Karpathos – der Norden

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Olympos, Karpathos, Mai 2012
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“Das Dorf (Diafani) scheint vom Tourismus noch nahezu unberührt. Papa Minas, der Ortspriester, ist froh darüber. “Unser Bollwerk gegen den Massentourismus ist die Straße – hoffentlich bleibt sie noch lange so schlecht.” Der Priester sieht die Vor- und Nachteile des Fremdenverkehrs. Zwar könnten nun “viele Familien zusammenbleiben”, andererseits aber fließe jetzt sehr viel Geld in die Taschen weniger Leute. Das störe den Frieden auf der Insel. “Ich predige in der Kirche und im Cafenion – aber wo Geld im Spiel ist, werden die Ohren taub.” “ (aus: ‘Zeitenwende auf Karpathos’, von Burkhard Kieker, Die Zeit, 26.05.1989)
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Also: Wenn ich über Karpathos schreibe, schreibe ich in der Regel über den Norden der Insel. Für den Süden blieb mir im Mai 2012 nur ganz wenig Zeit.
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Mit dem Ausbau der Straße nach Norden – von Spoa nach Olympos – wurde 2005 begonnen. Die Straße ist immer noch nicht fertig. Es fehlen noch knapp zwei der 18 Kilometer am südlichen Ende. Zwei schwierige Kilometer, die man aus dem Berg herauskratzen muß. Zwei Kilometer, die wohl schon im Süd-Bezirk, dem Dimos Karpathos, liegen. Vielleicht liegt ausgerechnet der Insel-Hauptstadt und Süd-Bezirkshauptstadt Pigadia gar nichts an der Strecke …
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Bis Anfang der 1980er Jahre gab es nur einen schmalen Maultierpfad, der sich in Serpentinen an den Berghängen entlangschlängelte. Aber, wer in den Norden wollte, der nahm ja meist das Schiff. Dann kam die immer noch aberteuerliche Schotterpiste (oben der immer noch erhaltene Rest). Jetzt haben wir eine asphaltierte, zweispurige, meist beidseitig leitplankenbewehrte Strecke, die ziemlich überdimensioniert erscheint. Es sei denn, man steuert gerade einen vollbesetzten Ausflugsbus …
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Die neue Straße, kurz vor Olympos, mit wandernder Bäuerin
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Ich hatte ich mir den Zeit-Artikel von 1989 aufbewahrt, zusammen mit dem Bericht von Björn Engholm über seine jährlichen Ausflüge zu der Insel. Ja, der damalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein verdrückte sich im Urlaub ganz privat mit Freunden auf die Insel, zunächst mit dem Pauschalflieger nach Rhodos, dann weiter mit dem 16-Sitzer der Olympic, dann mit dem Taxi in ein Privatzimmer nach Lefkos (Merian 9/1989: “Der Traum vom Glück”). Auch Engholm ahnte, daß sich der Zustand der Insel durch den Tourismus bald verändern sollte.
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Seit 1989 gehörte mir auch der Band “Traditionelle Architektur: Karpathos” des Melissa-Verlages. Seitdem gehörte Karpathos zu den Plätzen, die ich unbedingt sehen wollte. Bevor die Insel ihren Widerstand gegen die alles gleichmachende Neuzeit aufgab. Nur kam ich nie hin. Vor etwa 12 Jahren hatte ich sogar einen Karpathos-Direktflug fest gebucht und im allerletzten Moment noch storniert. Keine Ahnung mehr, warum … es kam eben immer was dazwischen.
