Hydra, ein Januar-Tag (2010)

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Die Insel mal empfinden, wie Leonard Cohen sie noch gesehen hat … so 1960, als er sich hier ein Haus gekauft hat? Von geerbten 1500 Dollar. Mit ein bißchen Phantasie sollte das doch gehen, die Insel steht doch inzwischen zu 100% unter Denkmalschutz! Man darf nur nicht kommen, wenn der Rest der Welt auch kommt …
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Na gut: Ich komme am Mittwoch, den 20.01.2010. Dreimal am Tag geht das Tragflügelboot ab Piräus. Das erste Boot, der “Flying Cat 1” Katamaran, ist fast leer. Außer mir kommen nur ein paar wortkarge Griechen in Winterjacken. Sie haben seit Poros auf die Talkshow im TV gestarrt statt auf die Sonne auf der See. (Ich bin der einzige, der mit der Sonnenbrille ins flimmernde Licht hinausschaut.) Aktentaschen, Laptops, dicke Einkaufstüten. Keine Rucksäcke, keine Shorts, keine Kameras. Ich hatte meine Ohren aufgesperrt. Wirklich keine Touristen dabei? Nein, nur griechische Töne.
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Nur, es ist auf Hydra trotzdem nicht ganz wie zu Leonard Cohens Zeiten …
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Der Hafen ist leer. Fast restlos leer. Bootsliegeplätze im Großangebot. Die Türen und Fenster der Hafenfront fast alle geschlossen. Keine Bauarbeiten, keine Spaziergänger. Drei Cafés haben ein paar Tische vor die Tür gestellt. Aber da sitzt keiner. Dazu ein paar geparkte dösende Vierbeiner. Vier oder fünf Boote, auf denen in der Wintersonne in Zeitlupe herumgebebastelt wird.
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1960 war das garantiert nicht so am Hafen. 1960 wurde von der Fischerei auf der Insel noch gelebt. 1960 hat noch nicht der Tourismus den Saisonverlauf der Insel bestimmt, 1960 war es weitgehend die Ausnahme, hier nur ein Zweithaus zu haben und den Winter in Athen zu verbringen …
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Die Stille im Hafen tut zuerst richtig weh in den Ohren. Aber man gewöhnt sich dran. Und bald gefällt es mir … und am Ende “wärmt” diese Stille geradezu! Als ich am späten Nachmittag auf den Terrassen westlich von Hydra-Stadt einen Bauern mit dem Maultier beim Bodenbearbeiten aus einer Entfernung von Hunderten von Metern hören kann, ist es schon rührend. Ob der pflügt? Von schräg unten sieht es so aus! Und er redet dabei … mit seinem Maultier.
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Gut, es gilt hier überall striktes Motorfahrzeug-Verbot, auch auf dem Acker … aber sind die nicht alle Millionäre hier? Nein, sind sie nicht. Es ist einfach traditionelle Bauernarbeit, was er da macht.
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Aber was soll da wachsen auf dieser Terrasse? Etwa Getreide …? Oder wird nur mal aus Landschaftsschutzgründen umgepflügt? Aber … das Winter-Unkraut kriegt man doch auch mit ein paar Ziegen weg? Ob der die Terrassen nicht einfach verkommen lassen könnte? Hier kriegt der Bauer für ein Privatzimmer 75 Euro, da muß man sich doch nicht auf dem Feld kaputtmalochen? Kriegt der die Terrassen-Erhaltung subventioniert? Ist das nur demonstrative Oberflächen-Kosmetik …?
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Sollte man da jetzt hochsteigen und fragen …? Nee, tut man nicht. Man muß nicht alles wissen …
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Ich stehe da mitten auf dem roten Feldweg in der blassen Winter-Sonne, höre dem fernen Bauern zu, höre die Vögel in den nur halb entlaubten Gärten neben mir, höre das Meer, das unter mir leise an die Felsküste wellt. Zeit, “Bird on a wire” zu summen. Die meisten “Bauernhäuser” hier sehen wirklich nicht so aus, als beherbergten sie landwirtschaftliche Betriebe …
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Die Wintersonne scheint auf ihre wetterfesten Gartenmöbel … äh, Winter? Hier ist es im Januar schon unwirklich frühlingshaft, ja, die allerersten Tage des Jahres sollen schon sommerlich gewesen sein:
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Schon in Kamini war es vorhin ganz unwirklich, der kleine Fischerhafen im Winterschlaf. Bis auf zwei Fischer, die Ordnung in ihren Booten schaffen. Immerhin höre ich da mal einen Akku-Schrauber …
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Einer der Fischer verläßt nach ein paar Minuten sein Boot, mit einem schweren weißen Plastiksack auf der Schulter stapft er an mir vorbei … sein Faltengesicht nickt mir freundlich zu, er grüßt und steigt die steile Treppe an Kodylenia’s Taverne hoch. Ja, er grüßt! Es ist Januar … da bleibt auch auf Hydra Zeit, Fremde zu grüßen. Schön.
