Hadziyannis Mexis Haus


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Es gibt Gebäude, da lohnt es sich reinzugehen, nur um mal durchs Fenster rauszuschauen. Und zwar durchs geschlossene Fenster, wenn wir über das alte Haus des Reeders Hadziyannis Mexis in Spetses reden. Es ist heute das Stadtmuseum. Und offenbar haben sich über viele Jahre die uralten, handgefertigten Glasscheiben erhalten. Meist sind sie noch kristallklar, aber sie haben oft eine Oberflächenstruktur wie Reptilienhaut. Der Blick durch diese fabrikationsbedingten Schlieren wirkt märchenhaft.
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Manche Scheiben erscheinen auch blättrig, pergamenthaft, oder frostig blind, wie Eisblumen. Die Kuratoren des Museums von Spetses sollten jedes dieser Fenster als Kunstobjekt mit einer Ausstellungsnummer versehen …
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Und das ist die “Wirklichkeit”, ohne den gläsernen Filter:
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Oder hier, die Häuser von Spetses quasi “im Winterkleid”:
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Das in den Jahren 1795-1798 vom Reeder Hadziyannis Mexis erbaute Stadthaus enthält heute im ersten Stock das Museum von Spetses. Wie im Bouboulina-Museum am Tag zuvor bin ich der einzige Besucher an diesem windigen Maitag. Am Eingangstisch eine wechselnde mehrköpfige Parea von Angestellten und (wahrscheinlich) Freunden aus der Nachbarschaft, deren Diskussion jedesmal in ein Flüstern übergeht, sobald ich irgendwie in ihr Sichtfeld gerate.
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Ansonsten höre ich meine Schritte in einer Stille, die höchstens mal eine ignorante Fliege stört …
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Das Licht spielt durch das Halbdunkel der Räume wie durch eine vergilbtes Bilderbuch. Gerade hat es jemand vom Dachboden geholt und staunt … geschnitzte Bugfiguren, archäologischer Kleinkram, Keramik und Geschirr aus barockem Haushalt, Trachten, Möbel, Waffen, Portraits von lokalen Größen und Revolutionären, und die Überreste aus dem Grab der Bouboulina, der ‘Kapetanissa’ der griechischen Befreiung, in einem polierten Schmuckkästchen.
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Für die Griechen der Höhepunkt: Das ‘patriotische’ Zimmer aus der Befreiungszeit
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‘Bouboulina an Bord der Agamemnon’ von Peter von Hess (lange nach der Belagerung von Navplio gemalt, von Hess kam erst 1833 nach Griechenland), und rechts ihre konservierten Überreste
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Und immer wieder Bilder von aufgetakelten Schiffen. Spetses lebte ja vom Getreidetransport vom Schwarzen Meer bis nach Italien und Spanien:
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Und die ganze Ausstellung präsentiert sich zum Glück nicht “modern” in Aluminium und Panzerglas und indirektem Licht, sondern in uralt-verwohnten Räumen, die so wirken, als ob sie noch den Originalfarbaufstrich auf dem Holz tragen. In Räumen, die der Reeder und Inselgouverneur Mexis vor zweihundert Jahren durchweht hat, ukrainische Weizenpreise, osmanisches Steuerrecht und die Piratengefahr im Kopf. In Räumen, die aussehen, als ob er die Tische und Stühle gerade mal so stehen gelassen hat. Das Personal hat nur die leeren Tassen und den Raki weggeräumt …
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Und sage einer, ein griechischer Geschäftsmann habe keinen Humor. Was Nettes aus der Küche haben wir ja auch, nicht nur Heldenfahnen! Hier, ein hüftstarker Eros auf einem barocken Präsentationsteller:
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Das Haus wirkt jedoch außen von erschreckender Strenge, schmucklos und abweisend. Es ist noch entstanden, als der endlose Kampf gegen die nordafrikanischen Piraten auf dem Höhepunkt war, und nicht lange nach der kompletten Zerstörung von Kastelli, dem ummauerten Hauptort der Insel, im türkisch-russischen Krieg von 1770. Spetses hatte sich damals auf die russische Seite gestellt, und der Sultan in Konstantinopel hatte leider gewonnen …
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Ja, da wurde das Haus eines reichen Reeders – nur ein paar Schritte vom Strand – eben gleich als Burg konzipiert. Wer es hier schaffte, in den Hof einzudringen, konnte in dem U-förmigen Gebilde gleich von zwei Seiten unter Feuer genommen werden, wenn er versuchte, die schmalen steilen Treppen zum Wohnbereich hinaufzustürmen.
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“Kapetan Hadziyannis, draußen steht einer mit ‘nem Holzbein, ‘nem schwarzem Kopftuch und ‘ner Axt in der Hand. Wollen wir den reinlassen …?”
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