Ermoupoli: 18.05. (11:15) bis 21.05.18 (11:30)

72 Stunden, 15 Minuten. So wenig Zeit, und nun ein sooo langes Kapitel zum Thema … 🙂 …
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Zitat einer gewissen Hotelplattform: „Laut unabhängiger Gästebewertungen ist das der beliebteste Teil von Ermoupoli.“  Echt …?
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Wenn man immer wieder nach Griechenland reist, versucht man natürlich, jedes Mal etwas Neues zu sehen. Aber man hat ja auch seine Gewohnheiten. Es gibt Orte und Leute, die man immer wieder sehen will. Wenn ich auf den Kykladen unterwegs bin, muß ich jedesmal Ermoupoli auf Syros sehen. Und wenn es nur für ein verlängertes Wochenende ist.
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Fast zwanzig Jahre habe ich in Ermoupoli im gleichen Hotel gewohnt. Das ehemalige großbürgerliche Wohnhaus, gebaut zu Zeiten, als es noch keine Autos gab, ist aber nur über eine Unzahl von Treppen zu erreichen. Von der Rezeption zum Zimmer kommen noch 40 Stufen dazu.
Wenn man die Langzeit-Folgen eines Unfalls nicht los wird, wie ich, geht das nicht mehr. Nur habe ich bisher nichts Vergleichbares im Ort gefunden. Was in der Nähe des Hafens liegt, wo alles halbwegs ebenerdig ist, ist oft eher anspruchslos.
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Drei Pensionen in der Altstadt, in der Nähe des Fähranlegers, habe ich nun hinter mir. Ich will sie hier gar nicht nennen.
Auf jeden Fall: Glauben Sie nicht unbedingt den Standardempfehlungen dieser bekannten Internetplattform, die ???ing.com oder so ähnlich heißt. Der Hotel-Dienstleister möchte hier lieber anonym bleiben, nehme ich mal an … 🙂 …
Da steht über meine letzte Unterkunft nahe der Werft:
„Laut unabhängiger Gästebewertungen ist das der beliebteste Teil von Ermoupoli.“
Beliebt?
Das ist eher ein Witz. Die Gegend ist hauptsächlich ein Gewerbegebiet. Die Neorion-Werft, verlassene Lagerhäuser, eine Tankstelle, die Feuerwehrstation, die Bushaltestelle, ein paar leere Ladenlokale, alles in unmittelbarer Nähe …
Aber dieser Satz schmückt wohl die Beschreibung der meisten der zwei Millionen Hotels, die von der Plattform im Internet vertreten werden. Vielleicht stimmt es manchmal sogar.
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Tatsächlich „beliebt“ ist unter Touristen und Einheimischen nicht das Südende, sondern das Nordende des Hafens! Dort, wo sich am Wasser ein Lokal ans andere reiht. Und dahinter die alten Wohnstraßen zwischen Rathaus und der Agios Nikolaos Kirche und den historischen Verwaltungsgebäuden, der Handelskammer, dem französischen Konsulat, dem Theater usw.
Und na, was sagt die Hotelplattform ???ing.com über die Hotels in dieser Gegend:
„Laut unabhängiger Gästebewertungen ist das der beliebteste Teil von Ermoupoli.“
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Taverne_A321Aber ja, „belebt“ ist die Straße vor meiner Unterkunft, denn gegenüber liegt eine beliebte Musik-Taverne (die allerdings an „meinem“ Wochenende geschlossen hatte).
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Rabatt_A321Schön (schön witzig) finde ich auch die großzügigen
Rabatte, die einem Dauernutzer wie mir manchmal eingeräumt werden.
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WCBad_A321Sie müssen auch das Bad nicht teilen, wenn Sie wegen des Riesenrabatts eine Buchung vornehmen, auch wenn es auf den Internet-Fotos manchmal so erscheinen mag.
🙂
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Aber ansonsten ist die computergenerierte künstliche Intelligenz auf solchen websites schon ausgefeilt und informativ. Sie wollen ein Doppelzimmer im Hotel X. buchen?
Dann steht da: „Paare schätzen die Lage besonders.“
Sie wollen ein Einzelzimmer buchen, im gleichen Haus?
