Post aus dem Rotlichtviertel / Saloniki

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Saloniki, Vardar-Viertel, Hauptstraße
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Versuchen Sie heute nicht, die Orte zu finden, die die folgenden Postkarten zeigen. Das Vardar-Viertel lag in der Gegend des Bahnhofs von Thessaloniki. Dort – und in der Nähe, im Baron-Hirsch-Viertel– wurden von der deutschen Besatzung 1943 Ghettobezirke für die letzten in der Stadt festgehaltenen Juden abgeteilt.
(Moritz Freiherr von Hirsch auf Gereuth, jüdischen Glaubens, aus Bayern stammend, war einer der größten finanziellen Förderer der Eisenbahn im Osmanischen Reich.)
Ghetto-Bezirke, die am Ende – nachdem der letzte Zug in Richtung der Vernichtungslager abgefahren war – ausgeplündert und völlig zerstört wurden.
(Saloniki hatte um 1900 noch 80.000 jüdische Bewohner, heute sind es noch 1.500 …)
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Im Ersten Weltkrieg lagen die Fronten noch anders. Die deutsch-österreichisch-bulgarischen Streitkräfte mußten sich – auf dem Weg nach Süden – an der langen makedonischen Grenze eingraben. Dort hielten die französisch-britisch-italienisch-griechischen Streitkräfte und ihre Hilfs-Ameen aus den Kolonien die Stellung.
Und Saloniki – erst seit den Balkankriegen 1913 Teil des griechischen Nationalstaats – war der zentrale Zugang der Allierten zum Kampfgebiet. Und Saloniki war die klassische „Etappe“, wohin man sich von der Front zurückziehen konnte. Für ein paar Ruhetage. Für ein kurzes privates Vergnügen …
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Bildunterschrift: „Le mot de passe“. Das Passwort öffnet (dem Herrn rechts) die Haustür.
Und so hatte das lokale „Rotlichtviertel“ Hochkonjunktur.
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Und da man weit weg von zu Hause war, und gar nicht ahnen wollte, was der folgende Tag im Schützengraben bringen würde, hatte hier kaum jemand einen Einwand gegen den Fotografen, der diese Form des Kriegsalltags dokumentieren wollte.
Es fragt sich nur: Wem hat man damals diese Postkarten zuschicken wollen …? Das ging doch gegen die herrschende Moral, und darüber hinaus, Prostitution gab es offiziell doch gar nicht! Na, da mußte die Feldpost-Zensur-Behörde doch einschreiten …
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So gehören diese Karten zu den wirklich seltenen Souvenirs aus der Zeit. So unerotisch sie auch wirken, mancher nostalgische Geist hat sie in der Schublade doch aufbewahrt.
(Jetzt müßte sich eine Audio-Datei öffnen, und „Pictures of Lily“ müßte zu hören sein! 🙂 )
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Also: Warten. Gehört zur Profession …
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Warten. Warten. Weiter warten …
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Das Warten scheint sich zu lohnen …
Doch die Admirateurs tun noch so, als hätten sie gar nicht hingeguckt:
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Vielleicht gehe ich mal vor die Tür …? Attacke!
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Da sind sie! Die Kompanie hat wohl geschlossen Ausgang.
Aber immer noch traut sich keiner. Der Gruppenzwang …
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Schon besser! Jetzt sind sie nur noch zu zweit …
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Und nun geht der Betrieb richtig los!
„Whose turn next?” (Wer darf als nächster?) lautet die Bildunterschrift:
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„The bargain is concluded.“ Man ist sich einig über Leistung und Preis.
Und das Bruttosozialprodukt steigt:
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Insgesamt sind Bahnhofsviertel ja nicht immer besonders rein und edel. Darauf wird hier nur diskret hingewiesen: „Quartier Vardar. Une rue bien entretenue“. Also „eine gut gepflegte Straße“. Scheint im Viertel was besonderes zu sein.
🙂
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The Who: Pictures of Lily, 1968
https://www.youtube.com/watch?v=7BmkBroiw1s

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One comment

  1. Mal ein Blick in die neuere Zeit. Den Artikel “Greek sex workers criticise Covid safety guidelines” (ekathimerini 17.06.2020) hatte ich damals übersetzt, und wieder vergessen. Jetzt finde ich den Text zufällig wieder:

    Griechische Sexarbeiterinnen sind besorgt, dass neue Gesundheits- und Sicherheitsrichtlinien zum Schutz von ihnen und ihren Kunden vor dem Coronavirus ihrem Geschäft schaden könnten.

    Die am 15. Juni in Kraft getretenen Bestimmungen fordern Sexarbeiter auf, Namen und Kontaktnummern von Kunden zu erfassen. Kunden, die dadurch die zuvor angestrebte Anonymität verlieren.
    „Welcher Kunde wird uns seine persönlichen Daten geben?“ fragt Anna Kouroupou, eine Transfrau, die Red Umbrella, eine Selbsthilfegruppe, leitet.

    Seit die Bordelle im ganzen Land am Montag wiedereröffnet wurden, schreiben die Regeln die Verwendung von Masken vor, Partner sollen Abstand halten, Bettwäsche soll nach jeder Begegnung gewechselt werden, bargeldlos soll gezahlt werden, die Kunden sollen ihren Namen hinterlassen und eine Kontaktnummer erhalten.
    “Die Regeln sind einfach lächerlich”, sagte Rita, die ein Bordell im Zentrum von Athen verwaltet.

    Am Montagabend lief das Geschäft gut. Aber mit den neuen Anforderungen fragen sich Sexarbeiterinnen, wie lange.
    “Es war verrückt, die sind total ausgehungert”, sagte Rita. Sie verlangt mindestens 15 Euro. Die hätte jeder Kunde übrig.

    Diejenigen in der Branche sind bestrebt, jetzt schnell etwas Geld zu verdienen, da Sexarbeiterinnen während der “lockdown”-Sperrung keine finanzielle Unterstützung erhalten haben. Kouroupou sammelte Spenden und sammelte Supermarktgutscheine, um anderen zu helfen.

    Sie und andere im Geschäft befürchten, dass die neuen Regeln Sexarbeiterinnen dazu zwingen könnten, in den Untergrund zu gehen. Sie lehnt auch die Vorstellung von geordneten Warteschlangen in Bordellen ab.
    „Sie brechen fast die Tür auf, um reinzukommen, weil es ihnen peinlich ist, hier gesehen zu werden. Wie sollen sie anstehen? Es ist nur lächerlich.”

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