Hellas vor 200 Jahren – Otto Magnus von Stackelberg

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Spinnende Frau, Delphi
(aus “Costumes et usages des peuples de la Grèce moderne”, 1825)

Der estländische Maler, Schriftsteller und Archäologe Otto Magnus Baron von Stackelberg (1787-1837) war einer der ersten bedeutenden Erforscher der Altertümer und Chronisten der Neuzeit in Griechenland.

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Bereits 1803, im Alter von 16 Jahren, wurde er an die Universität Göttingen geschickt. Doch schon auf der ersten Reise in die Schweiz und nach Italien löste er sich von den familiären Plänen, ihn zum Diplomaten ausbilden zu lassen. Stackelberg widmete sich der Kunst und der Archäologie (von 1806-1808 an der Dresdner Galerie).

Auf seiner zweiten Italienreise (1809) lernte er in Rom den Kunsthistoriker und Architekten Carl Haller von Hallerstein, den dänischen Archäologen Peter O. Bröndsted und den Altphilologen Georg Koes kennen. Mit ihnen und vier weiteren Archäologen (Jakob Linckh, Georg Christian Gropius sowie Charles Robert Cockerell und John Foster) reiste er 1810 nach Griechenland. Zu den archäologischen Forschungen sollte der 23jährige Stackelberg die Illustrationen beitragen.

An mehreren Stellen begannen ihre Ausgrabungen, u.a. am Apollo-Tempel von Bassae in Arkadien und am Zeus-Tempel in Ägina. 1814 kehrte Stackelberg nach Hause zurück.

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Aphaia-Tempel Aegina (Ausschnitt)

1826 veröffentlichte er “Der Apollotempel zu Bassae in Arcadien und die daselbst ausgegrabenen Bildwerke” mit seinen eigenen Bildern. Er war inzwischen nach Rom übergesiedelt. Von dort aus bereiste er (bis 1828) weiterhin Italien, Griechenland und die Türkei.

1830 erschien sein “La Grèce. Vues pittoresques et topograhiques” in Paris, 1831 in Berlin “Die Trachten und Gebräuche der Neugriechen” – in der endgültigen Form. Dieses Buch hatte zwei Vorgänger: Es gab eine vorherige (ähnliche) Ausgabe in Berlin, die einen Raubdruck aus Italien vom Markt verdrängen sollte, nämlich: “Vestiture Ed Usi De’ Popoli Della Moderna Grecia”, 1827. Die erste Berliner Ausgabe ist verschollen, bis auf ein einziges Exemplar, das Stackelberg Goethe geschenkt hatte.

(Sotheby’s versteigertete 1989 ein Exemplar des italienischen Raubdrucks für umgerechnet 5.200 Euro, und ein Exemplar der Berliner Ausgabe von 1831 für umgerechnet 15.000 Euro. Ein Exemplar von “La Grèce” brachte umgerechnet 19.500 Euro. Ein Exemplar von “Die Gräber der Hellenen” von 1837 brachte 6.800 Euro. Alle Bände stammten aus der Sammlung von Henry M. Blackmer.)

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Arkadische Hirtin

Siehe auch: “Otto Magnus von Stackelberg. Der Entdecker der griechischen Landschaft 1786-1837” von Gerhart Rodenwaldt, DKV 1957 (Rodenwaldt war Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts)

Die Familie von Stackelberg hat übrigens eine eigene website. Hier die Seite über Otto Magnus, den Archäologen:

http://www.von-stackelberg.de/personen/otto-magnus-archaeologe.htm

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Varlaam-Kloster, Meteora, 1812

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Poros (Ausschnitt)