Dann steht da: „Alleinreisende schätzen die Lage besonders.“
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Und wenn Sie mal testweise im November ein Hotel in Ermoupoli suchen, und als gewünschten Reisetermin den Dezember des nächsten Jahren angeben, dann kriegen Sie 365 Tage lang emails mit der Betreffzeile: „Hotelpreise in Ermoupoli schon wieder gefallen.“
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Aber ich will Ihren (und meinen) Reiseassistenten nicht noch weiter kritisieren. Er hat auch nützliche Seiten. Sein Schema paßt nur nicht universell auf die Eigenschaften der vorgestellten Häuser und die Wünsche der Gäste.
OK, es gibt noch eine Standardempfehlung bei ???ing.com: „Öffentliche Parkplätze stehen kostenfrei in der Nähe (Reservierung ist nicht erforderlich) zur Verfügung.“
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Ja, in der Nähe des Fährhafens und nicht weit von der Werft gibt es wirklich einige Parkmöglichkeiten. Reservieren können sie die natürlich nicht, und besetzt sind sie auch ständig. Dabei hat man die öde Mauer, die den Werftbereich eingrenzt, tatsächlich gerade von einigen Graffitikünstlern bearbeiten lassen, die mehr können, als ein paar primitive Blockbuchstaben an die Wand zu pinkeln.
Schade, daß diese Bilder hier ständig zugeparkt sind. Zu Hause bin ich dagegen froh, wenn gerade ein Möbelwagen vor einer Graffiti-Wand parkt. Dann tun mir die Augen weniger weh.
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Es sei auch „sehr guter Kaffee“ samt Kochgelegenheit im Zimmer, steht bei ???ing.com. Muß sehr gut versteckt gewesen sein, der Vorrat. Ich habe nichts gefunden. Eine Quittung gab es auch, allerdings nicht über den Preis, den ich zwei Minuten vorher tatsächlich bar bezahlt hatte.
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Also ich habe gar nichts dagegen, in Sicht- und Hörweite der Werft zu wohnen. Die Inseln können ja nicht nur von der monopolistischen Industrie „Tourismus“ leben. Monopole führen ja schnell in die nächste Krise.
Lange sah es ja so aus, als hätte die letzte Stunde der Werft geschlagen, und sie war von den (unbezahlten) Werftarbeitern zuletzt quasi besetzt worden. Jetzt hat die Werft einen neuen Eigentümer, ONEX Technologies, geführt vom US-Griechen Panos Xenokostas, und das Auftragsspektrum soll – nach einer Investition von 25 Mio. Dollar – alles Mögliche umfassen: „Onex is reportedly interested in utilizing the shipyard to enter the luxury yacht sector, building special purpose vessels and floating docks, as well as coastal and ocean-going platforms.“
http://www.greeknewsonline.com/u-s-company-onex-owned-by-panos-xenokostas-to-buy-neorion/
Der Kaufpreis der Werft war 1 Euro, 40 Mio. Dollar Altschulden wird Onex übernehmen. Ob in den Altschulden vorenthaltene Löhne und Gehälter enthalten sind, ist noch nicht klar.
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Das erste Schiff hat bereits zur Generalüberholung angelegt.  Die 2004 gebaute „Pinara“ hieß früher auch mal „Laura Schulte“ und gehört der Laeisz Reederei in Rostock.
Quelle Foto: http://www.shipsinfo.com/vessels/9289063.html
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Ein schönes Ritual ist es, am Freitagabend mit einheimischen Freunden irgendwo beim Wein zu sitzen und über Gott (weniger) und die Welt (mehr) zu schwatzen. Sie (beide Tavernenbesitzer) finden immer ein Lokal, wo man fast ungestört ist. Warum „ungestört“? Wenn man seit so vielen Jahren im Gaststättengewerbe in Ermoupoli und Umgebung arbeitet, kennt einen nun mal fast jeder, und schon …
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Ganz ungestört ist man aber auch nicht in den zwischen der Lidl-Filiale und der Neorion-Werft versteckten Lokalen, die in letzter Zeit einen kleinen Aufschwung erlebt haben. Vielleicht nicht zuletzt dank des Gratis-Busverkehrs, der die Kunden vom „vornehmen“ Norden der Altstadt zu den Discount-Supermärkten am Fischereihafen bringt – um 21:30 letzte Verbindung …
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Über das Tempo, mit dem in Ermoupoli die Lokale eröffnet werden und wieder schließen, habe ich woanders schon geschrieben. Da darf man jedes Jahr gespannt sein. Gestaunt habe ich, daß wieder jemand das Lokal der Fisch-Taverne „1900“ nutzt.