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Kamini
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Nicht so schön ist der Winter für die Katzen des großen Hafens. Die kriegen zwar immer noch ihr Trockenfutter am historischen Museum, aber sie zerfetzen im Moment am Hafenbecken lieber die Müllbeutel. Die Meute sieht jedoch aus, als sei ihr das peinlich. Es ist auch nicht schön für die nervigen Tauben, die einem Kauenden mitten ins Gesicht fliegen, um ein paar Krümel zu erbeuten. Und mancher Hund am Hafen probiert sogar mit langen Zähnen mal das, was der Esel gerade fallen gelassen hat …
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… was selbst der Esel nicht zu fassen vermag. Dem Esel mag es ja auch im Winter gut gehen. Im Sommer hat er ja sein Geld noch mit schlichter Ausbeutung verdient:
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Zum Hotel Orloff sind es ab diesem Schild am Hafen (von mir gemessene) 500 Schritte (also 400 Meter). 10 Euro für den Transport von 2 Koffern auf 400 Metern leicht aufsteigender Straße … na gut, für einen Vierbeiner sind es 1000 Schritte …
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Was mag es kosten, den Transport eines veritablen Schreibtischs wie diesen bei einem Büro-Umzug quer durch den Ort zu bezahlen? Das wollen wir schon gar nicht mehr wissen:
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Aber sonst ist es schon wunderbar auf der autolosen Insel. Hier auf Hydra geht tatsächlich auch der Millionär zu Fuß. Hier sagt die Gemeinde kurz OCHI bzw. NO, wenn Virgin-Milliardär Richard Branson ein Luxus-Resort bauen will. Und der einzige, der hier im Auto fährt, ist der Abfallbeutel:
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Hydra, städtischer Lkw
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Hydra hat keine nennenswerten Strände. Der Kiesstrand von Vlychòs ist schon das Allergrößte, was Sie ohne Privat-Boot erreichen können. Man beachte die recyclingfähigen Sonnenschirme, Hydra ist eine ‘grüne’ Insel:
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Aber das ländliche Hydra wird Sie überraschen. Ich hätte, ohne aufzuhören, an diesem sonnigen Januartag auf den Fußwegen immer weiter nach Westen wandern können, nur durfte ich das letzte Boot zurück nach Poros nicht verpassen. In Poros gab es nämlich auch im Januar akzeptable UND bezahlbare Hotelzimmer, für Hydra hieß es nur “im Prinzip ist zur Zeit alles zu, jedenfalls gibt es nichts unterhalb von 100 Euro …”.
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Was ich an Hotels gesehen habe, war also rein zufällig: In Kamini sah Eleni Petroleka’s Rooms von außen recht nett aus (gut gelegen, DZ 75 Euro, leicht zu finden), und ganz oben in Hydra-Stadt (da, wo’s ländlich wird …) finden sich im Dorfgassen-Labyrinth zwei versteckte kleine Hotels (Nefeli und Theano) in umgewidmeten Altbauten. Das Nefeli hatte in seiner Lage was Reizvolles, von außen. Es hat nur 8 Zimmer (zwischen 80 und 160 Euro, Last-Esel vom Hafen 15 Euro). Wenn Sie diese Hotels im Dunkeln nicht mehr finden, nachdem Sie unten am Hafen ein Glas zu viel hatten, ist das nicht meine Schuld … der Taxi-Esel da rauf ist dann die einzige Lösung … und, wie gesagt, ich habe im Januar keines der Häuser von innen sehen können – aber das Nefeli stellt sich im Netz vor.
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Schmale Wege, geringer Verkehr, aber eine große Brücke. (Dafür ist sie nur handtuchbreit.) Baulich nicht so edel wie im Epirus, aber bestimmt eine Freude für den aquarellierenden Hydra-Touristen. Und ja, es gibt vielversprechende Wege zu den Klöstern in den Bergen der Inseln, für die man im April mal wiederkommen sollte …!
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Ich weiß nicht, ob Leonard Cohen hier vor fünfzig Jahren herum-gewandert ist. Oder ob er nachts nur geliebt und gefeiert hat und tagsüber geschlafen und gedichtet hat (tja ja, diese Künstler …). Aber ich hatte ihn im Laufe des Tages sehr bald vergessen.
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Zwei Tage später ist es noch ruhiger am Hafen von Hydra. Am Freitag stellt Hellenic Seaways wegen Sturm den Verkehr auf der Strecke Piräus Poros Hydra Ermioni Spetses ein.
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BASISINFORMATIONEN ÜBER HYDRA:  HYDRA, SEITE 1
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3 comments

  1. Nach dem Peloponnes-Reiseführer von Michael Müller (die Ausgabe 2006 liegt mir vor) wohnte Leonard Cohen übrigens nicht in Hydra-Stadt, sondern in … (wird hier nicht verraten, sonst kriegt man da keinen Platz mehr in der Taverne) … 😉 …!

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