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Dieses Jahr hatte ich zwar im Januar einen Flug nach Athen gebucht, war aber noch ohne jede Ahnung, wohin ich endgültig reisen sollte. Dann kam Ende April, dank Richi, Eric und Jan, jenes Treffen bei Mythos in Köln. Ja, jenes Treffen, von dem niemand was wissen durfte … Und meine Schnaps-Idee, die Hellas-Freaks an meinem Tisch abstimmen zu lassen, wohin ich denn zwei Wochen später fahren sollte. Karpathos hat gewonnen. “Du mußt da jetzt hinfahren, die Straße soll nämlich dieses Jahr fertig sein!” Zweiter Platz für Anafi. Am nächsten Tag habe ich bei Olympic den Flug Athen-Karpathos gebucht. Mit der Prevelis der ANEK Lines gab es einmal in der Woche sogar eine Direktfahrt nach Anafi, über Kasos. Na bitte. Geht doch alles: Also Karpathos, Anafi, vielleicht noch ein Ausflug nach Kasos …
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Die Zeit auf Karpathos habe ich jedoch spontan verlängert. Anafi hatte keine Chance. Kasos schon gar nicht. Vielleicht beim nächsten Mal, wenn ich wieder in Diafani bin …
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WEITER MIT  HALB ZURÜCK AUS MARYLAND  (Nikos Filippakis)
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WEITER MIT  GANZ EUROPA IST VON IKEA BSETZT …  (Traditionelles Wohnen)
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WEITER MIT  DER VIERTELRUNDWEG  (Der alte Maultierpfad)
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WEITER MIT  DANKE FÜR DEN KUCHEN …  (Roger Jinkinson)
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WEITER MIT  WENN ICH MAL GROSS BIN …  (Die Kindertaufe)
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WEITER MIT  VROUGOUNDA, ELF STUNDEN  (Geht auch schneller …)
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Folgt später noch was …
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Eine kleine Skizze zur Orientierung (Angaben ohne Gewähr):
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1835, als der Archäologe Ludwig Roß die Insel besuchte, war sie noch terra incognita. Er hatte auch nur ein paar Tage Zeit für seine Visite, und wegen der schlechten Windverhältnisse konnte er den Norden nicht besuchen. Er hat trotzdem eine Skizze der Insel angefertigt und als „ungefähres Kärtchen“ in seinen „Inselreisen“ veröffentlicht, weil „noch kein neuerer Reisender Kasos und Karpathos besucht zu haben scheint und auch die englischen Seekarten noch nicht bis zu der Aufnahme dieser Inseln vorgeschritten sind“. Die Skala rechts (1-4) gibt “Stunden” an zur Entfernungsmessung.
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Er setzt Diafani (To Afani) auf die falsche Seite der Insel und auch Tristomo (O Tristomos)  liegt an falscher Stelle, nämlich südwestlich statt nordöstlich von Olymbos. Aber da hat er vorsichtshalber schon ein Fragezeichen gesetzt:
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19 comments

