kleidungsgeschmack der Frauen auf Naxos und Kimolos echauffiert hatte … 🙂 …:
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„Man wird über die Kleidung der Damen von Argentiera (= Kimolos) erstaunt seyn; unterdessen verdanken sie es blos denen von Naxia, daß sie nicht die allerlächerlichste im ganzen Archipelagus tragen.“
Aha …
„Ein bloßer Flor verhüllt den Busen der Griechinnen von Smyrna; aber die strengeren Naxiottinnen vertheidigen ihn durch einen Koller* von Samt, mit Stickerey und kleinen Perlen überdeckt. Betrachtet man sie von hinten, so ärgert man sich vollends an einer Art Fischbeinrock, der sich um die Hüften dreht.“
Monsieur Choiseul-Gouffier war 24, als er diese Beobachtungen machte …
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Also Monsieur, auf nach Tinos! Und das hat er dort gesehen:
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„Die Frauenzimmer von der Insel Tine haben alle das schönste Ebenmaas in den Formen, Regelmäßigkeit in den Zügen, und eine von jenen pikanten Phisionomien, die Schönheit so oft ersetzen und immer vermehren. Ein Anzug, so wollüstig als möglich, bedeckt ihre Reize, aber verbirgt sie nicht.
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Darauf werde ich bei meinem nächsten Inselbesuch besonders achten …
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(…) „Damen, die ihre Geburt und Reichthümer in anderen Ländern zur Unthätigkeit zu berechtigen scheinen würden, beschäftigen sich mit ihrer Haushaltung, oder arbeiten mit Vergnügen an den Kleidern für ihre Kinder.“
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…………Tinos Magd
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(…) „Da das weibliche Gesinde auf Tine nur leichte und wenig mühsame Arbeiten verrichtet, so conservirt es sich bey allen seinen natürlichen Annehmlichkeiten und Reizen.“
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(…) „Die Vaterlandsliebe, die sich bey allen Griechen der Inseln erhalten hat, ist bey denen von Tine am stärksten. Die Mägde, die sich außerhalb dieser Insel in großer Anzahl vermiethen, und in der ganzen Levante wegen ihrer Tracht, ihrer Treue und ihrer Einsichten bekannt sind, verlieren niemals die Sehnsucht nach dem Vaterlande, um dort in Wohlbehäglichkeit der Früchte ihres Fleißes zu geniessen.“
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Einsichten? Ich hoffe, das mit den „Einsichten“ der Mägde ist nicht zweideutig gemeint …
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Denn „dieses Eyland ist eins der reichsten und angenehmsten von ganz Griechenland, und seine Fruchtbarkeit ersezt die Kleinheit seines Umfangs.“
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Aus: Reise des Grafen von Choiseul-Gouffier durch Griechenland
(Voyage pittoresque de la Gréce), Ettinger/Gotha, 1780.
Orthographie von mir nicht aktualisiert.
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Hermelin* Ein Koller (Goller) muß nicht zwingend aus Samt sein, Hermelin tut es bei Leuten von Stand auch … und bei höheren katholischen Geistlichen heißt das Ding „Mozzetta“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Goller
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