Griechische Hirtenhunde

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“Hundephobie, ich …? Ich liebe große Hunde!”
“Echt?”
Am Olymp, mit Hirtenhund
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Ein Versuch, den ich allein machte, die Gegend etwas zu recognosciren, mißlang vollständig; denn kaum war ich etwa fünfzig Schritte vom Hause weg, als eine ganze Meute Hunde von allen Seiten, unter wüthendem Gebell, auf mich losstürzte, die ich mir mit Steinen vom Leibe halten mußte, bis einige Bauern herbeikamen und mir den Rückzug möglich machten. Man trifft diese in der Regel sehr bösartigen Hunde in ganz Griechenland in großer Menge, und oft kommen sie Viertelstunden weit her von Heerden und Gehöften den Reisenden nachgelaufen und fallen den Pferden in die Beine.
Auf dem Hymettos; aus “Erinnerungen und Eindrücke aus Griechenland”,
Wilhelm Vischer, Basel 1857

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Er (Oberst Barthélémi) war wegen seiner Arbeiten für die Karten in einer der Provinzen, ritt aus, ward von mehreren Schäferhunden überfallen, rief den Schäfern zu er würde auf die Hunde schießen so sie sie nicht zurückriefen, die Schäfer blieben passiv, er schoß, und nun stürtzten mehrere Männer über ihn her, er ward vom Pferd gerissen, mit Knüppeln über den ganzen Körper geprügelt daß er die Besinnung verlor …

Aus „Leben in Griechenland 1834 und 1835“, Bettina Schinas, geb. von Savigny, Hrsg. von Ruth Steffen, Münster 2002
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Auf diesem Wege bekam ich einige Proben von der bekannten Wildheit der griechischen Hirtenhunde zu sehen. Bei jeder Herde in mehreren Exemplaren vertreten, gehen Sie dem Fremden gleichzeitig von verschiedenen Seiten zu Leibe. Ihre eigenen Herren konnten sie nur durch sicher treffende Steinwürfe vom Angriff auf uns abhalten.

Aus “Eine Frühlingsreise in Griechenland”, A. Döring, Frankfurt 1903
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Die Schäfer hatten unsere Annäherung beobachtet, und da sie meine ungewohnte Tracht unterschieden, wo dunkle Kleider vermuthlich niemals seit ihren Gedanken erschienen waren, so bildeten sie sich ein, ich sey ein Regierungs-Beamter, der irgend einen Flüchtling verfolge, und machten sich demnach nach allen Seiten hin auf die Socken, ihre Schafe vor sich her treibend. (…) Während ich nun die Hürde erreichte, die ein festes, kreisrundes Steingebäude war, etwa mannshoch, um den Wind abzuhalten, sahen wir sie mit ihren Schafen und Hunden zurückkehren.
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Die Hunde des Ersten, dem wir begegneten, zeigten einen hohen Grad von Feindseligkeit und waren sehr wildaussehende Thiere. Das Drohen mit einem Stock und einem paar Steinen genügte indeß, ihnen einigen Respect beizubringen, allein ihr Gebell brachte bald von nah und fern den ganzen hündischen Antheil der Schäferei zusammen. Da die Bestien nun ihre Anzahl verstärkt sahen, so dachten sie auf eine regelmäßige Kriegserklärung. Ich war mir meiner Gefahr unbewußt, aber die Schäfer brachten mich eilig in die Hürde, ließen mich niederlegen, warfen ihre Mäntel über mich und beeilten sich dann, die Mauer zu vertheidigen. Ein oder zwei ungeregelte Anläufe wurden abgeschlagen, als die Hunde mit vereinten Kräften, etwa zwanzig Rachen stark, einen wüthenden Sturm machten und zwei oder drei von ihnen über die Mauer kamen, wo ich gewiß schlimm weggekommen wäre, hätte ich nicht mit Mänteln bedeckt am Boden gelegen. Nun kamen aber andere Schäfer hinzu, und die Hunde wurden mit großem Verluste zurückgeschlagen; drei oder vier hinkten übel zugerichtet davon und widerholten ihre Klagen (im) Echo des Oymps. Nach Aufhebung der Belagerung wurde Frieden geschlossen; die Hunde bekamen ihr Mittagsbrod, wir unser Frühstück.
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David Urquhart „Der Geist des Orients“, 1839, Cotta Stuttgart/Tübingen. Urquhart ist dabei, im Juli 1830 als einer der ersten den Olymp zu besteigen, er beginnt den Aufstieg von Südwesten, am Kloster Sparmou. Unterhalb der Gipfelkette findet er die Schäfer, die die Herden des Klosters im Hochsommer kurzfristig bis weit über die Baumgrenze treiben.
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Die griechischen Hunde sind eine höchst ungastliche Rasse, sie sollen manchem Reisenden gefährlich geworden sein.