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NACHTRAG 22.03.2013
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Während man mit mageren Worten Stackelbergs Biographie und Reise-Tagebücher nachvollzieht, sieht man allzu leicht über die Schwierigkeiten hinweg, die die Archäologen und Künstler in Griechenland vor 200 Jahren noch hatten. Das fällt mir auf, während ich „Die Hamburger Philhellenen“ von Dr. Bernard Vonderlage lese (Gerstung & Lehmann, Göttingen, 1940).
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Nicht nur, daß gerade die Landschaftszeichnung damals leicht mit Spionage in Verbindung gebracht werden konnte, Stackelbergs Spezialität war ja auch die Portrait- und Kostümzeichnung. Und gerade jungen Damen näherzukommen, konnte schon riskant sein. Vonderlage veröffentlicht in seinem Buch den Reisebericht des Hamburgers Ascan Lutteroth-Linnich: „Tagebuch der Reise von Saloniki nach Athen im Oktober 1813“. Schon in Panormos (wohl ein Ort auf der Halbinsel Kassandra) gerät die Reisegesellschaft in Schwierigkeiten, weil einer der Herren ein besticktes Seidentuch anfaßt, das eine der lokalen Schönheiten auf der Brust trägt. (Man hatte sie eingeladen, den Damen beim Sticken zuzusehen.) Der Dolmetscher muß die Frau beschwören, daß „der Sünder blöd von Gesicht sey“, also kurzsichtig ist (?), nachdem sie droht, die Dorfoberen anzurufen, um ihm wegen seiner sexistischen Attacke eine Tracht Prügel zu verpassen. (Vielleicht hat er ihr ja noch gesagt, ein Dirndl stände ihr auch echt gut … 🙂 …) Wenigstens: „Ganz gegen die Sitte der morgenländischen Damen fanden wir die von Trikeri (Pilion) sehr freundlich,“ stellt Lutteroth-Linnich ein paar Tage später fest.
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Das größte Problem ergab sich im damals noch osmanischen Reich durch die Reisetätigkeit selbst. Besonders für Leute, die überall nach archäologischen Orten und künstlerischen Motiven suchten, wie zum Beispiel auch Otto Magnus von Stackelberg.
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Überhaupt: Erstmal hinkommen nach Griechenland! Noch gab es um 1800 nicht einmal die Personenschiffahrt in der Adria! Die Philhellenen aus Nordeuropa, die den griechischen Unabhängigkeitskampf unterstützen wollten, machten in der Regel einen Umweg über Marseille. Viele nahmen den östlichen Weg über Odessa, Konstantinopel und Smyrna (Izmir). Wer damals nicht erhebliche Barmittel zur Verfügung hatte, für den war in der griechischen Revolution als Freiwilliger kein Platz. Enorme Reisekosten, Kosten für Unterkunft und Verpflegung und Bewaffnung, das mußte man schon selber tragen, und die gesamten Reisekosten waren oft völlig unkalkulierbar.
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Die Reise auf den kleinen griechischen Segelbooten war noch das Angenehmste. Wer über Land reiste, mußte ständig wechselnde Mietpferde besorgen und zuverlässige lokale Reiseführer, er fand oft kein ungezieferfreies Dach über dem Kopf und die Verpflegung war erbärmlich. Immer wieder konnte man den Bauern nur Eier oder Hühner abkaufen, vielleicht etwas Käse.
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Als Besonderheit kam noch dazu, daß ja der Sultan oder der regional herrschende Pascha generell die Steuerrechte verkauft hatte! Wer im Dorf was zu sagen hatten, kaufte bei der Obrigkeit das Steuereinzugsrecht und sah zu, daß er aus seinen Nachbarn einen gehörigen Überschuß herausholte, notfalls mit Gewalt. Und auch die Gebühren für die Wegerechte wurden so eingetrieben. Ständig wurden Reisende an entscheidenden Stellen aufgehalten, mit offener Hand. Auf einer Strecke wie Athen-Saloniki war es absolut nicht abzusehen, was man für diese legale Wegelagerei aufbringen mußte. (Lutteroth-Linnichs Reisegesellschaft macht den Rückweg auf dem Landweg, und kommt völlig mittellos wieder nach Saloniki zurück.)
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Dann schon lieber übers Wasser, trotz Flaute, Nordsturm, Seekrankheit, Pest-Quarantäne und der damals noch allgegenwärtigen Seeräuberei.
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Ascan Lutteroth-Linnich trifft zwischen Evia und dem pagassitischen Golf auf ein Fischerboot: „Unterwegs stießen wir auf einen Fischer, der uns die Nachricht mitteilte, daß Seeräuber den Kanal von Negroponte (Halkis) unsicher machten, und daß vor acht Tagen ein Mylord von ihnen gefangen worden sey.“ In Trikeri sagt man der Reisegesellschaft, die hier Schiffe für einen bewaffneten Konvoi sucht, daß die Geiselnahme vor acht Tagen in der Nähe von Skiathos stattfand, und daß es sich um einen „Herrn Edward Edward Dodwell aus Athen“ handele. Für die Freilassung würden jetzt 50.000 Francs verlangt (eine Riesensumme).
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Diese Auskunft ist jedoch falsch. Der Entführte ist nämlich … Otto Magnus von Stackelberg!
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Lutteroth-Linnich begegnet später Edward Dodwell in Athen auf der Straße, und er hört, daß “Herr von Stackelberg, ein livländischer Baron, der Athen vor kurzem verlassen hatte, von den Seeräubern gefangen genommen sei” und daß “sein Freund, Herr von Haller, bereits nach Negroponte abgegangen sey, um an seiner Befreiung zu arbeiten”.
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In ernste Lebensgefahr kam Stackelberg, als er im Herbst 1813 bei der Ausreise aus Griechenland unweit Euboea in die Hände albanesischer Seeräuber geriet, deren Treiben sich der Begünstigung Ali Paschas erfreute. Ein ungeheures Lösegeld wurde für den vornehmen Fremden gefordert. (…) Nur ein Teil des geforderten Lösegeldes konnte in Athen aufgetrieben werden. (…) Zwei glückliche Zufälle, der eine, daß ein reicher Arzt gerade mit einer größeren Geldsumme nach Athen kam, der andere, daß die Räuber aus Furcht vor einer türkischen Fregatte sich mit einem geringeren Lösegeld zufrieden gaben, retteten Stackelbergs Leben. Haller (Carl Haller von Hallerstein, ein Freund Stackelbergs) brachte die Geldsäcke in die Höhle der Räuber.“ (aus: Gerhart Rodenwaldt „Otto Magnus von Stackelberg – Der Entdecker der griechischen Landschaft“, Deutscher Kunstverlag München Berlin, Hrsg. Deutsches Archäologisches Institut, nach 1945)
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„Als Stackelberg auf der Heimreise am 2. Oktober unter die Räuber fiel und diese ihn nur gegen ein Lösegeld von 18.000 Piastern freilassen wollten, war es selbstverständlich wieder Haller, der für seinen Freund in die Bresche sprang, Geld (14.500 Piaster) auftrieb, mit einem Dragoman zur Insel Pontikonisi zwischen Euböa und Thessalien fuhr und tatsächlich Stackelberg für 10.000 Piaster freibekam.“ (aus: „Carl Haller von Hallerstein in Griechenland, 1810-1817“, hrsg. von Hansgeorg Bankel, Reimer/Berlin 1986)
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7 comments

