Annäherung an Limnos – 3 – Der Norden

Die Avlonas-Bucht , an der Küstenstraße nach Norden

An der Avlonas-Bucht ist in der Terrain-Straßenkarte auch ein Artemis-Heiligtum eingezeichnet. Aber das, was übrig blieb, liegt offenbar innerhalb eines Hotel-Komplexes. Wir lassen es aus. Den ganzen Tag wird uns kein antiker Rest unter die Augen kommen. Der Norden ist der hügeligere Teil der Insel – mit Gipfelhöhen von ca. 350 Metern sogar bergig (nach Ostfriesen-Maßstab).

Wir richten uns nordwärts, um hinter den Dörfern Kaspakas und Kornos eine nach Nordwesten führende Straße zu finden, die in der Karte grün markiert ist – also „schöne Strecke mit markanten Aussichtspunkten“ im Sinne der Kartographen.

Und ja, wir haben bemerkt, daß diese schmale Straße nicht zum Spaß so sorgfältig ausgebaut wurde. An ihrem Ende liegt eine Radarstation.

Unterwegs passieren wir die mit EU-Mittel-Förderung gebaute neue Müllsortier- und Entsorgungsanlage.
Sehr malerisch die aussortierten leeren Plastiktüten, die der Meltemi in den Umfassungszaun geblasen hat, wo sie festkleben … wenn Christo das noch sehen könnte! Wenn er damals ein starkes Gebläse und 100.000 Plastiktüten gehabt hätte zur Reichstagsverhüllung, wäre das nicht plakativer und sinnvoller gewesen …? 🙂
(Unten im Bild ein kleiner Abschnitt der “wind art” am Zaun.)

Jemand hält in einem Gehege eine große Schafherde, irgendwo stehen ein paar Windräder, nirgendwo ein Bauernhaus.
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Eigentlich passieren wir nichts als verdorrte rundliche Hügelketten. Einsamkeit in verschiedenen Tönen von Ockergelb bis Tabakbraun. Auf und ab, auf und ab, Achterbahn in Zeitlupe. Ein paar Mal hält Katharina, um ein Foto zu machen.

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Da, Ende der Straße. Fast das Ende. Die Radaranlage ist ein ziemlich großer Komplex. Vollbremsung, sobald das Gebäude zu sehen ist – ein Stück über uns. Jetzt bloß nicht aussteigen! Ich mache aus dem Auto heraus ein Foto vom Verbotsschild mit dem schrägen Text der Übersetzungen: Schmierfilmbildung verboten. Aua …
Also jetzt: Sofort umkehren. Das Samothrake-Trauma wirkt noch.

Jagen ist hier auch verboten. Wie man am Straßenrand sieht, wird das ignoriert, wie überall. Die lokale militärische Paranoia könnte aber lästige Folgen haben. Ohne Eile überqueren wir eine Paßhöhe, vor uns ein weites Tal.
Da, tatsächlich Gegenverkehr! In dieser einsamen Gegend. Ein weißes Auto überquert gerade die Höhe am anderen Ende der Talbreite.

Gegenverkehr …? Nein, kein gutes Gefühl …
Unten im Tal stehen sie schon, Polizei, das Auto haben sie bereits gewendet – damit man den eventuell flüchtigen Gesetzesbrechern unverzüglich hinterher rasen kann, klar. Sie sind zu zweit, und interessieren sich mal wieder nur für die Fahrerin, Katharina.

Aussteigen, Fragen über Fragen, woher, wohin, Ausweiskontrolle, was machen Sie hier, was haben Sie vorhin fotografiert … Verhör in „good cop bad cop“ Manier … einer ist freundlich, einer ist grantig.

Es dauert ewig. Ich sitze ganz unschuldig auf dem Beifahrersitz, vergrabe meine Tasche mit der Kamera, so gut es geht, unter dem Sitz.
Auch meinen Personalausweis wollen sie sehen, auch mein Handy wird kurz durchgeschaut (ist nix drauf, ich fotografiere damit in der Regel gar nicht). Nach einer “Kamera” fragt mich keiner. Kein Wunder. Heute fotografiert man doch nur noch mit dem Mobiltelefon …
Die Kamera vorzuzeigen hätte mich auch verdammt geärgert … auf die beiden im Vorbeifahren gemachten Fotos von diesen dämlichen Militärgebäuden kann ich gut verzichten, aber um das Verbotsschild wäre es doch zu schade gewesen.