Aus “Tage in Hellas – Blätter von einer Reise”, Bernhard Guttmann, Frankfurt 1924
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Mehrere Male mußte ich auch den Wagen verlassen und wurde bei solchen Gelegenheiten zweimal von grimmigen Hirtenhunden attackiert, die ich nur mit Mühe durch Steinwürfe fernhalten konnte.

Aus “Griechische Fahrten und Wanderungen”, Friedrich Seiler, Leipzig 1904
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Auch von halbwilden Hunden, die man nur bei guter Rückendeckung mit Steinwürfen fernhalten kann, wußten sie zu erzählen. Auch wies man uns an, wenn man schon nicht die Schnauze des Hundes treffen könne, möglichst über ihn hinwegzuwerfen, weil der Hund wütend dem Steine nachläuft, und man so Zeit gewinnt.

Aus “Reise nach Konstantinopel und Griechenland im Frühjahr 1900”, Georg Wartenberg
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„Kaum losmarschiert, kamen von allen Seiten die Hunde auf uns zugestürmt, die wie die wahrhaften Wölfe mit glühenden Augen und fürchterlichem Gebiß, unter unaufhörlichem Geheul auf uns losstürzten. (…) Ich hätte doch nicht geglaubt, daß diese Bestien so gefährlich waren, hätte ich es nicht selbst erlebt. Ein Glück, daß wir unsere Eispickel dabei hatten und unser so viele waren, daß wir gemeinsam den Abwehrkampf gegen diese wilden Tiere bestehen konnten. (…) Ich bin überzeugt, daß ein einzelner Wanderer diesen gereizten Bestien rettungslos ausgeliefert sein würde.“
Aus „Auf den Götterbergen Griechenlands“, (13. Kapitel: Der Olymp), William Matheson, Basel 1936
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Diese vierbeinigen, keifenden Freunde der Hirten scheinen in jedem Fremden einen bösen Dieb zu wittern, und oftmals war ich froh, einen kräftigen Stock in der Hand zu haben.

Aus “Bergwandern in Griechenland”, Harald Schrempf, Graz/Stuttgart 1985
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Mal in mein Reisebuchregal gegriffen, alles Zufallsfunde. Ich hätte da noch eine ganze Reihe weiterer Zitate, aber hinterher hält man mich noch für einen Hundehasser! Aber wenn man in Griechenland wandert, besonders auf dem Festland, beginnt man, Hunden mißtrauisch zu begegnen, oder ihnen auszuweichen, wo es eben geht … (wegen der Hundepsychologie siehe auch Nachtrag unten!)
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“Bei heutigen Hütehunderassen ist der Hütetrieb sehr stark ausgeprägt. Das kann teilweise zu Problemen führen, da manchmal vom Hund auch Spaziergänger, Kinder oder Autos als „zu hütende Herdentiere“ angesehen werden. Andere Hunde (sogenannte Herdenschutzhunde) werden auch heute noch zum Bewachen der Herde und zur Verteidigung gegen Beutegreifer und Viehdiebe eingesetzt. Diese Hunde agieren selbstständig und ohne Anweisung durch den Hirten. Die Kooperationsbereitschaft mit dem Menschen war zu keinem Zeitpunkt erklärtes Zuchtziel, dies erklärt die große Eigenständigkeit und schwere Trainierbarkeit dieser Hunde.”
(Wikipedia, 28.10.2007)

