Thomas Münster und Thessalien

Viele Texte geraten unverdient in Vergessenheit (es gibt ja so viele). Auch viele Autoren geraten unverdient in Vergessenheit (dabei gibt es in ihrem Themenbereich vielleicht gar nicht so viele).

Da kommt mir um zwei Uhr morgens ein Text von Thomas Münster unter die Augen:
Die Wanderhirtin Andrea“, und ich lese ihn gleich dreimal (siehe unten). Er ist so „anders“ als die braven und ernsthaften anderen Artikel im Merian-Band „Thessalien“ von 1969.

So impressionistisch und leicht sollte man über seine Reisen berichten, und ja, so viel von den Erlebnissen sollte man auch weglassen. Es sind nur drei Seiten. Münster war in den 50er oder 60er Jahren in Thessalien unterwegs, für einen Dokumentarfilm.

In ein paar treffenden Skizzen hat der Leser die Atmosphäre der ganzen Reise vor sich – der Stimmungsumschwung nach der Überquerung des Katara-Passes, das Zusammentreffen mit der so einsamen wie angstfreien jungen Hirtin in den menschenleeren Bergen, die zu ihrem Schutz offenbar nicht mal einen Hund braucht, der Junge, der seine „Sprachkenntnisse“ anwendet, die Meteora-Mönche, die nicht so dumpf und aufdringlich sind wie ihre
fanatischen Genossen auf dem Athos, der Unfall mit der Fahrerflucht des Omnibusfahrers, dessen Folgen der Dorfpolizist so lässig beseitigt, der betrügerische Kaufmann in Larissa, der abends im Kafeneion zum großzügigen Gastgeber wird.

Nun, wer war Thomas Münster? Einen wikipedia-Eintrag hat er nicht, Google kennt ihn nicht, verweist auf den Theologen Thomas Müntzer (1489-1525). Wenn man diesen Herrn ausdrücklich aus der Suche ausschließt, empfiehlt Google stattdessen Erasmus von Rotterdam (1466-1536).
Erst ein Beitrag von Μάρκος im Kretaforum hilft weiter. Zitat daraus:

„Dieser Tage ist mir nun das Buch „Reise nach Europa: ein Bericht aus Kreta“ von Thomas Münster in die Hände gekommen. Das Buch ist im Verlag Ludwig Auer ohne Erscheinungsjahr erschienen, die Deutsche Nationalbibliothek gibt als Erscheinungsjahr „[um 1967]“ an.
Thomas Münster, geboren 1912 in Mönchengladbach, studierte Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Königsberg. Er war Diplomingenieur und lebte später als freiberuflicher Schriftsteller in München, wo er 1983 gestorben ist.“

Münster war wohl um 1931 zum ersten Mal in Griechenland unterwegs, hauptsächlich auf Kreta. (Es würde mich nicht wundern, wenn er dort Rudolf Hagelstange getroffen hätte!)
Μάρκος zitiert weiter aus dem letzten Kapitel des Buches, wo Münster im „Hungerwinter“ 1941/1942 mitten in Athen auf Obdachlose trifft, die auf der Straße vor Hunger sterben.

Beim ZVAB/Abebooks finde ich ein einziges Exemplar des Buches, bei einem Antiquariat im Mühlviertel, quasi hinter den Bergen in Österreich. Noch warte ich auf die Lieferung, wie auf ein Exemplar der „Partisanenstory“ aus einer anderen Quelle.
Ich komme später darauf zurück!

Münsters Roman über eine Hirtin (!) auf Sardinien (1963) wurde sogar ins Englische übersetzt (Titel „The Sardinian Shepherdess“), und auch ins Holländische. Eine weltweite Suche findet fünf Exemplare, zwei davon in Australien, den geforderten Höchstpreis wollen wir schamhaft verschweigen …

Ich hoffe, es wird keiner etwas dagegen haben, den Text der „Wanderhirtin Andrea“ hier noch einmal zu sehen – obwohl das copyright erst 2058 freigegeben sein wird. Es wäre zu schade, den Bericht vorher einfach zu vergessen:

Von Thomas Münster gibt es verschiedene Reisebücher (Kreta, Peloponnes, Süditalien).

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2 comments

  1. Die “Partisanenstory” ist in der Nachkriegszeit des 2. Weltkriegs in Norditalien in Szene gesetzt. Thomas Münster kannte sich ja gut aus in Italien.
    Mein vom Antiquariat bezogenes Exemplar stammt ursprünglich aus der Pfarrbücherei von Sankt Mauritius in Köln. Es ist dort nicht einmal registriert worden, noch heute wie neu und definitiv ungelesen, nach 58 Jahren … wegen des Seelenheils der Pfarrgemeinde hat man es 1963 wohl gleich gut versteckt.

    1. Thomas Münster war ein Bruder meiner Mutter.Haben sie Kontakt mit seiner Familie – zwei Söhne u. eine Tochter.
      Ich höre gern von Ihnen.
      Mg
      Paul Franken

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