  1. Hello, could you tell me if Stackelberg has done a picture of the spring Castlaia ( I know his large view of Delphi ) when he was with Bronsted ?
    I am doing a study about this spring for a PhD.
    Thank you very much
    Best wishes !

  2. I checked Rodenwaldt’s book again – from the information in the book I could not tell if Stackelberg visited Delphi with Bröndsted at all, and I have never seen a picture of the Kastalia spring that Stackelberg made (but don’t stop searching for it, I am hardly an expert on things like this!). Good luck!
    Check:
    http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Stackelberg,_Otto_Magnus_Freiherr_von
    It least you will find a quote that Stackelberg made about Delphi and the fountain:
    “Von Delphi bemerkt St.: „Die Sonne steigt in glänzender Pracht empor und beleuchtet das Thal des Parnassos; es wird warm trotz der Winterzeit; immergrüne Bäume bedecken das aufblühende Thal; Adler schweben langsam um die mächtigen Felshörner; ein friedliches Leben regt sich auf den Bergen und im Thal; die castalische Quelle sprudelt in klaren Wellen aus dem Felsen; amphitheatralisch erheben [344] sich die Fundamente der Stadt über die Tiefe. Delphi ist zerstört, aber die Götter haben Delphi nicht verlassen.“”

  3. Please let me know where I can find the book (?) or article written by Ascan Lutteroth-Linnich: „Tagebuch der Reise von Saloniki nach Athen im Oktober 1813“.
    and referred to in your site.
    I will be grateful for your help.

  4. Definitely a very hard to find item, Yannis! I happen to own a copy of the book “Die Hamburger Philhellenen”. Page 13-51 is the travel diary of Ascan Lutteroth-Linnich: „Tagebuch der Reise von Saloniki nach Athen im Oktober 1813.”

    This travel essay was found in the personal diaries of Ascan Lutteroth-Linnich (1788-1856). He obviously never published it in his lifetime. (Don’t confuse him with the painter Ascan Lutteroth, who was his grandson!)

    The Lutteroths were a famous gentry family from Hamburg. Ascan Lutteroth-Linnich was an engaged friend of Greece, and he used to collect money for the Greek uprising/revolution in the 1820s.

    1. Thank you for your answer. I was late responding because of illness.
      I would like to ak you if it possible to make a photocopy for me from the relevant pages of the book (13-51) BUT ONLY the ones that refer to Salonica. I will reimburse all expenses
      Please send me your answer to sagem3@gmail.com
      Have a Happy New Year
      Yannis Megas

  5. Sorry to disappoint you, Yannis. Lutteroth-Linnich was actually living in Thessaloniki (Salonica) in 1813 running some kind of private business.
    So when he decided to write a travel diary about his journey to Athens, he actually did NOT talk about the town where he was living.
    (Just like, if you lived in Berlin and decided to write about your recent trip from Berlin to New York, you would hardly mention anything about your hometown Berlin in your travel book. It is just a starting point for your journey.)

    There are just a few lines about the gathering of some fellow travellers/friends at the start of Lutteroth-Linnichs diary, and spending the night in some kafeneion waiting for proper weather conditions before sailing away from the harbour of Salonica.

    And Lutteroth-Linnich obviously did not see anything “exotic” or “picturesque” in the town he was living anymore, that he wanted to point out to the general public. In fact, he never even published this diary during his lifetime.
    (Maybe the Ottoman government would have hated a foreign resident of Salonica to publish information about the city!)

    1. Thank you very much for your detailed answer. It is a pity, since very seldom we find descriptions from merchants.

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