Spetses

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Spetses Hafenstraße Tag
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Spetses Hafenstraße Abend
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Die Kapitänshäuser sind älter als die schmale Straße, die am Meer entlang zum Alten Hafen führt … eine der schönsten Strecken der ganzen Insel.
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Mit ebensoviel Neugierde wie Skepsis hatte ich mich auf diese Insel vorbereitet. Hatte sich da nicht der griechische Geldadel ausgebreitet und hielt die Preise hoch? Potentiellen Gästen werden Zimmer in edlen Herrenhäusern angeboten. Von Gastgebern, die keine Kinder unter 16 Jahren im Hause haben wollen. Hm, wenn ich mit zwei Flaschen Retsina aus dem Supermarkt ins Haus käme, kriegte ich da wahrscheinlich auch Hausverbot wegen nächtlicher Randaliergefahr …? Und dieses Hotel an der Hafenstraße hatte abwertende Kritiken, weil es dort “so laut” sei? Wie? Auf einer autofreien Insel, wo zwischen dem Nachmittag und sechs Uhr morgens nicht mal Moped gefahren werden darf (laut Reiseführer), ist es … laut?
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Ich besorge mir ein (nicht wirklich preiswertes) Zimmer in der “Villa Horizontes”, die trotz ihres großes Namens doch eher bescheidene “rooms” vermietet. Mit Meeres-Aussicht vom Balkon. In ihrem englischsprachigen Internetangebot ist sie 250 Meter vom Meer entfernt, in der griechischen Version 150 Meter, bei GoogleEarth eher 350 Meter. GoogleEarth hat Recht.
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Man besteht darauf, mich am Hafen abzuholen. Im Gassengewirr fände ich sonst nicht rauf.
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Sonntagmittag,. 8. Mai. Der Flying-Cat aus Piräus ist bei Ankunft in Spetses fast leer. Fast alle Passagiere haben das Boot in Hydra verlassen. Am autofreien Hafen steht erwartungsvoll … nein, keine Maultiere, hier ist nicht Hydra, sondern eine Reihe Taxis (Mercedes) und Dreiräder (Piaggio), und Christo, mein Gastgeber. Er lädt meine Tasche aufs Mofa, gibt mir vom Uhrturmplatz aus eine grobe Richtungsanweisung. Der Uhrturmplatz wirkt äußerst volkstümlich … Pita, Pasta, Pizza, nix Prada. Tja, ich bin da … die Skepsis ist weg. Fünf Tage wollte ich ursprünglich hier bleiben, und ich ahne schon am ersten Tag, es werden mehr als fünf. Es werden acht.
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Besucher aus der Ferne werden am Alten Hafen noch heute mißtrauisch beäugt. Würden Sie sich diese Gorgone nach dem Weg zum Hotel fragen?
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Nun, Spetses ist nur eine winzige Insel. Politisch gesehen, war das nicht immer so. Zu Zeiten der griechischen Nationsbildung am Anfang des 19. Jahrhunderts, als Athen noch ein Ziegendorf mit 2000 Einwohnern war, waren Spetses (und Hydra) reiche Hafenstädte mit hunderten von Schiffen und großem wirtschaftlichen und militärischen Einfluß. Spetses (heute 3500 Einwohner) hatte um 1820 etwa 20.000 Einwohner, und einige der treibenden Kräfte der Revolution, zum Beispiel die Kapitänswitwe Laskarina Bouboulina (1771-1825), lebten hier.
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Inseltypisches Kieselpflaster vor dem Kloster Agios Nikolaos, an dem 1821 die Revolutionsfahne gehißt wurde.
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Und … vom Aussehen der Stadt im 19. Jahrhundert und im frühen 20. Jahrhundert ist noch sehr viel erhalten! Und die Bausünden des Betonzeitalters der letzten Jahrzehnte sind weitgehend vermieden worden. Was hier gebaut wurde, wurde im alten Format und in der alten Dimension erstellt. Und das geht, weil man das Autofahren auf das Äußerste beschränkte (wo es technisch überhaupt möglich ist). Eigentlich gibt es nur eine einzige “richtige” Straße, und die ist kaum länger als 20 Kilometer und geht einmal um die Insel herum. Der Verkehr auf ihr ist minimal.
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Die Pferdekutschen dienen ausschließlich dem Tourismus, sie verlassen fast nie den Hauptort; der Einheimische bevorzugt den Zweitaktmotor.
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Wenn Sie auf die andere Seite der Insel kommen wollen, Agii Anargyri hat einen schönen Strand, leihen Sie sich am besten ein Fahrrad (6 Euro). Das Wassertaxi (nimmt maximal 12 Personen mit) dorthin kostet 63 Euro.