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31.07.2013 NACHTRAG:  Der Maler Peter von Hess (1792-1871), der 1834 mit König Otto von Bayern nach Griechenland ging, sorgt dafür, daß wir auch mal den Typ „Hirtenhund“ auf einem Gemälde des 19. Jahrhunderts zu sehen kriegen. (Hess zog gerne Hunde in seine Kompositionen ein.)
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1839 entsteht sein Bild „Empfang König Ottos von Griechenland in Athen“. Hier empfängt ein Querschnitt aus der Athener Bevölkerung den frisch importierten Monarchen. Darunter auch ein bäuerliches Paar mit Esel und Hund. (Athen war 1834 ja noch ein etwas größeres Dorf, mit Olivenhainen und Feldern mitten im Zentrum.) Und der Hund, der der verschleierten Bäuerin bis zur Hüfte reicht, macht in der vielköpfigen Menschenmenge einen ziemlich gelassenen Eindruck. Er schaut auch nicht auf den König, sondern auf dessen stramm stehende, blau-weiß uniformierte Begleitsoldaten. Vielleicht überlegt unser Hütehund ja, ob diese Uniformierten eine Herde sind, die er gleich in Schutz und Pflege nehmen könnte … 🙂 …:
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Peter von Hess Hund
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Erstaunlich, bei Peter von Hess sind die Hunde sonst aktiver. Beißen Kosaken in die Wäsche und sowas. Aber vielleicht gehört unser Hütehund ja zu den Vorfahren der herrenlosen Hunde im Zentrum von Piräus. Die schlafen selig auf der Straße in der Bus-Spur, die können Menschenmengen, Könige oder Taxifahrer auch nicht erschüttern …
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Hundeprobleme sind übrigens schon in der griechischen Antike belegt: Jäger Aktaion wird von seinen Hunden zerfleischt – Statue im Britischen Museum, Abb. aus Meyers Konvers.-Lexikon von 1888  … da sage einer, man könnte aus der Geschichte nichts lernen … 🙂 …!
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07.01.2008 NACHTRAG: Ich habe mich oft gewundert, warum die Hirten NICHTS tun, wenn die Hunde einen (bellend) attackieren. Tim Salmon (The Unwritten Places, S. 286) hat die Antwort. Die Hunde sind es nicht gewöhnt, in solchen Situationen zurückgepfiffen zu werden. Wenn der Hirte hinterhergeht, um einzugreifen, fühlt sich der Hund vom Hirten bestätigt, und reagiert eher noch heftiger. Wenn die Hirten nichts machen, spürt der Hund: Du hast dich geirrt, die Führung der Herde ignoriert meine Zeichen.
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Bis die Hunde dann endlich auch verschwinden, das kann für einen angegriffenen Wanderer natürlich sehr lange dauern. Besonders, da er als Attackierter weder Angst noch Wut zeigen darf …
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Zitat aus Tim Salmons Buch (der lange mit einer Gruppe vlachischer Hirten zusammengelebt hat): “A few minutes later the dogs assaulted another local, a scared old fellow with only one arm. “Do they bite?” he asked, as I rushed to rescue him too, thinking this canine aggression was bad publicity for us. Tsiogas`s only comment was, “It’s not worth chasing after them. You tire yourself out and it only encourages them if they think their masters are with them.”
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08.01.2014, FORTSCHRITT: Na, heute gibt es immerhin eine psychologische Anti-Aggressions-Schulung für griechische Hunde. Schulungsziel: Der griechische Wachhund streckt dem harmlos vorbeiziehenden Wanderer nur noch demonstrativ die Zunge raus, statt ihn hinterrücks anzufallen!
Wegen der Staats-Finanzkrise (erheblich verminderte Hundesteuer-Einnahmen) können bisher jedoch nur wenige Tiere an solchen Kursen teilnehmen …
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Hund Zunge
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6 comments

  1. Hallo Theo,

    das mit den wilden Hunden ist wirklich nicht ohne. Wir haben uns mal eine Stunde in einer Felsenkirche versteckt, als sie uns umkreisen wollten.
    In den touristischen Gebieten, kommt das eher nicht vor, aber wenn man auf einsamen Pfaden wandert, muss man schon vorsichtig sein.
    Viele Grüße
    Ulli

  2. „Allein in diesem Lande der Tyrannei und der Sklaverei werden sie (die Hunde) überall mißhandelt und verfolgt, und dürfen es kaum wagen, irgend einmal die Anhänglichkeit an den Menschen blicken zu lassen, die ein natürlicher und so kostbarer Instinkt in ihnen ist.“
    (Reise nach Griechenland und der Türkey, Charles Nicolas Sigisbert Sonnini de Manoncourt, 1801 – Reise von 1778)

  3. “Endlich erreichten wir einen bergab führenden Pfad und hörten in kurzem Herdengeläute. Eine kleine Terrasse mit Feldern und einer Hütte lichtete sich vor uns; wütendes Hundegebell liess es uns aber rätlich erscheinen, in Respektsdistanz das Erscheinen der sich nähernden Herde abzuwarten, denn mit den wilden albanischen Kötern ist nicht zu scherzen.”
    (Von der Adria zum Schwarzen Drin, Karl Steinmetz, Sarajevo 1908)

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