Tinos: Die Taubentürme

Den Griechen haben seit je her die Tauben nicht viel bedeutet, lediglich auf dem Eßteller sind die Jungvögel (pitsounia) willkommen. Daher sind die heute noch etwa 800 erhaltenen Taubenhäuser bzw. Taubentürme auf Tinos einzigartig. Die ältesten Türme stammen aus der venezianischen Zeit um 1700.

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So manche der mörtellos aus Steinen gelegten alten Trockenmauern um die Grundstücke mußte schon erneuert werden … weil immer wieder Fotografen draufgeklettert sind, sagte Stathis aus Mesi, dem der im Hintergrund stehende Turm gehört …

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Mesi, bei Steni … fotografenfeste Mauern

Es wird vermutet, daß die Tauben von den Venezianern als Nachrichtenboten eingesetzt wurden. (Das älteste Taubenhaus der Insel ist auch in der Befestigungsanlage am katholischen Kloster von Exombourgo nachgewiesen … und die frühesten Erbauer waren wahrscheinlich “importierte” Handwerker aus Norditalien.)

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Die Taubentürme sind meist außerhalb der Ortschaften gebaut, in die Landschaft “hineingestreut” wie die ebenso vielen kleinen Kapellen und Windmühlen … im Frühjahr ein lohnendes Ziel für Wanderer! Aber an das Tal von Tarambados mit seiner vielgestaltigen Gruppe von Türmen kommt man auch leicht mit dem Auto heran.

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Ort und Form der Türme war durch die Funktion bestimmt: Die Tauben sollten ungestört sein, sie sollten nordwindgeschützte Ruheplätze an der Südseite der Türme finden, und in der Nähe mußte eine Wasserquelle sein. (Das baumlose Tinos war früher mit Grundwasser recht gut versorgt.)

Die meisten Türme wirken von außen “mehrgeschossig”, innen ist es gewöhnlich nur ein einziger Raum (der nebenbei gewöhnlich als Abstellraum genutzt wurde). Der Zugang zu den Taubennestern im oberen Teil wurde nur bei Bedarf mit Leitern hergestellt. Denn jungvögeljagende Schlangen und Katzen haben keine Angst vor Treppenstufen …

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Südostfront eines Taubenturms

Die Nordseite der Gebäude ist kahl und ungestaltet, die Dächer sind flach. Die Kanten der Gebäude sind oft mit Windschutzmauern verängert. Die Südseite ist oft zickzackartig gebaut, was die Sonneneinstrahlung erleichtert und eine längere Strecke von Ruheplätzen in den aus dünnen Schieferplatten hergestellten Hohlformationen bringt.

Bei diesen architektonischen Ornamenten hatten die alten barockgeprägten Baumeister freie Hand zur Gestaltung. Dreiecke, Vierecke, Kreise finden sich … schräge Formen, in denen man als Taube eigentlich nicht gerade gerne sitzt … aber auch schematisierte Sonnen- oder Zypressenformen. Gewöhnlich gibt es zur Sicherheit nur ganz wenige Eingänge ins Innere der Türme.

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Die älteren Türme sind meist recht klein, die neueren … aus dem 19. Jahrhundert … haben oft einen Zug ins Monumentalische. Um 1930 herum wurde Taubenzucht und Türmebau völlig eingestellt. Trotzdem findet man noch gelegentlich neuere (kleine) Häuser oder auch architektonische Merkmale dieser Türme zum Schmuck von Wohngebäude-Neubauten.

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Modernes Taubenhaus

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Zum Taubenturm umgebaute Windmühle

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Friedvolle Tage für die Tauben, am Friedhof …
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Livadha-Tal
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Im Livadha-Tal
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Falatadhos
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Falatadhos, Fenster-Fries über Haustür. Dazu Johannes Rüber: “Hier auf Tinos – und nur hier – setzt man statt der Dreiecksplatte über Fenstern und Türen meist die von Ornamenten durchbrochene Marmorscheibe, Phengitis, die Leuchtende, genannt.” (aus ‘Das Tal der Tauben und Oliven’, Freiburg 1979)
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Koumaros
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Koumaros. Die Peristerones haben gewöhnlich eine isolierte Lage, abseits von der Wohnbebauung. Hier ist der Turm Bestandteil des selbst isoliert stehenden Bauernhauses.
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Natürlich gibt es auf den Nachbarinseln auch einige Taubenhäuser – wie dieses hier auf Andros:
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Andros Taubenhaus
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Aber selten sind sie so sorgfältig ausgeführt wie auf Tinos.
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Weitere Informationen über die Taubenhäuser, die Landschaft und die Landwirtschaft auf Tinos zum Beispiel hier (es gibt hier noch ein Dutzend weiterer Seiten über die Insel):
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Literatur: ÄGÄIS – DIE ANBETUNG DER TAUBEN
Emmanuela de Noa, Costas Vrettakos
Tria Phylla, Athen, 1982

6 comments

  1. Die Tauben wurden nicht nur als Boten oder Leibspeise eingesetzt, sondern lieferten auch wertvollen Mist, auf den Inseln eine sinnvolle Recource.

  2. Stimmt genau, das mit dem Mist! Ich wollte mit der Einleitung auch nur drauf hinweisen, daß die Tauben weder sportlich noch romantisch betrachtet wurden, wie in Nordeuropa. Theo

  3. “… man sieht ferner weisse Kirchen und eine Menge weisse Thürmchen, die nicht sehr hoch sind, an jeder Ecke mit Zinnen und oben mit durchbrochnem Mauerwerk geziert. Es sind Thürme für die Tauben, viel sorgfältiger und zierlicher gebaut, als die gewöhnlichen Häuser.”
    Aus ‘Reise durch alle Theile des Königreichs Griechenland in Auftrag der Königl. Griechischen Regierung in den Jahren 1834 bis 1837″, von Karl Gustav Fiedler, Band II, S. 229.
    Das ist allerdings das Kapitel über Andros. Andros war die erste Kykladen-Insel, die Fiedler besuchte. Fiedler kannte da Tinos noch gar nicht.

  4. Nach fünf Jahren mal wieder auf Tinos. Ich hab’ mich sehr auf ein Täubchen gefreut. Nichts war’s !
    Angeblich ist es zumindest in Tavernen verboten. Seltsame Taubeninsel, auf der man keine Essen darf.
    Morgen geht’s nach Naxos, hoffentlich gibt’s da für uns noch Kartoffeln.

    Ansonsten bleibt Tinos für uns eine der freundlichsten Inseln (Sind Gestern zu selbsgebrannten Raki, Kolourekia, Glyka und Wasser von einem alten Ehepaar eingeladen worden).

    Grüße aus Tinos

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