  1. 1989 – Mann, Theo, was hast du dir Zeit gelassen für Karpathos!

    Tja, In-Greecler wissen halt wo es schön ist 😉 Auch wenn sie 1989 noch nicht im entfernstesten an Griechenland gedacht haben. Fluch der späten Geburt.

  2. Zufallsfund:
    “Vor zwei Wochen ist Björn Engholm von Karpathos zurückgekehrt, „seiner“ Insel. 15, 16 Mal hat er den Urlaub, immer im Oktober, seit 1983 auf dem griechischen Eiland verbracht, das nur sehr behutsam dem Tourismus anheimfällt. Dort ist er nicht die ehemalige Politikgröße Engholm, der Sozi mit Bügelfalten, sondern nur Mensch. Dort sitzt der deutsche Urlauber nach eigenen Worten mit einfachen Leuten am Tisch und philosophiert mit ihnen über Gott und die Welt. Und wenn jemand aus der Runde stirbt wie jüngst ein Fischer – zehn Jahre jünger als er –, dann trauert er mit. Sagt er.”
    aus: Engholm 70 – und ein bisschen weise
    http://www.luebeck2050.de – 08.11.2009

  3. ………..für ‘ne Moment woor ich ahm dräume
    -Rhodos – Karpathos1982
    -An die Fähre habe ich keine Erinnerung mehr
    -Wir wurden ausgeschifft glaube ich – ist vergessen.
    -Eine Nacht in Pigadia
    -Geschlafen auf einem Zwischenboden im Schlafsack
    -Keine gute Nacht – schlecht gegessen
    -Zuviel Retsina – zuviel Ouzo – Frustsaufen
    -Pigadia kein schöner Ort – weg hier
    -Nächster Tag Schiff nach Diafani
    -Endlich Hellas
    -Gewohnt – bei Kaliopi
    -männliche Wesen keine Chance
    geschlafen im Monsterbett (auf zwei gestapelten Matratzen)
    -Geckos als Mitbewohner – keine Mücken
    -Zum Melken der Ziegen die Berge hoch
    -ich, 28, klitschnass – Kaliopi, 70, topfit
    -Der Zeigenbock hat’s mit dem Putzlappen bekommen
    -Emanzipation

    -Am „Fliegenstrand“ haben wir uns geliebt
    -„hühr ens, dat weet mer doch wohl kein Karawan.“
    -geschossenen Spinat gegessen
    -Brot im Steinofen gebacken
    -Morgens das Schlachten einer Ziege
    -Abend’s das erstemal im Leben Katsika gegessen
    -Olymbos
    -Geisterstadt in der Mittagshitze
    -Die reichste Stadt Griechenland’s ???
    -Auf halben Weg das Weh der Klageweiber
    -Zum Sterben kommen auch die Reichen nach Hause
    -Bei betreten des Kaffeneons, Totenstille
    -Männerblicke
    -Mit Frauen geht man nicht in eine Kneipe
    -Frauen reparieren die Straßen
    -Die bunten „Bömmel“ haben wir letztes Jahr weggeworfen,
    die Farben waren noch gut,
    die Wolle hat die Jahre nicht überstanden.
    So vergehen die Erinnerungen
    Karpathos war anders – kein Zweifel.
    ……un für ‘ne Moment woor die Uhr öm paar Johr zoröck jedrieht
    Danke Theo

  4. Oh -Gott
    Wenn die Welt was falsch verstehen will.
    Nachtrag:
    Mit “geliebt haben wir” ist natürlich meine damalige beste Freundin und heute immer noch aktuelle Frau gemeint !!!

  5. Der letzte Satz klingt nun wieder fast wie Guido Westerwelle …
    🙂

    Bin übrigens mal meine Fotos vom Friedhof (bzw. Beinhaus) in Diafani durchgegangen, Norbert … mal angenommen, Kalliopi, die 1982 topfit und 70 war, ist nicht 100 geworden dieses Jahr … dann müßte sie ja da zu finden sein. Hab aber nur eine Kalliopi (mit Foto) auf den Beinhaus-Bildern gefunden … Kalliopi M. … und zwar weiß gekleidet, nicht schwarz, wie die ganzen anderen alten Frauen in diesen verzinkten Keksdosen.

  6. Nix Westerwelle – George Harrison -While my Guitar…..
    Mm…. der Vergleich Keksdose ist mir nie gekommen,
    ist aber auch gut.
    Ich denke immer an nicht abgeholte Umzugskisten.
    Tja und diese Kalliopi ?
    Sie war eine der resolutesten Frauen die wir auf unseren Reisen
    getroffen haben und da sind ne Menge Hauswirtinnen in den Jahren zusammmengekommen.
    Ob die damals wirklich 70 oder jünger oder noch älter war, ehrlich
    keine Ahnung. Meine griechischen Sprachkenntnisse, damals
    wie heute, sind minimal und reichen gerade um nicht zu verhungern
    oder zu verdursten.
    Ihren Gatten haben haben wir kaum zu sehen bekommen,
    der war selten zu Hause.
    Nun, es gibt stimmliche Tonlagen die einen aus dem Hause treiben können.
    Wenn sie nicht als Witwe verstorben ist, dann hast Du vielleicht
    die richtige auf Deinen Bildern. Wir haben grundsätzlich nie oder sehr selten Gesichter fotografiert. Nachname habe ich vergessen.

  7. Stimmt … “With every mistake we must surely be learning, still my guitar gently weeps” … ist von Lennon/McCartney/Harrison, nicht von Westerwelle/Matthäus … Bildungslücke meinerseits, Norbert!

