1923 – Post aus Athen in der Hyperinflationszeit

Ja, damals (1923) machte man sich noch keine Sorgen um den Dieselpreis. So wie heute.
Noch sorgte sich der Athener Taxifahrer um den Preis von Hafer, Heu und Hufeisen …


Um Ihnen das Entziffern der an Prinz Alfons gerichteten Postkarte zu erleichtern:

Textseite rechts:
abgestempelt:  Athinai Kentrikon (Athener Hauptpost), Datum nicht erkennbar

Germany –  A. d. Königl. Hoheit des Prinzen Alfons von Bayern
München, Äußere Prinz-Regentenstr. 1/0 Palais

Eingangs-/Archivierungsdatum (blauer Farbstift): 7.I.24

Textseite links:

Athen d, 18.XII.23. – Sehr geerthe Königl. Hoheit.Voralen danke ich Ihnen filmahls für Ihre werte Karte, und bitte filmahls um entschuldgung bettefr. des Strafporto, den ich habe es nicht gewust. Ich wünsche Ihnen sowie Ihrer ganzen Familie vom Herzen fröhliche Weinachten und ein Gutes neües Jahr fihl Glück und Segen.
Aus.(serdem) hoffe ich in neüen Jahr eine Gesundung unserem lieben Vaterlande. Grüst Sie und Ihre werte Familie filmahl, Meier Max.

Ist es nicht oft spannender, in die Vergangenheit zu schauen statt über die Zukunft zu spekulieren? Oder sich über die Gegenwart zu ärgern?
Beispiel: Da finde ich also eine Postkarte, die vor fast 100 Jahren ihren Weg von Athen nach München genommen hat!

Zunächst fragt man sich: Wer konnte am Jahresende des Hyperinflationsjahres 1923 nach Griechenland reisen? Und mit welchen Mitteln?
In den ersten zehn Jahren nach Ende des ersten Weltkriegs waren touristische Auslandsreisen für deutsche Staatsbürger nur eingeschränkt möglich. Alle namhaften Verleger von Reiseführern in Deutschland (Baedeker, Meyers, Grieben, Storm usw.) veröffentlichten in der Zeit fast ausschließlich Reiseführer für Reiseziele im Inland.

Beispiel: Eine typische Postkarte aus einem der zahllosen obskuren deutschen Reiseorte.
Der Gasthof in der Bildmitte war zeitweise der „Gasthof zum König Otto von Griechenland“. Ein bißchen Hellas klang also aus Vorkriegszeiten noch nach 🙂 :


Wer war also dieser Max Meier und was hatte er mit dem Wittelsbacher Königshaus zu tun? Der Kontakt war nicht zufällig und kein Einzelfall. Wieso schickt der Kronprinz Alfons (bzw. sein Büro) an Meiers Adresse eine Postkarte, und beschwert sich dabei über das Strafporto, weil Herr Meier seine letzte Nachricht nicht ausreichend frankiert hat?
Und wieso hatte Herr Meier solche Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung?

Und im Herbst 1923 wurde in Deutschland nur noch mit Milliarden und Billionen Reichsmark bezahlt. Für einen 20-Milliarden-Schein kriegte man auf dem Oktoberfest 1923 wahrscheinlich nicht mal eine Maß Bier. Wenn größere Beträge bezahlt wurden, wurde das Papiergeld vom Verkäufer oft nur noch gewogen statt gezählt.
Aber möglicherweise ist Herr Meier erst nach der Währungsreform am 15.11.1923 nach Athen gereist. Und er hatte sich irgendwoher Devisen besorgt, die im Ausland akzeptiert wurden.
Ab November 1923 war wohl der Geldschein mit dem höchsten Nennwert aller Zeiten im Umlauf: 100 Billionen Mark. (Daraus wurden 100 Rentenmark.):


„Die Hyperinflation führte in der Zeit der Weimarer Republik zu absurden Preisen. In Berlin kostete am 19. November 1923 ein Kilogramm Roggenbrot 233 Milliarden Mark und ein Kilogramm Rindfleisch 4,8 Billionen Mark.“
und
„Ein US-Dollar war im November 1923 rund 4,2 Billionen Papiermark wert. (…) Ab dem 15. November 1923 wurde die Papiermark durch die Rentenmark (zum Wechselkurs 1 Billion Papiermark = 1 Rentenmark) abgelöst, die schließlich im August 1924 wertgleich in die Reichsmark überführt wurde.“
Aus: de.statista.com

Während der Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg kam es auch in Griechenland noch zu einer Hyperinflation. Ab dem 5.11.1944 gab es einen 100-Milliarden-Drachmen-Schein. Vier Wochen vorher hatte die deutsche Besatzungsmacht Athen bereits verlassen.
Siehe: geldscheine-online.com

Mit Hilfe des Stadtarchivs der Stadt München kann man einiges über ehemalige Münchner Personen herauskriegen, aber leider (A) hat Max Meier einen überaus häufig auftretenden Namen und (B) wer weiß, ob er überhaupt irgendwann in München lebte?

Und für Romantiker wie mich muß nicht jede Frage eine Antwort finden … 🙂 …

„Alfons Maria Franz Clemens Maximilian von Bayern (*1862 in München; † 1933 ebenda) war ein königlicher Prinz und General der Kavallerie. Alfons entstammte dem Adelsgeschlecht der Wittelsbacher. Er war der Sohn des Prinzen Adalbert von Bayern und dessen Gemahlin Infantin Amalia del Pilar von Spanien und ein Enkel König Ludwigs I.“
Aus: stadtgeschichte-muenchen.de







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2 comments

  1. Theo alles gut?!; lange nichts mehr gehört von dir. Hoffe dir gehts gut. Fahre nä. Jahr nach Leonidion/PePoNes, weißt du was über die neue Strasse gen Paralia, noch auf keiner Karte jemals registriert?

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