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Blick von der Rundstraße. Spricht das Bild nicht für das Fahrradfahren?
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Man hat es wirklich geschafft, die Stadt im Osten der kleinen Insel zu konzentrieren – ohne daß sie sich mit wilder Bebauung ins Land hineingefressen hat wie so oft anderswo. Das ist für Griechenland schon sensationell!
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Ursprünglich streckte sich die Stadt von Spetses zwischen dem befestigten Hügel von Kastelli (im 18. Jahrhundert zerstört) und dem alten Hafen (Palio Limani) aus. Von Kastelli aus wurde im Lauf der Zeit immer weiter nach Westen gebaut: Die Bezirke von Dapia (das jetzige Zentrum) und Kounoupitsa entstanden. Noch heute ist die vor 100 Jahren gegründete Internatsschule am Strand die Ortsgrenze im Westen.
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Die Schule wurde Sotirios Anargiros gegründet, der aus Spetses stammte und in den USA mit Tabak zu einem sagenhaften Vermögen gekommen war. Seine Stadtvilla, im ägyptischen Stil, ist auch noch erhalten. Sie ist zur Zeit jedoch geschlossen und wirkt ziemlich vernachlässigt:
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Ganz im Gegensatz zum vornehmen Hotel Possidonion, das Anargiros 1914 am Hafen der Stadt errichtet hat, um auf der Insel den Tourismus zu fördern. Es ist heute noch ein markanter Punkt auf der Insel. Wenn Ihnen eine Atmosphäre wie an der normannischen Kanalküste gefällt, mit Live-Jazz zur tea-time und Aussicht auf das Heck der dicken Privatyachten vor der Tür, sind Sie hier richtig:
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Anargiros hatte auch gleich die halbe Insel gekauft, am darauf Kiefernwälder in Monokultur anzupflanzen. Dafür wollen wir ihm mal dankbar sein. Man kann noch nicht erkennen, ob nach dem großen Brand im Nordwesten vor einigen Jahren das, was da jetzt nachwächst, etwas mediterran-vielseitiger ist. Ein richtiges Wanderwegenetz ist nicht entstanden – im wesentlichen führt von der Stadt ein einziger steiler Weg nach oben zum West-Ost-Höhenweg über die Gipfel (in Kastelli an der Taverne O Lazaros vorbei, und weiter oben an einer ganz verzwickten Stelle ganz links hoch …), und alle anderen Wege führen von dort in alle Himmelsrichtungen wieder hinunter zur Uferstraße. Oben, am Haus der Jägervereinigung, beginnt das Spinnennetz der Wege – probieren Sie einfach jeden einmal.
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Der Höhenweg
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Der (inzwischen verstorbene) Reeder Stavros Niarchos wollte es einige Jahre später etwas diskreter. Er kaufte sich die kleine Insel Spetsopoula im Südosten von Spetses zu seinem Privatvergnügen, und noch einen breiten gegenüberliegenden Uferstreifen von Spetses dazu. Damit ihm der Pöbel nicht zu nahe rückte:
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Bei Südwind weht allerdings den Qualm der brennenden Müllkippe von Spetses genau auf seinen Privathafen (500 Meter Luftlinie entfernt). Hm, was war wohl zuerst da, die Müllkippe oder der private Hafen? Egal, meist ist ja Nordwind, und nach EU-Recht dürfte es die Müllkippe längst nicht mehr geben …
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Jedenfalls war ich nach acht Tagen auf dem (fast) autofreien Spetses so unendlich friedlich und entspannt wie der Husky, der unser Haus bewachte. Bewachte …? Wenn ich das mal so sagen darf. Meist schlief er den ganzen Tag, meist mitten zwischen den Hauskatzen. Aber vom dritten Tag an ging er morgens mit mir hinunter zum Bäcker. Womit wir dann alle Köter in der Nachbarschaft aufregten. Mit zum Wandern wollte er nicht. Zu wenig Schnee in den Hügeln wahrscheinlich …
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Moment, mit Spetses sind wir ja noch nicht fertig! Hier geht es weiter:
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Karte von ORAMA/NAKAS: Spetses/Portocheli 1:25.000, 5 Euro
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Greek Traditional Architecture: Spetses, Melissa Publishing House, Athen 1986

3 comments

  1. 1956 hat übrigens Melina Mercouri hier Greta Garbo getroffen … einige Szenen aus meinen Garbo-Lieblingsfilm (Ninotschka, 1939) hätte man auch im ‘Possidonion’ drehen können …

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