Wohin wir als nächstes wollen? Richtung Therma und hinauf zum Profitis Ilias. Aha!
Katharina ist genervt, läßt sich das aber nicht anmerken. Betont harmlose Frage ihrerseits,
die eher spöttisch gemeint ist: Ist da auch irgendwas verboten? Betont freundliche Antwort in „good cop“ Manier: Nein nein, das sei genau was für die Touristen …

Hinter welchem Busch hat wohl der Denunziant gehockt mit seinem Fernglas und mit dem Alarm bei der Polizeistation in Mirina …?
Und Google Earth ist dem Griechischen Geheimdienst nicht bekannt? Hier die Radarstation von oben, Stand 2021 (ließe sich noch viel weiter vergrößern, klar):

Foto: Google Earth

Wozu braucht man da noch diese albernen Verbotsschilder?
Der gelbe Punkt zeigt die Stelle, wo wir umgekehrt sind.

Rückblick vom Weg zum Profitis Ilias. Im Hintergrund das Dorf Kornos.

Katharinas Laune hat das nicht gefördert. Sie will sich jetzt den Frust abwandern. Wir fahren den Schotterweg hinauf bis zu einer Stelle, wo sich das Auto gut parken läßt. Für Katharina geht es aufwärts, für mich abwärts ins Tal, zur Heilquelle von Therma. Vor kurzem wurde das Kurhaus erst hergerichtet, aber ein großer Publikumserfolg war es nicht:

Kurhaus …? Sowas heißt heute Wellness-Center …

Ein großer Erfolg ist aber die Quelle selbst. Hier taucht am Brunnenhaus alle paar Minuten ein Auto auf, ein halbes Dutzend Kanister und mehr werden mit Quellwasser gefüllt:

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Und ein wunderbar schattiger Pavillon ist auch da, wo man auf der Bank sitzen und auf die  Hügel schauen kann. Wo sich auf dem Gipfel des Profitis Ilias jemand gerade mit einer griechischen Großfamilie und deren Dorf-Pappas den Raum teilen muß:

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Weiter. Noch einmal Richtung Nordküste, zur Gomati-Bucht. Katharina will ins Wasser. Die Wege sind nicht lang, aber hinter dem idyllisch gelegenen Dorf Katalakkos wird der Weg eher schlecht.

Katalakkos

Wir nähern uns der „Sahara von Limnos“. Und die Bucht ist so flach, daß man darin nicht schwimmen kann. Nein, ist nicht Katharinas Tag …

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Aber schauen Sie mal genau aufs Foto. Oben links. Ist das nicht …

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… ein weltkriegstaugliches bewaffnetes Fahrzeug? Ja, stimmt. Aber der Panzer steht da schon seit fast vierzig Jahren und ist voll bundeswehrtauglich (also voll funktionsunfähig). 🙂 
Steht da nur, um den bösen Türken auf deren Luftbildern Angst einzujagen. Ist wahrscheinlich rostfreier Stahl, hält also noch Jahrhunderte!

Ach so, bevor ich es noch ganz vergesse: Limnos ist nicht nur da fürs Militär. Die Insel und ihre Vulkanerde sind bekannt für guten Wein. Sogar für Retsina. Bäume zur Harzgewinnung sehe ich nirgendwo.
Retsina trinken ja nur noch nostalgische Touristen (wie ich). Und bevor die Tradition noch ganz in der Vergangenheit versinkt: Auf der Rückseite des Etiketts des einheimischen Produkts demonstriert man uns, wie diese Retsinakonsumenten damals mit ihrem Rosenkranz den Tag verträumten … das waren noch Zeiten!


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2 comments

  1. Du hast die geschlossene Taverne “Man-Tella” in Sardes vergessen. Da wäre der Tag für dich auch fast zum Debakel geworden. Aber zum Glück war ja die andere Taverne offen, mit Riesenportionen und Junghühnern unterm Tisch … “Palia mas Gitona”

  2. Vergessen? Zu Sardes gab es nach meiner Meinung nichts Mitteilenswertes.
    Debakel? War erst am Abend das miserable Essen in der Taverne am Hafen von Mirina.
    Muß man sich aber auch nicht dran erinnern.

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