Saloniki – die bulgarische Front 1915-1918

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Mai 1916. Abgeschossener und ausgebrannter deutscher Zeppelin in Thessaloniki.
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Auf dem ersten Höhepunkt der Ansichtskarten-Manie am Anfang des 19. Jahrhunderts unterschieden sich die Karten von Athen und Thessaloniki in fundamentaler Weise.
Die Ansichtskarte – das war mal ein weit verbreitetes Kommunikationsmittel, dessen Hersteller und Absender bei den “Ansichten” vor nichts zurückschreckten. Auch vor keiner Geschmacklosigkeit. Erdbeben, Feuer oder Weltkrieg, alles ging. Auch Erotik, aber diese Karten vertraute man nicht der Post an …
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Thessaloniki/Saloniki konnte nicht solch weltberühmte Artefakte der Antike wie Athen vorzeigen. In Athen wurden Dutzende, ja Hunderte von verschiedenen Ansichten der Akropolis und anderer antiker Sehenswürdigkeiten angeboten.
Aber Aussagen über das aktuelle Alltagsleben in der Stadt gab es kaum. Vielleicht wäre es peinlich gewesen, solche Banalitäten der Familie oder dem Kollegium zu Hause ausgerechnet von diesem geschichtsträchtigen Ort zuzuschicken?
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Ganz anders im Norden des Landes, in der Vielvölkerstadt Saloniki, die bis 1913 noch unter osmanischer Herrschaft stand. Was fiel dort schon auf aus der ganz ganz alten Zeit, bis auf den Galeriusbogen oder den Weißen Turm?
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Aber 1917 brannte die halbe Altstadt von Saloniki ab. Das war doch mal was Mitteilenswertes – und es waren wohl mehr Fotografen als Feuerwehrleute unterwegs. Folge: Es gibt zahlreiche Katastrophen-Karten in den Souvenirläden, und da wurde auch gerne zugegriffen …
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Touristen? Gab es 1917 keine in der Stadt. Aber die Stadt war im 1. Weltkrieg plötzlich zu einem Brennpunkt des Weltinteresses geworden. Hunderttausende von alliierten Soldaten wurden hier durchgeschleust. Und natürlich griffen die auch gerade dann zu, wenn ihre alltäglichen Kriegserfahrungen auf den Karten reflektiert wurden. Da werden Truppen-Kontingente an Land gebracht, da werden feindliche Flugzeuge vom Himmel geholt. Davon sollten die Leute zu Hause in Frankreich oder Australien natürlich was zu sehen kriegen …
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Hier werden abgeschossene deutsche Flugzeuge im Triumphzug durch die Stadt gebracht …
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… und in den Grünanlagen am Weißen Turm ausgestellt:
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Griechenland war zunächst neutral geblieben. Während der Premierminister Venizelos den Kriegseintritt befürwortete, war der griechische König dagegen. Warum?
Der griechische König Konstantin I. (1868-1923) war mit Sophie von Preußen verheiratet, der Schwester von Kaiser Wilhelm II.! Wer führt schon Krieg gegen seinen Schwager …? Nebenbei: Konstantin hatte in Heidelberg und Leipzig studiert, zur militärischen Ausbildung lebte er in Berlin.
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Landung italienischer Truppen im Hafen von Saloniki
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Die griechische Neutralität wurde auch sofort unterlaufen. Am 05.10.1915 landeten die alliierten Truppen in Thessaloniki, unter französischer Führung, die ihre Kolonial-Truppen aus Nordafrika, dem Senegal und aus Indochina hier einsetzte, als “Armée D’Orient”:
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Entlang der bulgarisch-makedonischen Grenze bildete sich eine Front, an der fast vier Jahre lang ein sinnleerer und brutaler Grabenkrieg geführt wurde, der eigentlich auf beiden Seiten nur dazu geführt wurde, um die gegnerischen Streitkräfte am Ort zu binden und von der Unterstützung an der französisch-deutschen Front abzuhalten.
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Die Bulgaren hatten sich auf die Seite der Mittelmächte (Deutschland, Österreich-Ungarn, Türkei) gestellt, weil sie die Gebietsverluste aus dem letzten Balkankrieg (1913) revidieren wollten. Territorium in Serbien und Makedonien sollte zurückgewonnen werden. Ihre Hoffnung erfüllte sich nicht. Im Gegenteil, 1923 wurde auch West-Thrakien Griechenland zugesprochen, das in West- und Ostmakedonien eroberte Gebiet ging auch verloren.
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Erst am 29.06.1917 erklärt Griechenland offiziell den Mittelmächten den Krieg.
König Konstantin I. dankt ab.
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Griechische Truppen landen in Saloniki. Diesmal zum Kampfeinsatz an der bulgarischen Front, nicht nur als „neutrale“ Ordnungskraft im Hintergrund.
