Folegandros 3 – Das Dorf am Abgrund

Folegandros Chora Rohbau
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Noch heute dient der Landwirtschaft ein weiter Raum auf der kargen Insel. Obwohl viele der Terrassen verfallen und sich auch der Beton in die Landschaft hineinfrißt. Hier (vorne) hat die griechische Krise vor einiger Zeit die Beton-Lava plötzlich erstarren lassen.
Konjunktureller Vorschlag an die griechische Regierung: Die Abrißfirmen fördern!

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Platia Lili Bechraki
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Castro, das westliche Ende, die Platia Lili Bechraki
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Im 18. Jahrhundert hatte Folegandros hohen Besuch aus Frankreich. Für den Auftraggeber des Reisenden wurde ein ausführlicher Bericht verfaßt:
Charles Nicolas Sigisbert Sonnini de Manoncourt: „Reise nach Griechenland und der Türkei – auf Befehl Ludwig XVI. übernommen“ (Magazin von merkwürdigen neuen Reisebeschreibungen 24, Vossische Buchhandlung Berlin, 1801)
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Sonnini de Manoncourt, 1751-1812, promovierte schon 1766 als Doktor der Philosophie, mit 15 Jahren! Er war Naturforscher und Reisender (Südamerika, Ägypten). 1778 war er unterwegs in der Türkei und in Griechenland. Schwerpunkt der Reise in Griechenland waren die Inseln der Ägäis.
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Der Beitrag über Folegandros (Seite 292) ist nur kurz, denn die Insel hatte weder militärische noch wirtschaftliche Bedeutung:
„Sieben bis acht Stunden gegen Osten von der Insel Milo liegt die Insel Policandro. Von Alters her hieß sie Pholegandros, und der Dichter Aratus giebt ihr den Beynamen der Eisernen, um mit einem Worte die Idee von ihrem rauhen steinigten und, so zu sagen, eisernen Boden auszudrücken.
Die Schiffe finden auf der Küste derselben keinen Hafen, und nirgends eine Bucht, wo sie vor Stürmen sicher sind; die Volksmenge auf der Insel ist gering und schränkt sich auf die Einwohner eines einzigen Dorfes ein, das mit Mauern eingefaßt ist, und neben welchem ein himmelhoher Felsen liegt, der ganz nackt, blos mit rauhen spitzen Klippen bedeckt, und furchtbar anzusehen ist.
Der Weinstock, der in manchen Gegenden der Insel zwischen den Steinen wächst, giebt einen ziemlich guten Wein; solcher Boden hingegen, auf welchem Ackerbau betrieben werden könnte, ist äußerst selten. Nur in einigen wenigen Cantonen wird etwas Getraide und Baumwolle gebaut, und aus letzterem Product verfertigen die Einwohner einige ziemlich schöne Zeuge.“