  8. Karpathos 1964 … ungefähr nach 3 Minuten, 40 Sekunden sieht man (bei einer Feier) die Schule von Diafani – aber noch ohne die Wandbilder. Reliefs und sonstigen Verzierungen von Vasilis Hatsivasilis:

  9. Der Norden von Karpathos und die Insel Saria sollen (wie die komplette Insel Tilos) demnächst zu einem Naturschutzgebiet werden. Nord-Karpathos in erster Linie wegen der Artenvielfalt in seiner Meeres-Region:
    “The Karpathos plan foresees the northern sea area off the coast of the island, which includes Saria and a cluster of rocks known as Astakidonisia, becoming a marine park. According to the study for the area, this is one of the richest marine environments in Europe and home to a thriving abundance of endemic species of flora and fauna. This area is also home to a good portion of the Mediterranean’s dwindling Monachus monachus, or monk seal, population and large underwater Neptune grass (Posidonia oceanica) meadows, as well as rich fish stocks. The presidential decree concerning the plan for this area’s protection separates it into two basic zones (sea and land), with certain activities allowed in designated areas. The Astakidonisia islets will enjoy complete protection.”
    http://www.ekathimerini.com/4dcgi/_w_articles_wsite6_1_31/08/2012_459250

  10. Hallo Theo, ich lese mit Interesse Deine Karpathos-Berichte. Vor allem, weil ich bei meiner diesjährigen Sommer-Tour das erste mal dort war und es absolut schräg fand. Ich hab meine Eindrücke etwas sarkastisch hier formuliert: http://kraemergasse.wordpress.com/2012/08/11/reisende-mutter-und-tochter/
    Aber ich freu mich über die entlegenen Winkel, die Du dort für uns erkundet hast. Das gibt mir das gute Gefühl, dass ich gar nicht richtig dort war und vielleicht nochmal hin muss. Erschwerend kam bei mir dazu, dass ich die Insel im Hochsommer besucht habe und die Motivation für längere Märsche gleich Null war. Nur einmal sind wir ein Stück gelaufen und zwar von Diafani nach Olympos.
    Am besten gefallen hat mir auf meiner diesjährigen Sommertour übrigens die Busfahrt durch den Norden Kretas und die Städte Rethimnon und Chania. Und natürlich Vathis auf Kalymnos. In Lakki auf Leros war ich wegen deiner schönen Schilderung für eine Nacht. Und es hat sich gelohnt! Das ist wirklich ein anderer Planet.
    Lieben Gruß, Steffen.

  11. „Dann kam Ende April, dank Richi, Eric und Jan, jenes Treffen bei Mythos in Köln. Ja, jenes Treffen, von dem niemand was wissen durfte … „
    Geheime Treffen der großen Weisen, Gründer der Kykladen und der griechischen Sprache. User, die in ihrer eigenen Welt leben. Vielleicht wären mal ein paar Tage Abstinenz ganz hilfreich.
    Links oder rechts abbiegen aller strengstens verboten – fürchterliche Cliquen-Wirtschaft.
    Ist den Stamm-Usern eigentlich bewusst, das es generell Reisende gibt, die weit mehr über Land und Leute wissen, aber dieses nicht öffentlich mitteilen wollen ?
    Zu dieser Seite, was ja das eigentlich den comment beinhalten soll – informativ, mit sehr betonter eigenen Note. Mit das Beste, was das Netz in puncto „Eintauchen in die griechische Inselwelt“ zu bieten hat, mit freundlichen Grüßen, Charalambos.

  12. Stand Juni 2013: exakt 1,8 km sind noch zwischen Spoa und Olympos zu asphaltieren. Kein Problem diese paar Meter mit einem Kleinwagen zu überwinden. Trotzdem versuchen die Autovermieter in Pidakia dir einen teuren Suzuki anzudrehen.

  13. Klingt ja so, als hätte sich in den letzten 12 Monaten nichts getan auf der Baustelle, Franky. Ich weiß gar nicht, ob ich das bedauern soll … 🙂 …

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