Der traditionelle Laden hatte schon vor etwa 15 Jahren aufgegeben – zu weit weg vom Norden der Hafenfront. Ich habe ihn sehr vermißt.
Das Lokal heißt jetzt „The Borzoi“, offenbar eine Filiale des gleichnamigen Clubs auf Skiathos, mit Cocktailbar und anspruchsvoller Küche. Aber ich war nicht drin zu Testzwecken – vielleicht nächstes Mal, wenn das Lokal dann noch existiert.
Sie haben sogar die riesigen alten Weinfässer, die auf der Holzstellage über den Tischen lagern, behalten! Früher war es inseltypisch, Wein vor Ort so zu lagern. Aber natürlich wird aus den Fässern heute nichts mehr abgezapft.
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Der Borzoi (Barsoi) ist der russische Windhund. Wie sinnig. Also hier – voll im echten Barsoi-Schnelldurchlauf – noch ein paar Bilder zum Vergleich Südende/Nordende des Zentrums.
Zuerst die „bei Gästen so beliebte“ Gegend am Hafen:
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Hier werden im Schatten der Neorion-Werft Holzboote auch noch von Hand gefertigt:
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Und (rechts, vor meiner Haustür) die Laoutari-Taverne, wo es draußen auch mal laut wird:
https://www.tripadvisor.de/Restaurants-g616163-Hermoupolis_Syros_Cyclades_South_Aegean.html
Die Entfernungsangaben auf dieser website sind märchenhaft. Da sind Lokale, die mitten im Ortszentrum liegen, plötzlich 4 Kilometer vom Ort entfernt, oder ein „benachbartes Lokal“ ist tatsächlich auf einer Nachbarinsel.
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Im Norden, das sogenannte „Klein-Venedig“-Viertel, die Werft ganz im Hintergrund …
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… mit den edlen Bürgerhäusern hinter der Agios Nikolaos-Kirche …
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… die zum Teil in Hotels umgewandelt wurden. Hier die Villa Selena:
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Und nein, hier im Norden ist nicht alles über Treppen zu erreichen. Zwischen Hafen und Rathausplatz findet man viele schattige, autofreie Gassen mit kleinen Läden und Lokalen.
Da freut sich mein Knie:
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Und hier müssen am Rathausplatz die Taxifahrer und Taxifahrerinnen ihr Auto in der Schlange am Taxistand von Hand weiter schieben (!), wenn vorne ein Kollege wegfährt. Fördert die Mittagsruhe und ist ja auch umweltfreundlich …
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Ach so, da war auch noch ein angenehmer Samstagabend in angenehmer Gesellschaft oben in Papouri. 🙂 Und deine eingemachten grünen Feigen, Thanasis, die haben es nicht nach Deutschland geschafft. Sie wurden schon auf Tinos in ein leckeres Dessert eingebaut.
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NACHTRAG 28.07.2018:  Am 24.07.2018 ist der Ort Mati (bei Rafina) größtenteils abgebrannt. Dort, wo ich in den letzten beiden Jahren die letzte Nacht vor dem Rückflug immer im Hotel Miami übernachtet hatte. Etwa die Hälfte der 2500 inspizierten Häuser und Ruinen in Mati wurde inzwischen von Experten für unbewohnbar/abrißreif erklärt.
Egal. Jeden Tag kommt eine neue Empfehlung von ???ing.com. Deren Algorithmus steht zwar etwas neben Raum und Zeit … aber die wissen ja immer, wo’s hingeht
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Das Drohnen-Video vom 25.07.2018 zeigt Mati (Vollbild einstellen):
http://www.ekathimerini.com/231060/gallery/ekathimerini/in-images/greece-drone-footage-reveals-aftermath-of-wildfire
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One comment

  1. Hallo Theo,
    ich bekomme diese Emails von …ing.com nicht.
    Man kann sie im Profil unter “Newsletter-Einstellungen” abbestellen.

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