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Ob das Sonnini de Manoncourt die Insel wirklich betreten hat, erscheint mir fraglich. Das Dorf, das er beschreibt, ist noch da: Chora. Es hat sich unter dem Einfluß des Tourismus nur über die umliegende Hochfläche und die nahen Hänge ausgebreitet. (Wo auf der wasserarmen Insel ausgerechnet Baumwolle angebaut worden sein soll, ist mir schleierhaft.)
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Castro Folegandros
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Vom „himmelhohen Felsen“ aus gesehen: Castro/Chora von Folegandros – vorne und rechts der steile Abgrund, an dem heute noch landwirtschaftlich genutzte Terrassen fast bis zum Meer hinunter genutzt werden.
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Daß die Ausdehnung von Chora zur Zeit von der Krise ausgebremst wird, wird den Autor dieser Zeilen aus der Terrain-Karte „Folegandros“ freuen. Er/sie schreibt:
If the building activity, going hand in hand with tourist development, is not controlled, Folegandros risks losing the very elements which have made it such a special destination for travelers.”
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Ja, so mancher idyllische Ort hat sich schon kaputtentwickelt, nicht nur in Griechenland …
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Da, wo heute der alte Kern der heutigen Siedlung liegt (das Castro), lag er nicht immer. In der Antike war der Berg östlich vom Dorf besiedelt (Paliokastro).
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Von der mittelalterlichen burgähnlichen Siedlung der Venezianer ist nur wenig geblieben. Von der Befestigung dieses „neuen“ Castro erkennt man kaum noch was. An die Mauern hat man innen wie außen verschachtelte Siedlungshäuschen „geklebt“. Es gibt zwei kleine Zugänge, und innen einen Rundweg und ein paar kurze Durchgänge, das war’s schon.
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Die abgeschrägte, aber doch ebene Grundfläche des Ortes erfordert auch nicht die artistisch ineinandergefügten Hauskonstruktionen, wie sie etwa am Steilhang unterhalb der alten Festung von Astypalaia existieren, oder im Dorf Kastro auf Sifnos.
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Also einfach mal rein ins Castro:
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……………………………..Castro Folegandros Eingang
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Folegandros Castro Gasse
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Man kann sich vorstellen, welcher Betrieb auf diesen Gäßchen mal geherrscht hat, welche Geräusche und Gerüche einen hier umwehten …
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Aber hier leben nur noch wenige Menschen. Und auch die zum Haushalt gehörenden Lasttiere sind anders untergebracht als früher. Nämlich auf der oberen Etage. Sie sind auch viel kleiner als früher. Wie merkwürdig:
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Esel Castro Folegandros
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Früher gehörten Esel und landwirtschaftliche Geräte ins Souterrain. Unten ist es doch auch schön:
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Chora Erdgeschoß
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Restaurationsarbeiten versuchen an vielen Stellen den alten Zustand der Ortsanlage wieder herzustellen, als noch nicht alles verputzt und kalkweiß gestrichen war.
Aber die „Künstlichkeit“ der neuen Außenfläche ist wegen ihrer Regelmäßigkeit leicht festzustellen. Die Steine sind wohl nicht stabil zusammengefügt, und sie gewähren nicht die Statik des Gebäudes. Sie sind wie Deko-Fliesen auf die alte Wand geklebt. So geht man bei vielen Neubauten heute auch vor:
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Folegandros Steinmauer
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Von unten sieht es ganz anders aus. Würden Sie sich in einem Zimmer sicher fühlen, dessen Bodenfläche von unten so aussieht … 🙂 …? Aber keine Sorge, diese Baumstamm-Steinplatten-Kombination hält seit ewigen Zeiten:
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Kykladenhaus Bodenfläche
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An den Rand des Castro sind die Aktivitäten der Bewohner und der Gäste abgewandert, die Tavernen und Läden, die kleinen Bars, die Ticket-Büros oder die Ausgabestelle der privaten Paketversender. Auch das gute halbe Dutzend Kirchen und Kapellen.
(Regel: Pro 50 Einwohner einer griechischen Insel = 1 Kapelle, mindestens …)
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Chora Platia Folegandros
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Hier (wichtig) finden Sie auch den Bäcker des Dorfes:
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Folegandros Chora Bäckerei
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Empfehlenswert: Spanakopita für unterwegs:
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Spanakopita
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Denn ein langer Spaziergang durchs Dorf und die Umgebung hat manchmal einen kleinen Zwischendurch-Imbiß verdient. Aber ich bin ja nach dem Dorfrundgang noch rauf auf den „himmelhohen Felsen“, auf dem Serpentinenweg zur Kirche der Panagia. Wie es üblich ist unter gerade Zugereisten. Außer mir war nur der Nordwind oben unterwegs. Es war nicht der beste Tag für die Panorama-Fernsicht, aber eindrucksvoll war es doch.
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2 comments

  1. “Konjunktureller Vorschlag an die griechische Regierung: Die Abrißfirmen fördern!” = jo, das würde Beschäftigung für die nächsten Jahre bedeuten. Müßte sogar subventioniert werden.
    Oder man greift zu Eigeniniative wie auf Korsika.
    vg, kv

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