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„1918 umfasste die bulgarisch-deutsche Streitmacht 626.000 Mann (davon nur 30.000 Deutsche), 1.600 Geschütze und 80 Flugzeuge. Der Entente standen 628.000 Soldaten zur Verfügung, 1.800 Geschütze und 200 Flugzeuge. Davon waren 180.000 Franzosen mit acht Infanterie- und einer Kavalleriedivision, 150.000 Serben (davon 20.000 jugoslawische Freiwillige) mit sechs Infanterie- und einer Kavalleriedivision, 135.000 Griechen mit neun Divisionen, 120.000 Briten mit vier Divisionen, 42.000 Italiener mit einer Division sowie 1.000 albanische Soldaten. Die makedonisch-bulgarische Front war 450 km Kampfgebiet.“
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Salonikifront#Griechenland
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Im September begann an der Front die entscheidende Offensive der alliierten Truppen. Am 29.09.1918 wurde der Waffenstillstandsvertrag in Thessaloniki unterzeichnet. Frieden, wenn auch nur vorläufig. Kriegsbezogene Ansichtskarten gab es nun im Sonderangebot … 🙂 …
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Und auf der anderen Frontseite? Die Bulgaren produzierten keine patriotischen Karten. Wem hätte man sie auch schicken sollen?
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Unter dieser Karte, die ein Nachschublager in Makedonien zeigt, steht schlicht und harmlos: Македонски Планини = Mazedonische Berge.
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Dabei erkennt man, das sich hier Männer in einheitlicher Uniform und mit Pferd (!) und Wagen (!) aufhalten, und ein Offizier mit seinem Hund.
Der makedonische/bulgarische Bauer im Bergland sah anders aus. Er baute auch kein Zeltlager in seinen Hof. Er hatte auch kein Pferd und keinen Wagen.
Wenn er nicht in Arbeitsklamotten mit seinem Esel unterwegs war, wie auf der Karte unten, trug er die landestypische Tracht:
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Patriotische Karten, die den Krieg an der bulgarischen Front reflektieren, gab es natürlich im kriegsbegeisterten Deutschland. Hier Kaiser Wilhelm II. (rechts, der mit dem Karnevalshut) mit dem bulgarischen Zar Ferdinand I. (der war ein aus dem Hause von Sachsen-Coburg-Gotha importierter Fürst und regierte seit 1887):
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Mit dem neuen deutschstämmigen Chef im Lande gab es seit 1889 das illustrierte Woerl-Reisehandbuch „Bulgarien“, denn „viele Reisende, die sich früher bei dem Gedanken einer Reise durch Bulgarien gelinde schüttelten,  (sollten sich) heute dazu leichter bereitfinden“.
Das steht im Vorwort. Aber das führt jetzt weg vom Thema.
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Es gab diese Geburtstagskarte mit den Farben der Mittelmächte:
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Oder diese Postkarten-Huldigung an Zar Ferdinand, die ja fast zu Tränen rührt.
Zu Lachtränen:
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Der “Kriegsfreiwillige” ganz links reibt sich schon die Tränen aus den Augen:
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Das Quartett der späteren Kriegsverlierer: Kaiser Wilhelm II., Kaiser Franz Joseph I.,
Sultan Mehmed V., Zar Ferdinand I.:
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Vereinte Kräfte führen zum Ziel. Hm ja, manchmal …
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Ein Buch zum Thema, von einem Augenzeugen:
“Salonica And After – The Sideshow that ended the war”
H. Collinson Owen
Hodder & Stoughton 1919
(Moment! Ich sehe gerade, das Buch wurde tatsächlich 2010 neu aufgelegt,
am heutigen Tag Platz 11.380.398 auf der Amazon-Bestseller-Liste …)
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Nachtrag 21.09.2018:  Es tauchen in den letzten Tagen immer mehr Postkarten aus der Zeit auf. Offenbar hat jemand in Frankreich eine Sammlung aufgelöst.
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Verladung von Artillerie im Hafen von Saloniki. Bemerkenswert ist, daß diese Karte erst Ende August 1921 verschickt wurde. Drei Jahre nach Kriegsende!
In Makedonien waren immer noch französische Streitkräfte stationiert. Karten gehen z.B. an einen “cher camarade” von Saloniki nach Florina. Und in Florina ist es langweilig und man beneidet den “camarade” in Saloniki – wo es genug Unterhaltungsmöglichkeiten gibt – besonders im parkartigen Umfeld des Weißen Turmes.
Und die Verkehrssprache mit Reisenden und Zugereisten war damals in Griechenland nicht englisch, sondern französisch (Salons reserve pour déjeuner et dîner en commande):
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